Deutschlands Landwirtschaft im Jahr 2034
Weniger Tierhaltung, weniger Düngemitteleinsatz, weniger Getreideanbau:
Der Thünen-Modellverbund legt die neue Projektion für die erwartete
Entwicklung im Agrarsektor vor
Der deutsche Agrarsektor steht vor
großen Herausforderungen: „Die Ernährungsgewohnheiten ändern sich, die
gesellschaftlichen Erwartungen an Tierwohl und Umweltschutz steigen und
die Flächenkonkurrenz zwischen Landwirtschaft, Siedlungen,
Energieerzeugung und Naturschutz nehmen beständig zu“, sagt Marlen Haß,
Agrarökonomin am Thünen-Institut für Marktanalyse in Braunschweig. Die
Wissenschaftlerin ist Koordinatorin und eine der Autor*innen der aktuellen
„Thünen-Baseline 2024-2034“, einer alle zwei Jahre erscheinenden
Projektion zum deutschen Agrarsektor. Darin wird die erwartete Entwicklung
über die nächsten zehn Jahre dargelegt.
Die Baseline stützt sich auf Annahmen zur Entwicklung äußerer
Einflussfaktoren, zum Beispiel der Höhe des globalen Wirtschaftswachstums.
Desweiteren gehen die Expertinnen und Experten bei ihren Berechnungen
davon aus, dass bereits beschlossene Änderungen in der Agrarpolitik
umgesetzt werden und ansonsten die derzeitige Politik beibehalten wird.
Die Thünen-Baseline stellt somit keine Prognose dar, sondern beschreibt
ein Referenzszenario, mit dem sich Auswirkungen alternativer Politiken und
Entwicklungen analysieren lassen.
In der Thünen-Baseline werden Ergebnisse für Agrarhandel, Preise,
Nachfrage, Produktion, Einkommen und Umweltwirkungen dargestellt. Dafür
wurden Daten und Informationen berücksichtigt, die bis Februar 2024
vorlagen.
Die Einschätzungen konzentrieren sich hauptsächlich auf die Entwicklung
des deutschen Agrarsektors im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2020
bis 2022.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
Ackerbau:
Bis 2034 wird weniger Getreide angebaut. Zurückgeführt werden kann das auf
veränderte Preiserelationen sowie weniger landwirtschaftlich genutzte
Fläche. Dagegen wird der Anbau von Ölsaaten bis zum Jahr 2034 ausgedehnt.
Milchproduktion:
Die Preise am Milchmarkt werden sich positiv entwickeln, die Milchleistung
wird weiter gesteigert. Das zusammen führt zu einem leichten Anstieg der
Milchanlieferungen. Die Milchviehbestände werden weiter sinken.
Fleischproduktion:
Höhere Umwelt- und Tierwohlstandards lassen erwarten, dass Investitionen
im Fleischsektor zurückgehen. Insbesondere in die Schweinehaltung wird
weniger Geld fließen, was zu einem Rückgang der Tierbestände und
Fleischerzeugung führt.
Einkommen:
Das durchschnittliche reale, das heißt inflationsbereinigte, Einkommen
geht im Laufe der Projektionsperiode zurück. Da die Betriebe in den
vergangenen beiden Jahren außergewöhnlich hohe Gewinne erzielen konnten,
liegen die realen Einkommen im Jahr 2034 dennoch auf dem mittleren Niveau
der vergangenen zehn Jahre.
Agrarhandel:
Die EU kann ihren Anteil am Welthandel mit verarbeiteten Agrar- und
Ernährungsgütern weiter ausbauen. Dabei gewinnen insbesondere Nordamerika,
Afrika und die EU-Nachbarstaaten als Absatzmärkte an Bedeutung. Die
Exporte nach Asien entwickeln sich hingegen rückläufig.
Umwelt:
Die Stickstoff-Flächenbilanzübersc
Pflanzenschutzmitteln sinken bis zum Jahr 2034. Haupttreiber dieser
Entwicklung: Es fallen weniger Gärreste aus der Biogasproduktion an und
der Einsatz von Mineraldünger sinkt. Weniger Flächen werden
landwirtschaftlich genutzt, mehr Flächen sind nichtproduktiv, werden also
vorrangig für Umwelt- und Naturschutz vorgehalten.
CO2-Besteuerung
In der aktuellen Thünen-Baseline haben die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler außerdem die Auswirkungen einer europaweiten CO2-Steuer
auf die deutsche Landwirtschaft untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass
eine CO2-Steuer in der Landwirtschaft besonders starke Auswirkungen auf
die Produktion tierischer Erzeugnisse, insbesondere Rindfleisch, sowie auf
Futter- und Gärsubstrate hat. Gleichzeitig können durch einen
CO2-Steuersatz von 100 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent die
Treibhausgasemissionen der deutschen Landwirtschaft um 20 Prozent
reduziert werden.
Zusammenarbeit verschiedener Fachinstitute
Die in dieser Woche veröffentlichte Thünen-Baseline 2024-2034 ist ein
Kooperationsprojekt der Thünen-Fachinstitute für Marktanalyse,
Betriebswirtschaft und Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen. Um die
Baseline zu erstellen, nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
verschiedene Modelle, die sie in einem Modellverbund integrieren. Die
Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung mit Fachreferaten des
Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).