Bürger:innen erforschen Vergangenheit des Hanseschiffs
Citizen Science-Projekt: Spurensuche in den Akten des Archivs und
Schriftquellen der Hansestadt
Im November 2024 starteten das Archiv und der Bereich Archäologie und
Denkmalpflege der Hansestadt Lübeck sowie die Forschungsstelle für die
Geschichte der Hanse und des Ostseeraums (FGHO) eine besondere
Kooperation. Gemeinsam mit dem Citizen Science-Projekt der FGHO soll das
Anfang der 1640er Jahre gebaute Lübecker »Hanseschiff« nun auch anhand
historischer Schriftquellen der Hansestadt untersucht werden. Die FGHO,
die in das Europäische Hansemuseum – das weltweit größte Museum zur
Geschichte der Hanse – integriert ist, bringt dabei ihre Expertise in der
digitalen Erschließung historischer Dokumente ein.
»Mit dem heutigen Kick-off-Workshop im Archiv der Hansestadt wurde der
Startschuss für die Kooperation der Lübecker Einrichtungen und des
Freiwilligenprojekts gegeben«, so Kultursenatorin Monika Frank.
»Die
Synergien und die Gemeinschaft für solch spannendes und die Lübecker
Bevölkerung so stark interessierendes Vorhaben zu nutzen, ist eine
großartige Win-Win-Situation.«
Im Rahmen des Workshops erhielten die Beteiligten wichtige Einblicke in
den aktuellen Forschungsstand zum Lübecker Schiffsfund und in die
gesuchten Informationen. Auch gab es eine fachkundige Einführung in die
Lübecker Seegerichtsakten und eine erste Diskussion zu den Handschriften
und der gemeinsamen Arbeit daran.
»Dass viele unterschiedliche Stellen an einem gemeinsamen Projekt
arbeiten, ist für alle Forschenden ein großer Schritt und macht unheimlich
viel Freude«, begeistert sich Dr. Dirk Rieger, Leiter des Bereichs
Archäologie und Denkmalpflege. »Forschung muss nicht immer nur im stillen
Kämmerlein passieren, sondern wird auch durch die öffentliche Gemeinschaft
erbracht.«
Erkenntnisse ermöglichen gezielte Suche in schriftlichen Quellen
Im Laufe des Jahres konnten zahlreiche neue Erkenntnisse zum Schiffsfund
gewonnen werden. »Wir wissen jetzt, dass das Schiff Anfang der 1640er
Jahre gebaut worden ist und kurz nach 1655/56 in der Trave sank«, so der
Unterwasserarchäologe der Hansestadt Lübeck, Dr. Felix Rösch. »Ursächlich
dafür war wahrscheinlich ein großes Feuer, dessen Spuren wir im gesamten
Laderaum gefunden haben. Damit haben wir jetzt neben dem Untergangsort
auch einen gut eingrenzbaren Zeitraum und ein Schadensereignis, nachdem
gezielt in den Quellen gesucht werden kann. Ich bin zuversichtlich, dass
wir bald noch mehr über den ersten Lübecker Schiffsfund wissen werden.«
»Heiße Spur« führt zu den Akten des Lübecker Seegerichts
Nach der spektakulären Bergung des Wracks aus der Trave im vergangenen
Jahr tritt die Forschung in eine neue Phase: Neben der archäologischen
Auseinandersetzung geht es nun um die Spurensuche in den Schriftquellen.
Eine »heiße Spur« führt dabei zu bislang wenig bekannten Akten des
Lübecker Seegerichts, die das Archiv der Hansestadt eigens für das Projekt
digitalisiert hat. »Bei unseren rund sieben Kilometer Akten gibt es immer
wieder Erstaunliches und Überraschendes zu entdecken«, berichtet
Archivleiter Dr. Dominik Kuhn. Diese Quellen werden nun den beteiligten
Bürgerwissenschaftler:innen des FGHO Citizen Science-Projektes
»Hanse.Quellen.Lesen!« online zur Verfügung gestellt: Mit vereinten
Kräften transkribieren sie die historischen Handschriften und stellen ihre
Beobachtungen den Forscher:innen aus der Archäologie zur Verfügung. Ziel
ist es, aus den umfangreichen Lübecker Beständen neue Hinweise zu
gewinnen, was genau mit dem gesunkenen Schiff passiert ist: Wie hieß es?
Wem gehörte es? Und was führte Ende der 1650er Jahre zu seinem Untergang?
Hintergrund zum Citizen Science-Projekt der FGHO:
Das Projekt »Hanse.Quellen.Lesen!« bietet Interessierten die Möglichkeit,
sich als Bürgerwissenschafler:innen an der Quellenarbeit zu beteiligen.
Hanse-Interessierte können sich so intensiv mit den Hintergründen der
erschlossenen Texte auseinandersetzen und den ehemaligen Wirtschaftsraum
der Hanse erforschen. Um die Transkriptionen gemeinsam zu besprechen,
veranstalten die Historiker:innen der FGHO alle zwei Wochen Übungsstunden
via Zoom. »Wir sind zwar eine kleine Forschungsstelle – aber im ständigen
Austausch mit unserer Community und der Bevölkerung, um die Hanseforschung
voranzubringen«, sagt FGHO-Leiterin Dr. Angela Huang.