Bedeutendes Beethoven-Manuskript kommt nach Bonn
Beethoven-Haus erwirbt das einzige Originalmanuskript des 4. Satzes von
Beethovens Streichquartett opus 130. Öffentliche und private Förderer
ermöglichten die wertvolle Neuerwerbung.
Das eigenhändige Manuskript eines kompletten Satzes aus Beethovens 1825
komponiertem Streichquartett B-Dur opus 130 hat 200 Jahre nach seiner
Niederschrift den Weg nach Bonn gefunden. Im Rahmen eines Festaktes in
Anwesenheit u. a. von Ina Brandes MdL, Ministerin für Kultur und
Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, und Markus Hilgert,
Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder, wird es am Dienstag
offiziell im Beethoven-Haus entgegengenommen. Die Festrede hält der
Komponist Jörg Widmann. Im Beethoven-Haus vervollständigt das Manuskript
die weltberühmte Sammlung, die über den international größten und
vielseitigsten Bestand an Beethoveniana verfügt. „Wir sind sehr glücklich,
dass wir die letzte bekannte große Beethoven-Handschrift, die sich noch in
Privatbesitz befand, für unsere Sammlung erwerben konnten“, freut sich der
Violinist, Autor und Produzent Daniel Hope, Präsident der Bonner
Kultureinrichtung. „Das Manuskript gehört nicht nur zu Beethovens
berühmtesten Streichquartett. Es ist auch die einzige handschriftliche
Quelle Beethovens zu dem Satz, die leider jahrzehntelang unter Verschluss
war. Wie großartig, dass ich sie heute entgegennehmen und dass sie der
Musikwelt wieder zugänglich gemacht werden kann.“
Der Ankauf wurde durch eine konzertierte Aktion von öffentlichen und
privaten Unterstützern ermöglicht. Beteiligt waren neben der
Kulturstiftung der Länder das Land Nordrhein-Westfalen, die NRW-Stiftung,
die Kunststiftung NRW, die Berthold Leibinger-Stiftung sowie engagierte
private Spender und die Stiftung Beethoven-Haus.
Das Autograph des 4. Satzes Alla Danza tedesca (Tanz nach deutscher Art)
aus Beethovens spätem Streichquartett in B-Dur opus 130 ergänzt in idealer
Weise die vorhandenen Sammlungsbestände. Dazu gehören mehrere
Musikmanuskripte, die sich wie die jüngste Erwerbung einst im Besitz des
Wiener Rechtsanwalts und Sammlers Heinrich Steger befanden und nun in Bonn
wieder komplett vereint werden. Zudem bewahrt und erforscht das Beethoven-
Haus wesentliche Quellen speziell zu den späten Streichquartetten und zu
Beethovens Spätwerk im Allgemeinen. Für die Schaffensprozess-Forschung
ergeben sich insofern ganz neue Ansätze.
Der Weg, den die Handschrift zurücklegte, bis sie ins Beethoven-Haus fand,
liest sich wie ein Kriminalroman und zeugt von einer wechselvollen
Enteignungs- und Restitutions-Geschichte: Die Handschrift befand sich wohl
seit den 1920er Jahren in Händen der Familie Petschek in Aussig
(Tschechien). Die Petscheks wurden als Juden von den Nazis verfolgt und
verließen 1938 ihre Heimat. Ihr Mobiliar, ihre Wertgegenstände und ihre
Kunstsammlung wurden von den NS-Behörden beschlagnahmt. Als sich 1942 die
deutschen Behörden mit der Verwertung der Kunstsammlung befassten, gelang
es dem als Gutachter herangezogenen Leiter der Musiksammlung des
Mährischen Museums in Brünn, die Handschrift für das Museum zu sichern.
Nach dem Krieg suchte die Familie Petschek nach der Handschrift – zunächst
ohne Erfolg. Als sie endlich gefunden war, verweigerte die kommunistische
Regierung der damaligen Tschechoslowakei die Herausgabe des Autographs.
