Hilft die „natürliche Pumpe“ der Bäume bei Dürre?
Die Klaus Tschira Stiftung ermöglicht Forschungsteam aus Kiel und
Braunschweig dreijähriges Projekt zur hydraulischen Umverteilung von
Wasser durch Pflanzen.
Braunschweig/Kiel/Heidelberg, 11. Dezember 2024. Vielen Menschen macht der
Klimawandel Angst. Andere verleugnen die von Menschen verursachten
Veränderungen. Wieder andere versuchen zu erforschen, wie Menschen, Tiere
und Pflanzen lernen könnten, besser damit umzugehen. Einer davon ist der
promovierte Hydrologe Matthias Beyer – Leiter der Forschergruppe
„Isodrones“ – Institut für Geoökologie der Technischen Universität
Braunschweig. Er arbeitet im Projekt zusammen mit Professor Matthias
Bücker von der Christian-Albrechts-Universitä
In einem von der Klaus Tschira Stiftung über drei Jahre geförderten
Projekt versucht das Forschungsteam, die hydraulische Umverteilung von
Wasser durch Pflanzen besser zu verstehen und die Ergebnisse dann für
Land- und Forstwirtschaft nutzbar zu machen. Hydraulische Umverteilung
bezeichnet den passiven, nächtlichen Transport von Bodenwasser durch
Pflanzenwurzeln von feuchten in trockenere Bodenschichten.
Dabei geht es um nicht weniger als die Anpassung an Dürreperioden und
Temperaturextreme, die auch im klimatisch gemäßigten Mitteleuropa immer
häufiger werden. „Die Umverteilung von Wasser im Boden, die von Pflanzen
ermöglicht wird“, sagt Beyer, „entscheidet in Agrar-, Stadt- und
Waldsystemen bei Dürreperioden über Leben und Sterben“.
Wird dieses Umverteilungssystem des Wassers verstanden und effektiv
genutzt, dann kann es unter Umständen ganze Ökosysteme widerstandsfähiger
gegen klimatische Trockenextreme machen. Dafür braucht es allerdings
deutlich mehr Verständnis darüber, wie hydraulische Umverteilung
funktioniert und welchen Einfluss diese auf Ökosysteme hat. Und das eben
nicht nur im kleinen Labormaßstab, sondern unter Realbedingungen
beispielsweise in einem ganzen Wald über eine längere Zeit hinweg.
Wasserspender für das Ökosystem
Dem Forschungsteam geht es um die Umverteilung von Wasser durch
Pflanzenwurzeln von einem Ort im Boden mit viel Wasser zu einem Ort mit
wenig Wasser. Das klassische Beispiel: im Sommer gibt es einen komplett
ausgetrockneten Oberboden, während durch die zahlreichen Niederschläge im
Frühjahr in tieferen Schichten noch Wasser vorhanden ist. Es gibt nun
bestimmte Pflanzengruppen, die so tiefe Wurzeln haben, dass sie die
Wasservorräte in der Tiefe noch erreichen.
Mittels eines hydraulischen Effekts können sie Wasser in die obere
Erdschicht befördern. Der Effekt beruht auf der sogenannten Saugspannung.
Sie ist bei trockenem Boden viel höher als in den unteren, wasserreichen
Bodenschichten. Das führt zu einem Pumpeneffekt, bei dem Wasser von unten
nach oben gezogen wird. Tagsüber kommt diese Saugspannung aus der
Atmosphäre, womit das Wasser von unten bis in die Baumkronen gezogen und
über die Blätter verdunstet wird. Nachts nimmt der Saugeffekt der
Atmosphäre ab, da die Stomata der Pflanzen geschlossen sind.
Ab einer gewissen Saugspannungsdifferenz zwischen Ober- und Unterboden
zieht der trockene Boden dann Wasser über die Wurzeln ins Erdreich. Davon
profitieren die tiefwurzelnden Pflanzen zum einen selbst, weil das von
unten nach oben gepumpte Wasser gleich am Morgen wieder für die
Photosynthese zur Verfügung steht. Gleichzeitig wird das Wasser auch für
andere, flachwurzelnde Pflanzen verfügbar, die sonst nicht an das tiefere
Wasser kommen würden.
Zwei Methoden sollen im Projekt zu Ergebnissen führen: Die eine nutzt die
Messung stabiler Wasserisotope, um den Weg der zunächst als Niederschlag
fallenden Wassermoleküle durch den Boden und zurück in die Atmosphäre
sozusagen nachzuverfolgen. Bei der zweiten Methode – nämlich
geophysikalischem Monitoring – werden im Waldboden elektrische Sensoren
installiert. Diese Sensoren sollen winzige, zeitlich variable elektrische
Signale aufzeichnen, die durch die Wasserbewegungen in Wurzeln und Boden
während der hydraulischen Umverteilung entstehen. Eine Art kleiner
„Nägel“, die in den Boden gesteckt und mit Messgeräten verbunden werden,
sollen außerdem bei sogenannten geoelektrischen Messungen räumliche und
zeitliche Variationen im Wassergehalt erfassen können.
Ein Forschungsgebiet mit viel Zukunftspotenzial
Wie kam es zu dieser Forschungsidee? Beyer selbst hatte als Hydrologe mit
Pflanzen lange nicht wirklich etwas zu tun. Erst seine Doktorarbeit in
Namibia, für die er die dortige Neubildung von Grundwasser erforschte,
lehrte ihn, dass die Wurzeltiefe von Pflanzen eine große Rolle im
Wasserhaushalt eines Bodens spielen könnte.
Was könnte am Ende des Projekts an Erkenntnissen stehen? Matthias Beyer:
„Wir wissen dann, welche Baumarten tief wurzeln und was das für die
anderen Pflanzen bedeuten könnte“. Schon heute profitieren einige
Baumarten von diesem Prozess. Bekannt ist das auch im Agroforst, wo Bäume
Obst und Gemüse Schatten spenden und Wasser zur Verfügung stellen.
Herausfinden möchte die Forschungsgruppe auch noch, welche Rolle
Pilzgeflechte im Boden spielen.
„Es ist ein breites und komplexes Forschungsfeld, dessen Bedeutung
angesichts der globalen Entwicklungen stetig zunimmt“, betont Alex Seuthe,
Förderreferent für Forschung bei der Klaus Tschira Stiftung. „Das Vorhaben
ist ein exzellentes Grundlagenforschungsprojekt mit einem klar definierten
Erkenntnisziel. Es verspricht, nicht nur die Land- und Forstwirtschaft
maßgeblich voranzubringen, sondern auch unser Verständnis der
Anpassungsfähigkeit von Ökosystemen im Klimawandel wesentlich zu
erweitern.“