Interview: Mit Wearables die Gesundheit immer im Blick
Wearables wie Smartwatches oder Sensorringe sind bereits fester
Bestandteil unseres Alltags und beliebte Geschenke zu Weihnachten.
Sie
tracken unseren Puls, unsere Schrittzahl oder auch unseren Schlafrhythmus.
Auf welche Weise können sie schon heute unser Verhalten beeinflussen und
welche zukünftigen Entwicklungen sind möglich? Im Interview gibt Can
Dincer, Professor für Sensors and Wearables for Healthcare an der
Technischen Universität München (TUM), Einblicke in seine Forschung.
Was versteht man unter Wearables?
Unter Wearables fällt zunächst alles, was man am Körper tragen kann. Im
engeren Sinne gehört zu einem Wearable aber eine elektronische Komponente.
Also beispielsweise Smartwatches oder Smartringe, die mithilfe
verschiedener Sensoren unsere aktuelle Gesundheit, Fitness, Stress und
Schlafqualität überwachen. Die heutigen Systeme basieren dabei meistens
auf physikalischen Größen. Sie messen also Werte wie den Blutdruck, den
Sauerstoffgehalt, die Hydratation oder wie lange und wie gut wir
geschlafen haben. Für unsere Forschung sind aber insbesondere auch
chemische und biologische Signale von Bedeutung. Wir versuchen dabei
Biomarker wie Hormone oder Proteine, Medikamente wie beispielsweise
Antibiotika, sowie Krankheitserreger wie Viren oder Bakterien, die
üblicherweise im Blut bestimmt werden, in anderen Bioflüssigkeiten
nachzuweisen.
Wie beeinflussen Wearables die Art und Weise, wie Menschen ihre eigene
Gesundheit wahrnehmen?
Wearables können uns auf jeden Fall dabei helfen, dass wir selbst besser
auf unsere Gesundheit und unseren Lebensstil achten und bestimmte
Vitalwerte und biochemische Parameter über längere Perioden überwachen.
Andererseits können sie auch dazu führen, dass wir uns wegen kleinsten
Veränderungen in den Werten unnötig Sorgen machen. Daher muss dieser
Prozess unbedingt sehr gut reguliert werden. Unsere Vision ist, dass wir
durch die Kombination von leistungsstarken Wearables und künstlicher
Intelligenz Krankheiten im Anfangsstadium erkennen können, bevor die
Patientinnen und Patienten überhaupt Symptome zeigen. Dies ist möglich,
wenn wir durch die tägliche Nutzung von Wearables die Daten der
Vergangenheit und der Gegenwart haben und dadurch bereits frühzeitig auf
veränderte Messwerte reagieren können.
Welche Rolle können Wearables zukünftig im Gesundheitswesen spielen?
Ich kann mir dabei drei möglich Szenarien vorstellen: Die erste Variante
ist, dass wir mit Beschwerden zum Arzt gehen, dieser einen Verdacht hat
und uns bittet beispielsweise ein Wearable über mehrere Tage zu tragen, um
bestimmte Parameter kontinuierlich zu überwachen. Darüber hinaus schätze
ich, dass zahlreiche Funktionalitäten bei den Wearables hinzukommen. Im
Idealfall kann so ein Gadget viele vitale und biochemische
Gesundheitsparameter messen und uns direkt nach dem Aufstehen sagen, ob
alle Werte im normalen Bereich liegen. Im dritten Fall können uns
Wearables aber auch dabei unterstützen, bei einer vorhandenen Krankheit
Medikamente in der richtigen Menge einzunehmen, da sich diese mit der
Zeit, dem Gewicht und dem Alter verändert.
In welche Richtung geht die Entwicklung von Wearables in den nächsten
Jahren?
Wir wollen erreichen, dass Wearables für biochemische Parameter – am
besten in der Kombination mit Vitalwerten – eingesetzt werden können, die
bisher nur über invasive Methoden gemessen werden können. Im Blut
Messungen durchzuführen ist bisher der Standard im Gesundheitswesen. Wir
versuchen mithilfe von Schweiß, Gewebsflüssigkeit, Atemluft oder Urin
andere Biofluide zu testen und dort mögliche Korrelationen mit den
Blutwerten zu finden. Das größte Problem dabei ist, dass Moleküle in
diesen Bioflüssigkeiten viel stärker verdünnt vorliegen als im Blut. Damit
ist es viel schwieriger hieraus bestimmte Parameter nachzuweisen.
Darüber hinaus werden bereits große Erfolge bei der Behandlung von
Diabetes erzielt. Continuous Glucose Monitoring (CGM) Systeme messen
kontinuierlich den Blutzuckerspiegel. Eine Insulinpumpe reagiert
automatisch darauf und verabreicht die notwendige Menge an Insulin. Diese
Kombination lässt sich mit Sicherheit zukünftig auch auf andere
Krankheiten übertragen.
Zur Person:
Can Dincer ist Professor für Sensors and Wearables for Healthcare an der
TUM School of Computation, Information and Technology.
Darüber hinaus forscht er am Munich Institute of Biomedical Engineering
(MIBE). Das MIBE ist ein Integrative Research Institute der TUM. Am MIBE
entwickeln und verbessern Forschende aus der Medizin, den
Naturwissenschaften und Ingenieurwissenschaften gemeinsam Verfahren zur
Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten. Die Aktivitäten
reichen dabei von der Untersuchung grundlegender wissenschaftlicher
Prinzipien bis zu deren Anwendung in medizinischen Geräten, Medikamenten
oder Computerprogrammen.