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ATB in Potsdam leistet Pionierarbeit - Künstlich hergestellte Huminstoffe für die Landwirtschaft

Hydrothermal behandelte Stoffe: Der schwarze Stoff (links) wurde mit hydro-thermischer Humifizierung behandelt, während der hellere Stoff (rechts) mit hydrothermaler Karbonisierung behandelt wurde.  Lietze  ATB
Hydrothermal behandelte Stoffe: Der schwarze Stoff (links) wurde mit hydro-thermischer Humifizierung behandelt, während der hellere Stoff (rechts) mit hydrothermaler Karbonisierung behandelt wurde. Lietze ATB
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Schnell, kontrolliert und aus Reststoffen: Das Leibniz-Institut für
Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) treibt weltweit die Forschung zur
künstlichen Herstellung von Huminstoffen und deren nutzbringende
Verwendung in der Landwirtschaft voran.

Das neue Verfahren der
hydrothermalen Humifizierung ermöglicht eine vollständige Verwertung
biologischer Reststoffe.

Jeder Landwirt und jede Kleingärtnerin weiß, dass Humus gut für das
Pflanzenwachstum ist. Aber warum? Humus enthält Huminstoffe. Diese Stoffe
haben zahlreiche Vorteile für den Boden. Besonders fruchtbarer Boden
enthält etwa 3 % Huminsäuren, Torf etwa 3 - 10 %. Die Vorteile von
Huminstoffen: Sie binden Feuchtigkeit und nützliche Mineralien im Boden
und fördern ein gesundes Ökosystem für Mikroorganismen, welche Biomasse in
nährstoffreiche Biostimulanzien umwandeln, die das Pflanzenwachstum
unterstützen. Landwirte müssen weniger wässern, weniger düngen und der
Boden regeneriert sich innerhalb weniger Jahre. Huminstoffe wirken
außerdem als pH-Puffer. Stickstoff, z. B. aus Düngemitteln, verbleibt
tendenziell im Boden, wodurch das Grundwasser geschützt wird.

Huminstoffe kommen in der Natur vor und werden über viele Jahre hinweg
durch biologische Prozesse gebildet, wobei viele Treibhausgase freigesetzt
werden. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die Kompostierung. In großen
Mengen sind Huminstoffe in einem Vorläufer der Braunkohle, der
Weichbraunkohle, zu finden, welche zu etwa 85% aus Huminstoffen besteht.
Zahlreiche Firmen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf die
aufwändige Gewinnung und schonende Aufbereitung von Huminstoffen
spezialisiert, um sie z. B. für die Landwirtschaft nutzbar zu machen.
Diese Ressourcen sind jedoch endlich, Kohleabbau und -nutzung gelten als
umwelt- und klimaschädlich.

Das ATB setzt daher auf ein hydrothermales Verfahren. Und das mit
durchschlagendem Erfolg. Dr. Nader Marzban, Post-Doktorand am ATB und
Experte für Biokohle und Huminstoffe, drückt es so aus: „Was die Natur in
Jahren mit Hilfe von Mikroorganismen schafft, können wir in Minuten bis
Stunden in einem kontrollierbaren Prozess mit Hitze, Druck und Wasser
erreichen. In der Landwirtschaft, aber auch in der Landschaftspflege oder
in Privathaushalten, fallen viele organische Abfälle an. Wir konnten
nachweisen, dass sich viele davon ideal für die Humifizierung eignen. In
einem Hochdruckreaktor mischen wir die Biomasse mit Wasser in einem
ungefähren Verhältnis von 0,1 zu 0,4. Die Faserbestandteile Cellulose,
Hemicellulose und Lignin werden dann unter hohem Druck (zwischen 6 und 60
bar) und bei hoher Temperatur (zwischen 160 und 240°C) aufgeschlossen. Je
nach pH-Wert und Temperatur im Reaktor erhalten wir entweder mehr
Hydrokohle oder künstliche Huminsäure. Beides sind Feststoffe, deren Farbe
von bräunlich bis schwarz reicht“.

Die trockene Verkohlung, auch Pyrolyse genannt, wird von Köhlern schon
seit Jahrhunderten genutzt. Im Gegensatz dazu ist die hydrothermale
Umwandlung, insbesondere die hydrothermale Humifizierung, noch sehr neu.
Die Forschung und der Einsatz in der Praxis nehmen derzeit Fahrt auf,
viele Parameter sind jedoch noch unklar. „Hier haben wir am ATB in den
letzten Jahren Pionierarbeit geleistet! Nur eine Handvoll
Forschungsinstitute weltweit hat sich mit dieser Art der
Huminstoffproduktion eingehend beschäftigt“, sagt Dr. Marzban.

Ende 2023 verteidigte Marzban seine Dissertation „Von der hydrothermalen
Karbonisierung zur hydrothermalen Humifizierung von Biomasse: Die Rolle
der Prozessbedingungen“ mit Auszeichnung (suma cum laude). Kurz darauf
veröffentlichten er und seine Kollegen aus Deutschland und dem Iran zwei
Arbeiten im international renommierten „Biofuel Research Journal“.

