Auf den Spuren des Megaerdbebens von 2011

Was war die Ursache des großen Tōhoku-Erdbebens von 2011, und wie können
wir geologische Prozesse besser verstehen, um langfristig
Küsteninfrastruktur zu schützen – zum Beispiel vor einem Tsunami wie vor
13 Jahren?
Diese Fragen stehen aktuell im Fokus einer wissenschaftlichen
Expedition im Rahmen des Internationalen Bohrprogramms IODP (International
Ocean Discovery Program), an der auch Forschende aus dem MARUM – Zentrum
für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen beteiligt sind.
Seit Anfang September und noch bis 20. Dezember dieses Jahres ist ein Team
internationaler Forschender auf dem japanischen Forschungsbohrschiff
CHIKYU unterwegs, um durch Tiefseebohrungen den Ursachen des großen
Tōhoku-Erdbebens von 2011 auf den Grund zu gehen.
Es ist die zweite Expedition in diese Region. Nur 13 Monate nach dem
großen Erdbeben, bei der Expedition IODP Expedition 343 „Japan Trench Fast
Drilling Project“ (JFAST) 2012, bohrten die Forschenden durch die
Plattengrenze. Der gewonnene Kern zeigte eine markante Veränderung an der
Plattengrenze, einer Subduktionszone, bei der die Pazifischen Platte unter
der Eurasischen Platte abtaucht. Ein installiertes Temperaturobservatorium
zeigte eine Signatur von Reibungswärme vom Erdbeben.
Das Ziel der IODP-Expedition 405 ist es jetzt, zwölf Jahre nach der ersten
IODP-Fahrt zum Japangraben, die Eigenschaften, Prozesse und Bedingungen
innerhalb der Subduktionszonen zu ermitteln – und wie sich diese seit
JFAST verändert haben. Diese fördern ein starkes Abrutschen in den Gräben
und können zur Entstehung großer Tsunamis beitragen. Während der
Expedition werden physikalische Daten aus den Bohrlöchern aufgezeichnet,
daneben werden Kerne gewonnen und an Bord der CHIKYU analysiert und
Observatorien installiert.
Die Forschenden werden in zwei Teams geteilt, die jeweils zwei Monate auf
der CHIKYU leben und arbeiten. Dabei haben die Wissenschaftler:innen eine
definierte Rolle an Bord im so genannten Core-Flow und bei den anstehenden
Untersuchungen und Analysen. Im ersten Abschnitt war vom MARUM Dr. Matt
Ikari als Teamleiter „Physikalische Eigenschaften“ mit an Bord. In dessen
Team geht es darum, Bohrkernproben geophysikalisch zu vermessen. Dazu
gehören etwa Wassergehalt, Porosität, Wärmestrom,
Schallwellengeschwindigkeit und Scherfestigkeit.
MARUM-Wissenschaftler Dr. Junli Zhang ist aktuell auf dem zweiten
Fahrtabschnitt an Bord der CHIKYU. Er gehört zum Geochemie-Team, die
Proben nehmen, geochemische Messungen durchführen, Daten analysieren und
an den Berichten mitschreiben, wie alle Forschenden an Bord.
Wie bei IODP-Expeditionen üblich, werden die Bohrkerne nach definierten
Standards analysiert und beprobt, gleiches gilt für die Daten, die dann
für alle Expeditionsteilnehmenden und später der gesamten
Wissenschaftsgemeinschaft verfügbar gemacht werden.
Darüber hinaus verfolgen die Forschenden eigene Forschungsfragen, die sie
auch anhand der gewonnenen Proben und Daten beantworten möchten. „Nach der
Expedition, in Zusammenarbeit mit anderen Expeditionsmitgliedern und
Kollegen, plane ich mehr geotechnische Labormessungen an den
Bohrkernproben. Wichtig ist, dass der Zustand des Sediments erhalten wird,
damit wir einen präzisen und realistischen Blick auf die Bewegungsprozesse
in den Störungszonen bekommen, in denen große Erdbeben entstehen“, erklärt
Matt Ikari.
Junli Zhang wird sich in seiner Forschung nach der Fahrt auf Porendruck
und Flüssigkeitsströmungsprozesse in der Subduktionszone des Japangrabens
sowie auf die Wechselwirkungen zwischen Wasser und Gestein konzentrieren.
Über seine bisherigen Erfahrungen auf der CHIKYU sagte er: „Die Expedition
verläuft reibungslos. Als ich auf das Schiff kam, setzten wir die
Bohrarbeiten fort. In den ersten Tagen wurde ich schnell eingewiesen und
erhielt eine intensive Schulung, unter anderem zum Kernfluss, zu
Probenahmeverfahren und geochemischen Messungen. Das war sehr hilfreich
und ermöglicht es mir, mich schnell in meine Aufgaben einzuarbeiten.“
Hintergrundinfo zur Expedition:
Die Expedition wird organisiert von der Japan Agency for Marine-Earth
Science and Technology (JAMSTEC). Beteiligt sind 56 Wissenschaftler:innen
aus zehn Ländern, die in zwei Expeditionsphasen an Bord der CHIKYU
arbeiten werden.
Folgende wissenschaftliche Fragen sollen durch die Expedition beantwortet
werden können:
1) die Spannungs- und Dehnungsbedingungen innerhalb und um die
Verwerfungszone herum sowie deren räumliche und zeitliche Variation,
2) die Geologie des Untergrunds, einschließlich der physikalischen
Gesteinseigenschaften, die das Gleitverhalten und die Lokalisierung der
Verwerfungen beeinflussen, sowie die geologischen Aufzeichnungen
vergangener Erdbeben und Tsunamis,
3) die Hydrogeologie der Verwerfungszone – einschließlich der
hydrogeologischen Struktur von Verwerfungen, Brüchen und durchlässigen
Zonen an der Plattengrenze und deren Einfluss auf die effektive Spannung
und die Erdbebenmechanik sowie die zeitliche Veränderung der Bedingungen.
Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die
Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik
des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von
geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen
maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der
globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige
biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und
ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl
der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten
Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen
Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die
Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse zur Meeresumwelt, und stellt im
Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit.