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Mit CRISPR gegen Muskelschwund

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Mithilfe der Genschere CRISPR will ein Team um Simone Spuler vom
Experimental and Clinical Research Center in Berlin eine gezielte Therapie
für Muskeldystrophie entwickeln.

Ihre präklinischen Ergebnisse stellen sie
nun in „Nature Communications“ vor. Sie ebnen den Weg für erste Studien am
Menschen.

Wissenschaftler*innen des Experimental and Clinical Research Center
(ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung des Max Delbrück Center und der
Charité – Universitätsmedizin Berlin, haben einen vielversprechenden
Ansatz zur Geneditierung bei Patientinnen und Patienten mit Muskelschwund
entwickelt. Sie wollen die Funktion eines Proteins wiederherstellen, das
unerlässlich ist, um die Muskeln von Patient*innen zu reparieren und
wachsen zu lassen.

Das Protein namens Dysferlin ist vor allem für die Reparatur von
Zellmembranen verantwortlich. Menschen mit bestimmten Mutationen in dem
für Dysferlin kodierenden Gen erkranken an Muskeldystrophie – eine Gruppe
von Muskelschwundkrankheiten, die weltweit Tausende betrifft.

Professorin Simone Spuler und ihre Arbeitsgruppe „Myologie“ am ECRC haben
nun unter der Leitung von Dr. Helena Escobar Fernandez Muskelstammzellen
von zwei Patient*innen mit Gliedergürtel-Muskeldystrophie entnommen, den
genetischen Fehler korrigiert und funktionierende Dysferlin-Proteine in
einer Zellkultur produziert. Bei Mäusen verwendeten sie das gleiche
Verfahren, um Zellen zu entnehmen, zu bearbeiten und die korrigierten
Zellen wieder in Mäuse zu transplantieren. Auch in diesem Modell konnten
sie die Proteinfunktion wiederherstellen: Die Muskeln begannen zu wachsen.
Das berichten sie in „Nature Communications“.

Die präklinischen Ergebnisse ermutigen die Forschenden, mit Studien am
Menschen zu beginnen. Dabei würden sie den Patient*innen Muskelzellen
entnehmen, diese im Labor editieren und wieder in die Zielmuskeln
transplantieren. Das Team weist darauf hin, dass die angestrebte Therapie
keine vollständige Heilung verspricht – sie wäre zunächst auf ein oder
zwei Muskeln beschränkt. „Unser Körper hat über 600 Muskeln, und es ist
nicht einfach, sie alle gezielt anzusteuern“, sagt Spuler. „Wir fangen
ganz bescheiden mit ein oder zwei Muskeln an, die wir ansteuern. Aber wenn
diese Therapie funktioniert, kann sie zumindest diesen Muskel heilen.“

Eine Gesamtleistung

Seit fast 20 Jahren arbeiten Spuler und ihre Mitarbeiter*innen daran, die
Rolle von Dysferlin bei Muskeldystrophie zu verstehen und Möglichkeiten
zur Heilung dieser seltenen, aber verheerenden Erbkrankheit zu verstehen.
Bei der Gliedergürtel-Muskeldystrophie schreitet der Muskelabbau immer
weiter fort. Bereits junge Erwachsene verlieren die Fähigkeit, zu gehen
sowie ihre Arme und Hände normal zu benutzen. „Als Teenager ist man noch
sportlich und mit 40 Jahren sitzt man im Rollstuhl“, sagt Spuler. Sie
erlebt es bei Patient*innen in ihrer Hochschulambulanz am ECRC aus
nächster Nähe mit.

Escobar, Erstautorin der Studie und Molekularbiologin in Spulers
Arbeitsgruppe, arbeitet an Methoden, um Patient*innen Muskelstammzellen zu
entnehmen und die dort vorliegende Mutation mithilfe der Genedititierung
zu beheben. „Wir haben mit einer Mutation begonnen, die vergleichsweise
häufig vorkommt, damit wir so vielen Erkrankten wie möglich helfen
können“, sagt Escobar.

