Umdenken bei der Regulierung von Zoopopulationen

Was passiert mit überzähligen Tieren in Zoos? Bislang wurde meist die
Fortpflanzung der Tiere kontrolliert. Nun plädieren Forschende für ein
Umdenken:
Durch fachgerecht durchgeführte Tötungen können Zoos ihre
fortpflanzungsfähigen Populationen erhalten, das Bewusstsein für die
Herausforderungen des Artenschutzes schärfen – und Tierwohl sowie
Klimabilanz verbessern.
Im Gegensatz zu Tieren in der Wildnis stehen Tiere im Zoo weniger stark
unter Druck. Sie haben ausreichend Nahrung zur Verfügung und werden nicht
von Fressfeinden gejagt. Daher leben Tiere in Zoos meist viel länger als
in der Wildnis. Dies stellt Zoos wiederum vor die Herausforderung, die
begrenzten Aufnahmekapazitäten optimal zu managen.
Aus logistischen und finanziellen Gründen beschränken viele Zoos die
Nachzucht ihrer Tiere. Andere Zoos gehen einen anderen Weg und töten
überzählige Tiere – und riskieren damit öffentliche Reaktionen: So löste
die Verfütterung von Marius, einer gesunden, zweijährigen Giraffe, vor
zehn Jahren eine internationale Debatte darüber aus, was Zoos mit ihren
überzähligen Tieren tun sollen.
Zoopopulationen werden immer älter
In einer Stellungnahme unter der Leitung der Universität Zürich
argumentieren Forschende nun, dass die weit verbreiteten
Verhütungspraktiken das Altersprofil von Zoopopulationen verändern – und
zwar nicht zum Besseren. «Fortpflanzung ist ein Grundbedürfnis von Tieren.
Ohne Reproduktion wird ihnen einer ihrer wichtigsten evolutionären
Antriebe genommen», sagt Marcus Clauss vom Universitären Tierspital der
UZH und Erstautor der Studie. «Mit der Zeit werden die Zoopopulationen
immer älter, was eines der Grundprinzipien von Zoos gefährdet: die
Erhaltung der eigenen Populationen.»
Überzählige Tiere können oft nicht anderweitig untergebracht werden, da
der Platz in Zoos begrenzt ist und eine Auswilderung von Tieren spezielle
Programme und einen geeigneten Lebensraum erfordert. Daher plädieren die
Forschenden für eine geplante und fachgerechte Tötung überzähliger
Zootiere. «Wir halten dies für ein rationales und verantwortungsvolles
Populationsmanagement. Zudem kann dieser Ansatz den Zoos dabei helfen,
ihren Bildungsauftrag zu erfüllen», so Clauss.
Natürlicher Lebenszyklus der Tiere als Bildungsauftrag
Jedes Jahr besuchen mehr als 700 Millionen Menschen zoologische
Einrichtungen auf der ganzen Welt. «Zoos können dazu beitragen, das
öffentliche Verständnis für den natürlichen Lebenszyklus von Tieren zu
fördern. Indem sie den Tod von Tieren an den Rand drängen, halten Zoos
jedoch unrealistische Erwartungen an das Leben in der Wildnis aufrecht»,
erklärt Mitautor Andrew Abraham von der Universität Aarhus.
Zoos haben aber auch die Pflicht, die Tierpopulation zu erhalten. Sie
leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz. «Schon heute sind
viele Tierarten vom Aussterben bedroht, und in den kommenden Jahrzehnten
werden zahlreiche weitere Tierarten dazukommen. Es ist daher entscheidend,
dass die Zoos fortpflanzungsfähige Populationen und das Wissen über die
Aufzucht von Jungtieren erhalten. Was wir nicht brauchen, ist eine
Sammlung geriatrischer Tiere – und Tierärzt:innen, die sich mit
Palliativpflege beschäftigen», fügt Abraham hinzu.
Eigene Fleischversorgung verbessert Klimabilanz
Soll es mehr Geburten in den Zoos geben, müssen überzählige Tiere getötet
werden dürfen. Ein Zoo in Deutschland ist so in der Lage, seine Raubtiere
mit bis zu 30 Prozent des Fleisches von Tieren aus der eigenen Einrichtung
zu füttern und seine Kohlenstoffemissionen und den Bedarf an kommerziell
geschlachtetem Vieh zu reduzieren.
Auch wenn die Tötung von Säugetieren wie etwa der Giraffe Marius oft
Kontroversen auslöst, gibt es Hinweise darauf, dass die öffentliche
Meinung ausgewogener ist, als in den Medien dargestellt. «Zoos haben die
Verantwortung, ihre Gäste über die Realitäten von Leben und Tod in der
Tierhaltung aufzuklären», sagt Clauss. «Eine transparente Kommunikation
kann dazu beitragen, die öffentliche Wahrnehmung zu verändern und die
Akzeptanz von langfristigen, nachhaltigen Ansätzen zu erhöhen.»
Literatur
M. Clauss, M. Roller, M.F. Bertelsen, C. Rudolf von Rohr, D.W.H. Müller,
C. Schiffmann, M. Kummrow, D. Encke, S. Ferreira, E.S. Duvall, C. Maré,
A.J. Abraham. Zoos must embrace animal death for education and
conservation. Proceedings of the National Academy of Sciences of the
United States of America. 30 December 2024. DOI:
https://doi.org/10.1073/pnas.2