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Dies academicus der Hochschule Coburg: prominenter Besuch diskutiert lebhaft über Demokratie

Podiumsdiskussion zum Thema „Demokratie und Freiheit in Gefahr?!“ beim Dies academicus 2024 der Hochschule Coburg.  Dennis Mangold  Hochschule Coburg
Podiumsdiskussion zum Thema „Demokratie und Freiheit in Gefahr?!“ beim Dies academicus 2024 der Hochschule Coburg. Dennis Mangold Hochschule Coburg
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Bei der akademischen Jahrfeier der Hochschule Coburg wurden Demokratie,
Gemeinschaft und Vielfalt gefeiert – auch in diesem Jahr mit prominenten
Gästen:

Bei einer Podiumsdiskussion sprachen der Bayerische Innenminister
Joachim Herrmann und Autor Ruprecht Polenz mit Coburger Studierenden über
das Thema „Demokratie und Freiheit in Gefahr?!“

Lilo Eitel nimmt das Mikrofon und sagt „Hallo“. Sie lacht. Klingt kurz
nervös. Etwa 250 Menschen lauschen dem Podiumsgespräch beim Dies
academicus der Hochschule Coburg: Sie kommen aus Medien, Politik,
Gesellschaft und Wirtschaft, Wissenschaft und der Hochschule selbst – und
auf der Bühne bei Moderator Andreas sitzen neben den Studierenden bekannte
Persönlichkeiten: Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Innern,
für Sport und Integration, der dienstälteste Innenminister aller
Bundesländer und seit 2007 im Amt. Außerdem Autor Ruprecht Polenz, als
Politiker unter anderem selbst fast 20 Jahre lang Bundestagsmitglied und
als „Demokratie-Influencer“ mit seinem aktuellen Buch „Tu was!“ auf der
Bestsellerliste gelandet. Unter dem Motto „Demokratie und Freiheit in
Gefahr!?“ sprechen die prominenten Gäste bei der Podiumsdiskussion mit
drei Studierenden der Hochschule: Ulf Wunderlich studiert im Master
Soziale Arbeit und ist Vorsitzender der Studierendenvertretung, Isabella
Fuchs und Lilo Eitel sind im fünften Semester des Bachelorstudiengangs
Soziale Arbeit.

Was die Jungen sagen

Lilo Eitel erzählt, dass sie neben dem Studium in einer stationären
Jugendeinrichtung arbeitet. Dort hat sie die Jugendlichen gefragt, was sie
über das Thema denken, hat mit ihnen Eindrücke gesammelt. „Wenn vielleicht
eine Minute Zeit ist,“ sagt sie, schaut in die Podiumsrunde und zu den
Zuschauerinnen und Zuschauern, „ich würde das gern kurz vorlesen.“ Die
Studentin öffnet ein Notizbuch mit Kuhfellmuster. Sie liest:
„In Deutschland ist viel los. Ich fühle mich haltlos, nutzlos, schutzlos,
fassungslos, hoffnungslos, hilflos. Oft auch kraftlos. Motivationslos.
Aussichtslos. Was man sieht und mitbekommt: skrupellos, respektlos,
verantwortungslos! Ich bin verständnislos. Dabei wäre ich gerne
beschwerdelos, sorglos, bedenkenlos und ginge angstlos, grenzenlos,
anstrengungslos durch die Welt. Ich bin doch so gerne selbstlos,
wunschlos, hemmungslos! Denn Politik ist für mich kostenlos. Bedingungslos
und gewaltlos. Stopp und ab auf Los! Eine neue Runde. Denn kampflos geben
wir nicht auf!“
Eitel erzählt, dass sie das sehr berührt hat, weil es von Kindern zwischen
12 und 18 Jahren kommt. „Dass wir Jungen schon so viel mitbekommen und
mitsprechen, berührt mich. Aber es macht mich auch emotional. Und traurig,
weil die Sicherheit, die uns unsere Eltern vermittelt haben, nicht das
ist, was unsere Generation gerade empfinden kann.“ Sie selbst möchte
anderen Menschen Hoffnung geben – eine starke Motivation bei der Wahl
ihres Studiengangs. „Genau.“ Sie lächelt, gibt das Mikro weiter.
Zwischenapplaus in der Brose-Aula.

Aufgabe der Politik

Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann stellt fest, dass es aktuell
viel berechtigte Kritik an „vorhandenen Unzulänglichkeiten in unserer
Gesellschaft“ gibt. Er sehe es als Aufgabe der Politik, die Ängste der
Menschen ernstzunehmen und überzeugende Ergebnisse zu liefern. „Wir müssen
uns mit den Herausforderungen auseinandersetzen.“ Er gibt sich
optimistisch, auch kämpferisch, als er darüber spricht, wie schnelllebig
die heutige Zeit ist. „Unser aller Leben ist von starken Veränderungen
geprägt. Das bedeutet aber nicht, dass alles immer schlimmer wird.“
Technik und Naturwissenschaften haben viele wichtige Entwicklungen und
echten Fortschritt gebracht, dank der Medizin steigt beispielsweise die
Lebenserwartung der Menschen und die Realeinkommen und der Wohlstand
hätten sich über viele Jahre positiv entwickelt. Der Bayerische
Innenminister hebt auch die Bedeutung eines geeinten Europas in Zeiten
globaler Herausforderungen wie Extremismus, dem Krieg in der Ukraine und
den Entwicklungen in den USA hervor. „Wenn Organisationen und andere
Staaten das Volk bei uns aufhetzen oder Unruhe bringen, indem ein falsches
Bild unserer Gesellschaft verbreitet wird, indem bewusst auch falsche
Informationen verbreitet werden, wenn Leute meinen: Wenn da ein starker
Mann an der Spitze steht, würde es dem ganzen Land besser gehen, dann
müssen wir mit Selbstbewusstsein antreten und sagen: Nein! Dass wir heute
insgesamt in Deutschland im Vergleich zu vielen Ländern der Welt so gut
dastehen, dass wir in Frieden und Freiheit leben dürfen, dass wir einen so
hohen Lebensstandard haben, all das haben wir mit genau dieser Demokratie
erreicht.“ Wieder Applaus.