Klassisches CRISPR

Um die Dysferlin-Mutation zu reparieren, verwendet Escobar CRISPR-Cas9.
Für diese als „Gen-Schere“ bekannte Methode gab es im Jahr 2020 den
Nobelpreis. Die molekulare Schere wird zu einer präzise definierten Stelle
entlang des DNA-Moleküls geführt und schneidet dort. Dadurch ist die Zelle
gezwungen, ihre DNA zu reparieren. Das Ziel ist, dass die krankmachende
Mutation während dieses Reparaturprozesses korrigiert wird, sodass das Gen
wieder korrekt funktioniert. Die Forschenden testeten ihr Verfahren in
mehreren Zellmodellen, mit sehr ähnlichen Ergebnissen: Das Verfahren
funktionierte mit einer hohen Erfolgsquote und nur die unbeabsichtigten
Folgen waren minimal.

Die Genom-Editierung führte allerdings nicht ganz genau zu der gewünschten
Gensequenz – es gab vier Abweichungen im erzeugten Dysferlin-Protein.
Diese Veränderungen hat das Team in Zusammenarbeit mit Professor Oliver
Daumke, dem Leiter der Arbeitsgruppe „Strukturbiologie Membran-
assoziierter Prozesse“ am Max Delbrück Center, gründlich analysiert.
„Selbst mit diesen vier Änderungen ist das erzeugte Protein in seiner
Funktion dem Wildtyp sehr ähnlich, also der Version, die wir bei gesunden
Individuen sehen. Wir haben es entlang beschädigter Zellmembranen
nachgewiesen; der Muskel wurde dadurch regeneriert“, sagt Escobar.

Unverzichtbare Modelle und klinische Studien

In Zusammenarbeit mit Dr. Ralf Kühn, Leiter der Arbeitsgruppe „Genom-
Editierung und Krankheitsmodelle“ am Max Delbrück Center, haben die
Forschenden ein neues Mausmodell für die Erkrankung entwickelt. Es ahmt
die spezifische Dysferlin-Mutation und die daraus resultierende Krankheit
genau nach und ermöglicht es, die Funktionsweise der Therapie zu bewerten:
Muskelstammzellen entnehmen, sie korrigieren und die Zellen zurück zu
transplantieren. Sie wollten insbesondere herausfinden, ob das Immunsystem
die Zellen abstoßen oder die erzeugten Dysferlin-Proteine angreifen würde.

„Wir konnten keine Immunreaktion gegen die transplantierten Zellen oder
die erzeugten Proteine feststellen. Das ist vielversprechend, wenn wir
diese Therapie nun in einer klinischen Studie erproben“, sagt Spuler. Für
diesen nächsten Schritt wirbt das Team noch Mittel ein. Sollte die
klinische Studie erfolgreich sein, würde es dennoch etliche Jahre dauern,
bis die Therapie allgemein zugänglich ist.

Simone Spuler und Helena Escobar sind Miterfinderinnen einer aktuell
laufenden Patentanmeldung zur Genom-Editierung menschlicher
Muskelstammzellen. Spuler ist Mitbegründerin der MyoPax GmbH und der
MyoPax Denmark ApS. Die Studie wurde von der Stiftung Gisela Krebs
finanziert.

Max Delbrück Center

Das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-
Gemeinschaft (Max Delbrück Center) gehört zu den international führenden
biomedizinischen Forschungszentren. Nobelpreisträger Max Delbrück, geboren
in Berlin, war ein Begründer der Molekularbiologie. An den Standorten in
Berlin-Buch und Mitte analysieren Forscher*innen aus rund 70 Ländern das
System Mensch – die Grundlagen des Lebens von seinen kleinsten Bausteinen
bis zu organ-übergreifenden Mechanismen. Wenn man versteht, was das
dynamische Gleichgewicht in der Zelle, einem Organ oder im ganzen Körper
steuert oder stört, kann man Krankheiten vorbeugen, sie früh
diagnostizieren und mit passgenauen Therapien stoppen. Die Erkenntnisse
der Grundlagenforschung sollen rasch Patient*innen zugutekommen. Das Max
Delbrück Center fördert daher Ausgründungen und kooperiert in Netzwerken.
Besonders eng sind die Partnerschaften mit der Charité –
Universitätsmedizin Berlin im gemeinsamen Experimental and Clinical
Research Center (ECRC) und dem Berlin Institute of Health (BIH) in der
Charité sowie dem Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK).
Am Max Delbrück Center arbeiten 1800 Menschen. Finanziert wird das 1992
gegründete Max Delbrück Center zu 90 Prozent vom Bund und zu 10 Prozent
vom Land Berlin.

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