„Inhaltlich stellen wir – das sind Kolleginnen und Kollegen von einigen
ausgewählten Forschungsinstituten aus der ganzen Welt – uns folgende
Fragen: Welche Biomasse-Ausgangsmaterialien lassen sich künstlich
humifizieren? Welche Prozessparameter haben den größten Einfluss auf die
Produktion von Huminstoffen? Wie können wir die Eigenschaften unserer
Produkte beeinflussen? Neben den Auswirkungen auf die Landwirtschaft
stellen wir natürlich auch die Frage nach den Auswirkungen auf die Umwelt.
Wie viel Kohlenstoff können wir dauerhaft im Boden speichern, wenn wir
Huminstoffe hinzufügen? Und schließlich, welchen Erfolg können wir
erzielen? Eine neue Art von Mikrodünger auf Huminstoffbasis ist einer
unserer Ansatzpunkte. Die ersten Ergebnisse zeigten, dass die Zugabe von
nur 0,01 % unserer Humifizierungsprodukte in den Boden den Keimungsindex
deutlich erhöhen und die Pflanzen bei der Aufnahme von mehr Nährstoffen,
z. B. Phosphor, unterstützen kann.

Besonders anschaulich ist auch ein Projekt im historischen Park Sanssouci
in Potsdam, das vom brandenburgischen Wissenschaftsministerium (MWFK)
gefördert wurde. Die alten Bäume dort haben mit jahrelanger Trockenheit zu
kämpfen, verlieren an Vitalität und werden anfällig für Krankheiten. Die
Parkbetreiber unternehmen große Anstrengungen, um die Bäume zu erhalten.
In einem gemeinsamen Projekt mit dem Max-Planck-Institut für Kolloid- und
Grenzflächenforschung, Professor Markus Antonietti, und der Stiftung
Preußische Schlösser und Gärten haben wir dort versucht, eine 150 - 160
Jahre alte Buche zu retten. Dazu stellten wir künstliche Huminstoffe her
und brachten sie in den Boden rund um den Baum ein. Die erste Behandlung
erfolgte im Jahr 2022, und die vorläufigen Ergebnisse sind beeindruckend!
Der Buche geht es im Vergleich zu unbehandelten Bäumen sehr gut. Natürlich
führen wir parallel Versuche an rund 100 kleinen Bäumen durch, um die
Ergebnisse zu überprüfen“, sagt Dr. Marzban.

Er arbeitet derzeit an mehreren Projektanträgen, um die Forschung weiter
voranzutreiben und das große Potenzial dieser Technologie zu nutzen: „Die
hydrothermale Humifizierung kann auch andere Prozesse erleichtern. Am ATB
nutzen wir zum Beispiel Biokonversionsverfahren, um mit Hilfe von
Mikroorganismen hochwertige Milch- und Bernsteinsäure oder den
Energieträger Biogas zu erzeugen. Die Humifizierung ermöglicht es uns,
Reststoffe vollständig zu verwerten. Bei der Biogaserzeugung sind z.B.
Kohlenhydrate schwer abbaubar und Lignin hemmt den Prozess. Unter
Zuhilfenahme von künstlicher Humifizierung können wir bis zu 37 % der
Trockensubstanz von Biogasgärresten humifizieren. Dabei entstehen
Nebenprodukte wie lösliche organische Verbindungen in der
Prozessflüssigkeit. Wenn wir diese bei der Biogaserzeugung wieder dem
anaeroben Prozess zuführen, können wir die Methanausbeute verdoppeln.
Außerdem entsteht ein humusreicher Gärrest, der als Langzeit-Biodünger
chemische Düngemittel ersetzen kann.“

Für Dr. Marzban liegt die Zukunftstauglichkeit dieses Verfahrens auf der
Hand. „Wir schließen Kreisläufe und ersetzen fossile Ressourcen im Sinne
einer nachhaltigen und zirkulären Bioökonomie. Wenn wir sicherstellen,
dass unsere Huminsäuren den natürlichen Vorkommen in Qualität und Nutzen
in nichts nachstehen – und das können wir nachweisen –, haben wir ein
schnelles, kontrollierbares Verfahren, das nachwachsende Rohstoffe nutzt
und eine kaskadische, also mehrstufige Nutzung dieser Biomasse ermöglicht.
Ich denke, dass die hydrothermale Humifizierung durch das integrierte
Reststoffmanagement und die nachhaltige Umgestaltung der Landwirtschaft
einen wichtigen Beitrag zur Bioökonomie leisten wird. Durch die
Integration der hydrothermalen Humifizierung in Bioraffinerien können
feste und flüssige Rückstände in Huminstoffe umgewandelt werden, was die
Bemühungen um eine abfallfreie Produktion vorantreibt und den Kohlenstoff
im Boden bindet“, fasst Dr. Marzban zusammen.