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Gemeinsam für bessere Versorgung: Herausforderungen und Chancen bei der Integration von Angehörigen

Gemeinsam für bessere Versorgung: Herausforderungen und Chancen bei der Integration von Angehörigen  © Niklas Günther/TransMIT GmbH über Canva.com
Gemeinsam für bessere Versorgung: Herausforderungen und Chancen bei der Integration von Angehörigen © Niklas Günther/TransMIT GmbH über Canva.com
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Neue Gießener Studie geht der Frage nach, wie gut Angehörige in die
Versorgung von Kranken und Pflegebedürftigen einbezogen werden.

Wie in
anderen sozialmedizinischen Versorgungsfeldern, bestehen bis heute
Wissenslücken zur Bedeutung der Einbindung von Betroffenen und eine
unzureichende Berichterstattung über die erreichten Ergebnisqualitäten.
Dies betrifft auch die Zusammenarbeit zwischen den Helfern und den
Angehörigen in die Pflege und Gesundheitsversorgung. Eine 2024
durchgeführte Gießener TransMIT-Studie will hier Orientierung geben.

Die herausragende Bedeutung der Angehörigen für den Heilungs- und
Rehabilitationsprozess ist ebenso bewiesen wie deren überlebensnotwendige
Rolle in der Begleitung von alten, unterstützungs- bzw. pflegebedürftigen
Menschen. In ungezählten Studien, theoretischen und wissenschaftlichen
Begründungsmodellen und schlichtweg den eigenen Alltags- und
Lebenserfahrungen, wird dies immer wieder eindrucksvoll belegt. Angehörige
ermöglichen nicht nur den größten nichtprofessionellen Pflegedienst,
sondern können auch als wichtigste Begleiter anlässlich eines
Krankenhausaufenthaltes identifiziert werden. Man denke nur an die
Bedeutung der Eltern in der Pädiatrie. Grund genug der Frage nachzugehen,
wie es in der Praxis um die Integration von Angehörigen steht?

Auf einer zu diesem Zweck entwickelten Webseite
(www.angehoerigenintegration.de) konnte ein Onlinefragebogen sowohl von
verschiedenen professionellen Helfergruppen als auch von betroffenen
Angehörigen bearbeitet werden. Dieser umfasste Fragen zur Art der
Versorgungssituation sowie 20 inhaltliche Fragen zur Praxis der
Einbeziehung von Angehörigen in das Versorgungsgeschehen. Folgende Aspekte
wurden dabei behandelt: Information und Kommunikation, praktische
Anleitungen und Schulungsangebote, Einbindung in Entscheidungsfindungen
wie z. B. Verlegungen, Konfliktverhalten, Verweis auf andere
Behandlungspartner, rechtliche Rückbindungen. Auch wurden zwei offene
Fragen zu weitergehenden Erfahrungen formuliert. Die Bewertung erfolgte
nach dem Schulnotenprinzip von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend).
Angesprochen wurden Mitarbeiter und Angehörige, die Erfahrungen im
Krankenhaus, in Pflegeeinrichtungen bzw. mit den ambulanten Versorgern
besitzen.

Als erstes überrascht die deutliche Differenz zwischen der Einschätzung
von Helfern und Angehörigen, die bei durchschnittlich um mehr als eine
Note liegt. In einer Gesamtbewertung schätzen die Helfer die Qualität der
Zusammenarbeit auf 2,4 die Angehörigen auf 3,6. Weit auseinander liegen
auch die Einschätzungen zur Beachtung der rechtlichen Verpflichtungen, wie
sie sich etwa aus Patientenverfügungen ergeben (Helfer 1,9/Angehörige
3,0), Verweis auf andere Versorgungspartner (Helfer 2,4/Angehörige 4,0)
oder auch das Angebot von Schulungen (Helfer 3,7/Angehörige 4,7) oder
praxisnahe Anleitungen vor Ort (Helfer 2,9/Angehörige 4,4). Im Unterschied
zwischen den Versorgungssektoren sind es die ambulanten Dienstleister, bei
denen die Zusammenarbeit mit den Angehörigen am besten gelingt, gefolgt
von den Krankenhäusern und knapp hinter diesen die Pflegeeinrichtungen.
Dies überrascht nicht, sind hier doch die Abstimmungsprozesse im
ambulanten Sektor zwischen den Betroffenen am größten und der Vorteil
gelungener Angehörigenintegration auch für die Helfer entlastend.

Gering hingegen war der ermittelte Unterschied zwischen den verschiedenen
Einrichtungsträgerschaften, wobei die frei-gemeinnützigen tendenziell über
die besseren Ergebnisqualitäten verfügen. In den Antworten der offenen
Fragen bei Pflegekräften und Ärzten wird deutlich, wie sehr die Zukunft
der Zusammenarbeit mit den Betroffenen durch Unsicherheiten geprägt ist
„selbst mühevoll Erarbeitetes besitzt keinen Bestandsschutz“. Dies könnte
den Befund erklären, warum es zwischenzeitlich ein offensichtliches
„Schulungsdefizit“ gibt.

Zusammengefasst wird deutlich, dass viel Luft nach oben besteht bzw. dass
das Gesundheitswesen für die sich bereits gegenwärtig einstellenden
Auswirkungen (demographischer Wandel, zu wenige Pflegende und andere
Gesundheitsberufe, Rückgang der finanziellen Titel etc.), in denen die
systematische Zusammenarbeit mit den Angehörigen zwingend notwendig ist,
nur sehr unzureichend vorbereitet sind.

Aufgrund der erreichten Stichprobengröße (Angehörige n=130 Helfer n=146)
ergeben sich Einschränkungen hinsichtlich der allgemeinen Übertragbarkeit
der Ergebnisse. Das Verfahren ist als kontinuierliches Monitoring
vorgesehen, d. h. der Fragebogen ist beständig für die Helfer und
Angehörige zugänglich, so dass zukünftig auch spezifische
Versorgungssituationen erfasst werden können.

Weitere Informationen im aktuell erschienenen Beitrag: George, W.:
Angehörigenintegration im Krankenhaus: Stand der Dinge und Ausblick, in:
„das Krankenhaus, Heft 12/2024, Kohlhammer-Verlag

Zum Autor
Wolfgang George (Prof. Dr. phil) ist Diplompsychologe und Krankenpfleger
und lehrt seit 2008 an der Technischen Hochschule Mittelhessen und leitet
den TransMIT-Projektbereich für Versorgungsforschung. 2003 erschien das
Buch „Angehörigenintegration in der Pflege“ In diesem wird u. a. der
Begriff Angehörigenintegration in den deutschsprachigen Raum eingeführt.
2005 erschien das Buch „Evidenzbasierte Angehörigenintegration“, in
welchem das wissenschaftliche Prinzip der Evidenzbasierung und mit dieser
begründeten Angehörigenintegration vorgestellt wird. 2006 wurde das nach
Methoden der Medizinischen Psychologie erstellte Assessment
Multidimensionales Inventar für Angehörige (MIA) vorgestellt. Als
Angehöriger zwischen Patienten und Gesetz erschien 2007 als Ratgeber für
Helfer und Betroffene im Spitta-Verlag. In einem durch den GBA-Innofond
2019-2021 geförderten TransMIT-Projekt zur Reduktion der Verlegung
Sterbender, standen erneut insbesondere die Angehörigen im Mittelpunkt.

Weitere Informationen zum TransMIT-Projektbereich für Versorgungsforschung
und Beratung unter:
https://www.transmit.de/geschaeftsbereiche/zentren/details/?z_id=144