Initiative Bioökonomie: Acht Forderungen für die Wirtschaft der Zukunft
Positionspapier: Nur entschlossenes Handeln kann Deutschlands Wirtschaft
nachhaltiger, resilienter und zukunftsfähiger machen.
Umbau zur Kreislaufwirtschaft, Förderung von Forschung und Innovation
sowie Abbau rechtlicher Hürden, Schaffung fairer Marktbedingen und
Förderung von regionalen Bioökonomie-Initiativen – diese Themen müssen
laut führenden Expert:innen jetzt ganz oben auf die politische Agenda. Die
Botschaft ist klar: Wer die Bioökonomie stärkt, stärkt den
Wirtschaftsstandort Deutschland. „Sie ist ein wichtiger Schlüssel, um
unsere Wirtschaft zukunftsfähig und nachhaltig zu gestalten. Deutschland
muss jetzt handeln, um seine internationale Führungsrolle zu behaupten und
die Weichen für kommende Generationen zu stellen“, betonen die beiden
Hauptinitiatorinnen Prof. Dr. Iris Lewandowski von der Universität
Hohenheim in Stuttgart und Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän vom Helmholtz-
Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Bereits 150 Personen aus
Forschung und Industrie unterstützen den Aufruf an die Politik. Das
gesamte Positionspapier ist hier abrufbar: https://bioeconomy-science-hub
.uni-hohenheim.de/
Ressourcen werden immer knapper, die Weltbevölkerung wächst, Klimawandel
und Rückgang der Artenvielfalt bedrohen die Lebensgrundlagen: Weltweit
steht die Menschheit derzeit vor großen Herausforderungen. Die Bioökonomie
bietet praktische Lösungen dafür an, wie die Menschen zukünftig
nachhaltiger leben können.
„Bei einer biobasierten Wirtschaftsweise geht es darum, nachwachsende,
biologische Stoffe, Ressourcen und Prozesse nachhaltig zu erzeugen und
innovativ zu nutzen. So liefert die Bioökonomie gesunde Lebensmittel und
erneuerbare Rohstoffe, zum Beispiel zur Herstellung von biobasierten
Chemikalien und Verpackungen oder für pharmazeutische und medizinische
Produkte. Auf diese Weise können wir mineralische und fossile Rohstoffe
ersetzen und Produkte umweltverträglicher und klimafreundlicher
herstellen“, erläutert Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän vom UFZ.
Bioökonomie als das Wirtschaftsmodell der Zukunft
Nicht umsonst gilt die Bioökonomie als das Wirtschaftsmodell der Zukunft:
Inzwischen haben global mehr als 70 Länder Bioökonomie-Strategien.
Wichtige Vorreiter bei deren Entwicklung und den sie begleitenden
Forschungsprogrammen waren Deutschland und die Europäische Kommission.
Die neu ins Leben gerufene Initiative Zukunftsorientierte Bioökonomie ist
ein interdisziplinäres Gremium von Expert:innen, darunter ehemalige
Mitglieder der Bioökonomieräte der Bundesregierung und Vertreter:innen der
Bioökonomie-Länderinitiative. Sie versteht sich als Think Tank und
Sprachrohr für die Weiterentwicklung der Bioökonomie und richtet sich mit
klaren Empfehlungen an die Politik.
Die acht Kernforderungen der Initiative
1. Mit Bioökonomie Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz steigern
„Die Bioökonomie kann ein zentraler Treiber für eine klimaneutrale und
gerechte Wirtschaft sein“, sagt Prof. Dr.-Ing. Thrän. „Bioökonomische
Lösungen können in vielen Bereichen den Klima- und Ressourcenschutz
fördern, Lieferketten robuster gestalten und dazu beitragen, unabhängiger
von anderen Ländern zu werden.“
„Dies stärkt zugleich die Wettbewerbsfähigkeit“, ergänzt die Expertin.
„Bereiche wie Landwirtschaft, Bau, Chemie, Ernährung, Gesundheit und
Umweltschutz können davon profitieren. Politik, Industrie und Wissenschaft
müssen zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass Deutschland in den global
wachsenden bioökonomischen Märkten ins Abseits gerät. Dazu brauchen wir
klare politische Weichenstellungen.“
2. Voraussetzungen für bioökonomische Innovationen verbessern
Viele Start-ups und Forschungsgruppen entwickeln bereits wegweisende
bioökonomische Lösungen – etwa biobasierte Verpackungen, nachhaltige
Baustoffe oder alternative Proteinquellen. Um diese schneller an den Markt
zu bringen, fordert die Initiative unter anderem eine stärkere Förderung
von Forschung und Innovationen.
„Neben verbesserten Finanzierungsmöglichkeiten für Start-ups gehört dazu
auch der Abbau von rechtlichen Hürden, die Innovationen, Pilotprojekte und
Scale-up-Aktivitäten bremsen“, erklärt Prof. Dr. Thomas Brück von der
Technischen Universität München. „Dadurch können wir zukunftsweisende
Technologien schneller an den Markt bringen und ein nachhaltiges
Wirtschaftswachstum ermöglichen.“
3. Faire Marktbedingungen schaffen
Bioökonomische Alternativen werden im Vergleich zu konventionellen
Produkten oft benachteiligt – sei es durch ungeeignete Produktstandards
wie im Bau- oder im Lebensmittelbereich, aufwendige Zulassungsverfahren
wie bei der Verwendung und dem Recycling von biobasierten Stoffen oder
mangelnde Förderstrukturen.