2022 erfolgte die Restitution an die Nachkommen Petscheks, die sich Ende
2024 bereit erklärten, die Handschrift an das Beethoven-Haus zu verkaufen
und wieder dauerhaft der Öffentlichkeit und Forschung zugänglich zu
machen.
Die Handschrift wird nun unter konservatorisch optimalen Bedingungen im
Beethoven-Haus aufbewahrt und soll, wie die anderen Bestände des Hauses,
ins Digitale Archiv eingebunden werden. So wird sie wissenschaftlich
erschlossen und online öffentlich für jedermann weltweit zugänglich sein.
Von Juni bis August 2025 ist sie Thema einer Sonderausstellung und am 17.
Dezember 2025 Gegenstand des traditionellen Tauftagskonzertes im
Beethoven-Haus.
Stimmen zum Ankauf:
Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder:
„Es erfüllt mich mit großer Freude, dass dieses einzigartige
Originalmanuskript von Beethoven, ein bedeutendes Kulturerbe der
Menschheit, nun im Beethoven-Haus, dem weltweit führenden Beethoven-
Zentrum, bewahrt, erforscht und der Öffentlichkeit und der Forschung
zugänglich gemacht wird. Die Kulturstiftung der Länder hat die Erwerbung
mit großer Überzeugung unterstützt.“
Ina Brandes MdL, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes
Nordrhein-Westfalen:
„Die Nationalsozialisten haben großes Leid über die Familie Petschek
gebracht. Im Zuge der Arisierung wurde die jüdische Familie aus ihrer
Heimat vertrieben und enteignet – auch die Beethoven-Handschrift ging
verloren. Umso mehr rührt es mich an, dass die Nachfahren die
Musikhandschrift persönlich wieder nach Deutschland gebracht haben. Das
Beethoven-Haus wird diesen Schatz in Ehren halten. Es ist unsere
Verantwortung, die Musikhandschrift der Öffentlichkeit zu zeigen und
Forscherinnen und Forschern auf der ganzen Welt zugänglich zu machen.“
Malte Boecker, Direktor Beethoven-Haus:
„Für das Beethoven-Haus ist dies die musikwissenschaftlich und
gesellschaftspolitisch bedeutendste Erwerbung des vergangenen Jahrzehnts.
Wir haben anderthalb Jahre gebraucht, um die Finanzierungs-Allianz zu
schmieden. Ich danke allen privaten und öffentlichen Unterstützern, die
diesen Höhepunkt in unserer Arbeit ermöglicht haben.“
Dr. Julia Ronge, Kustodin Beethoven-Haus:
„Dieses autographe Werkmanuskript ist ein einzigartiges Dokument mit
bleibender öffentlicher Beachtung sowohl für Beethovens Spätwerk als auch
für Deutschlands jüngere Geschichte. Ich bin dankbar, dass die Petschek-
Nachfahren sich trotz ihrer Familiengeschichte dazu entschlossen haben,
diese Kostbarkeit einer deutschen Institution zu überlassen.“
Prof. Jörg Widmann, Klarinettist und Komponist:
„Wie schön, dass das Beethoven-Haus das Manuskript von Beethovens Alla
danza tedesca erwerben konnte! Beethovens Streichquartett opus 130 ist für
mich ohnehin das Streichquartett aller Streichquartette. Der rhythmisch
hochkomplexe, sperrig-stachelige Alla danza tedesca-Satz hat für mich
immer eine riesige Rolle gespielt. Dieser Satz liegt meinem eigenen 8.
Streichquartett zugrunde, weshalb ich mich umso mehr freue, diesen Satz
nun gut aufgehoben im Beethoven-Haus Bonn zu wissen.“
Die Kulturstiftung der Länder entwickelt, fördert und begleitet im Auftrag
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und Kultur, die für ganz Deutschland bedeutsam sind und im Verbund
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die gesellschaftliche Bedeutung von Kultur in den Vordergrund. Dabei
versteht sie unter Kultur die Gesamtheit der kulturellen Ausdrucksformen –
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ihrer Umwelt hervorbringen, um Ideen und Werte auszudrücken und ihren
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