Eine riskante Regierungsform

Herrmann stimmt Coburgs Hochschulpräsident Prof. Dr. Stefan Gast zu, der
beim Dies academicus appelliert: „Demokratie ist eine voraussetzungsvolle
und damit auch immer riskante Regierungsform. Sie hat zur Bedingung, dass
die Bürgerinnen und Bürger eine wohl informierte politische Urteilsfindung
besitzen. Schauen wir also, was wir hier an unserer Hochschule, hier in
unserer Region, dafür leisten können.“
Diese Gedanken greift auch Ruprecht Polenz, Autor des Spiegel-Bestsellers
„Tu was! Eine kurze Anleitung zur Verteidigung der Demokratie“ auf. Polenz
berichtet von Umfragen, denen zufolge 20 Prozent der Deutschen glauben,
Medien würden die Bevölkerung systematisch belügen. „Warum ist das so
gefährlich?“, Polenz lässt die Frage kurz im Raum stehen, bevor er sie
beantwortet: „weil unser Weltbild, das, was wir glauben, was gerade
stattfindet, nur zu vielleicht fünf Prozent von unserer persönlichen
Erfahrung geprägt ist.“ Es ist schwer, sich zu orientieren, wenn man
glaubt, dass Tagesschau und heute journal, Zeitung und Rundfunk, dass
traditionelle Medien lügen. „Das ist wie im Nebel. Und was macht man im
Nebel? Man spitzt die Ohren, ob man irgendwo was hört und reißt die Augen
auf, ob man ein Licht sieht, damit man wieder unter Menschen kommt. Und
was hört man als Erstes? Den lautesten Schreihals. Und was sieht man als
Erstes? Den grellsten Scheinwerfer.“ Übertragen auf die politische
Orientierung bedeutet das: „Man nimmt Signale auf, die sagen: Die Welt ist
schwarz-weiß. Die Welt ist: Du die anderen. Die Welt ist: Wir gegen die.“
Diese Strategie der AfD greife die Grundlagen unserer Demokratie direkt
an, sagt Polenz. „Denn unsere Demokratie kann ohne Vertrauen durch
soziales Kapital, das wir immer wieder jeden Tag neu erwirtschaften
müssen, nicht funktionieren.“ Viele glaubten, die Demokratie sei sicher,
solange kein Panzer vor dem Reichstag oder vor der Bayerischen
Staatskanzlei steht. „Das ist aber nicht der Weg, wie heute Demokratien
kaputtgehen. Demokratien sterben heute durch Wahlen.“

Ziviles Engagement

Polenz appelliert an Zivilcourage in alltäglichen Situationen. Zum
Beispiel auf rassistische Sprüche zu reagieren. „Jeder kann und sollte
etwas tun“, betont er, „Weil Demokratie kein Zuschauersport ist.“ Man
könne das nicht an Politikerinnen und Politiker oder Parteien outsourcen.
„Unsere Demokratie lebt von der lebendigen Zivilgesellschaft und dem
gesellschaftlichen Klima.“
SV-Vorsitzender Ulf Wunderlich berichtet von zivilgesellschaftlichen,
parteiübergreifenden Demokratie-Aktionen in Coburg und einer Mischung aus
„Hoffnung und Angst“, die er empfindet. Er plädiert für mehr politischen
Anstand und dafür, jungen Menschen mehr Möglichkeiten zu geben, Demokratie
mitzugestalten und so erlebbar zu machen. „Demokratie ist keine
Selbstverständlichkeit.“
Isabella Fuchs, Studentin im Bachelor Soziale Arbeit, erklärt wie sie
Demokratie in Bezug auf ihr Fach sieht: „Ich finde, dass es auch etwas mit
sozialer Gerechtigkeit zu tun hat, dass viele Menschen sich vielleicht
auch gar nicht mehr gehört fühlen.“ Zu einer lebendigen Demokratie gehört
ihrer Auffassung nach, dass alle daran teilhaben. „Und dass wir nicht nur
übereinander reden sollten, sondern vor allem miteinander. Denn es ist
einfach, gegen etwas zu sein. Ich würde mir wünschen, dass wir öfter
zusammen sagen: Für was sind wir denn?“
Sie knüpft an das aktuelle Buch an, das Prof. Dr. Veronika Hammer von der
Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Coburg herausgegeben hat.
„Demokratie lernen. Ländliche Räume und Volkshochschulen“ (Beltz Juventa
Verlag) heißt es und basiert auf einem Kooperationsprojekt mit der
Volkshochschule Kreis Kronach. Es zeigt Beispiele dafür, was im Einzelnen
getan werden kann und wie wichtig ein Miteinander in der Gesellschaft ist.

(Natalie Schalk)

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