„Damit sich bioökonomische Innovationen am Markt durchsetzen können,
müssen wir bestehende Nachteile wie ungeeignete Produktstandards oder
aufwendige regulatorische Verfahren schnell und umfassend abbauen, um
faire Bedingungen für nachhaltige Lösungen zu schaffen“, so Prof. Dr.
Christine Lang, Co-Vorsitzende des International Advisory Council on
Global Bioeconomy (IACGB).
4. Durch Bioökonomie zur globalen Ernährungssicherheit beitragen
„Die Weltbevölkerung wächst und muss auch künftig ausreichend und gesund
ernährt werden“, erläutert Prof. Dr. Iris Lewandowski, Chief Bioeconomy
Officer (CBO) an der Universität Hohenheim. „Doch der Klimawandel und die
Begrenzung natürlicher Ressourcen erschweren dies. Wenn wir einer Lösung
dieser Probleme näherkommen wollen, brauchen wir eine starke Bioökonomie,
die den Landwirt:innen global ermöglicht, ihr Einkommen und die Versorgung
mit Lebensmitteln zu sichern.“
So fördern neue Pflanzensorten, die widerstandsfähiger gegenüber Hitze,
Wassermangel oder Krankheitsbefall sind, eine nachhaltigere
Landwirtschaft. Ein verbesserter Zugang dazu verbessert die
Ernährungssicherheit und sichert das Einkommen der Landwirt:innen. Dies
ist nach Ansicht der Expert:innen besonders im globalen Süden wichtig, um
Armut und Hunger zu bekämpfen. Dabei sollten die Landwirt:innen in die
Entwicklung nachhaltiger Lösungen einbezogen werden.
5. Natur-inspirierte Lösungen nutzen
Bioökonomische Ansätze orientieren sich an natürlichen Prozessen. Dazu
gehören unter anderem die Verbesserung des Klimas in Städten durch grüne
Oasen, biologischer Pflanzenschutz in der Landwirtschaft oder regenerative
Landwirtschaftstechniken, die die Fruchtbarkeit von Böden erhalten oder
sogar fördern.
„Diese Ansätze bieten meist kostengünstige, ökologisch förderliche, sozial
gewünschte und effektive Möglichkeiten und tragen oft zur Biodiversität
bei“, so Prof. Dr. Lang. „Die Erforschung solcher natur-inspirierter
Lösungen sowie deren Umsetzung gilt es zu intensivieren.“
6. Kreislaufwirtschaft umsetzen
„Wenn wir Klima und Umwelt nicht länger schädigen wollen, müssen wir eine
zirkuläre Wirtschaftsweise erreichen“, betont Dr. Markus Wolperdinger,
Leiter des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik
IGB. „Nach dem Vorbild der Natur sollten Abfälle gar nicht erst entstehen
und alle Stoffströme geschlossen werden.“
„Die Bioökonomie fördert eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, indem
biogene und auch nicht biogene Abfälle und Reststoffe in hochwertige
Materialien, wie beispielsweise Bioplastik, Chemikalien oder Düngemittel
umwandelt werden. Aus einer linearen wird damit eine zirkuläre und
nachhaltige Wirtschaft“, erklärt der Experte.
7. Regionale Bioökonomie-Initiativen und internationale Kooperationen
fördern
Auch die Bioökonomie erfordert globales Denken und lokales Handeln.
Erfolgreiche regionale Ansätze in Europa können als Vorbild für andere
Regionen dienen. Hierfür, fordert die Initiative, müssten partizipative
Initiativen und deren Vernetzung gefördert werden. So könnten
bioökonomische Lösungen vor Ort gestärkt und in der Gesellschaft verankert
werden.
8. Langfristig eine nachhaltige Zukunft vorbereiten
Eine nachhaltige Bioökonomie braucht Expert:innen, die die notwendigen
Technologien beherrschen und den Wandel zu nachhaltigem Wirtschaften
gestalten können. „Um die bioökonomische Transformation in Deutschland und
Europa erfolgreich umzusetzen, ist es entscheidend, Bildung deutlicher zu
priorisieren. Dabei müssen sowohl relevante naturwissenschaftliche als
auch wirtschaftliche Kenntnisse vermittelt werden“, so Johann Liebeton,
Bioeconomy Youth Champion.
„Deshalb sollten wir jetzt dringend die Ausbildung und Weiterbildung von
Expert:innen priorisieren, die die bioökonomische Transformation umsetzen
können. Bildung muss dabei schon in der Schule beginnen und sich über
Hochschulen, Business Schools bis hin zu Initiativen für lebenslanges
Lernen und Weiterbildung erstrecken. Nur so können wir den Übergang zu
einer nachhaltigen Wirtschaft erfolgreich gestalten.“
Gemeinsam für eine nachhaltige Zukunft und bessere Rahmenbedingungen
„Der Think Tank Zukunftsorientierte Bioökonomie begrüßt ausdrücklich, dass
auch andere Organisationen wie BIO Deutschland mit ihrem Papier 'Mit
Biologie wirtschaften', CLIB - Cluster Industrielle Biotechnologie e.V.
oder die Bundesagentur für Sprunginnovationen weitere Positionspapiere zur
Bioökonomie veröffentlicht haben oder planen", so Johann Liebeton. „Diese
Beiträge unterstreichen den Konsens des deutschen Bioökonomiesektors dazu,
dass es höchste Zeit ist, endlich die Weichen für ein nachhaltigeres und
bioökonomisches Wirtschaften in Deutschland und Europa zu stellen."
Zu den Pressemitteilungen der Universität Hohenheim
https://www.uni-hohenheim.de/p