Studie: Depression betrifft die ganze Familie
Beziehungen können sich durch schwere Zeit vertiefen / Sorgen um Erkrankte
große Belastung für das Familienleben / Angehörige zu wenig in Behandlung
eingebunden.
45 Prozent der Bundesbürger sind von Depression
betroffen: entweder direkt aufgrund einer eigenen Erkrankung (24%) oder
indirekt als Angehöriger (26%). Wobei 5 Prozent selbst betroffen und
gleichzeitig Angehörige einer erkrankten Person sind. Die Familie ist für
viele Betroffene eine wichtige Stütze auf dem Weg durch die Erkrankung.
Rund drei Viertel der Angehörigen beschreibt die Depression jedoch auch
als große Belastung für das Familienleben. Dabei werden die Angehörigen
noch zu selten (16%) in die Behandlung einbezogen. Das zeigt das heute
veröffentlichte 8. Deutschland-Barometer Depression der Stiftung Deutsche
Depressionshilfe und Suizidprävention. Die Befragung untersucht jährlich
Einstellungen und Erfahrungen zur Depression in der erwachsenen
Bevölkerung. Befragt wurde im September 2024 ein repräsentativer
Bevölkerungsquerschnitt aus 5.000 Personen zwischen 18 und 69 Jahren. Die
Studie wird gefördert von der Deutsche Bahn Stiftung gGmbH.
Betroffene erfahren vielfältige Unterstützung durch Familie
Die Familie ist für viele Menschen mit Depression eine große Stütze auf
dem Weg durch die Erkrankung. Vor allem gibt die Familie den Betroffenen
das Gefühl, nicht alleine zu sein (46%). Bei 41 Prozent der Erkrankten
haben Familienmitglieder bemerkt, dass etwas nicht stimmt und den
Erkrankten darauf angesprochen. 38 Prozent der Betroffenen wurden dann von
Angehörigen ermutigt, sich professionelle Hilfe zu suchen.
Oft ist die Familie auch eine wichtige Hilfe, um den Alltag zu meistern
(34%) oder Aufgaben im Haushalt zu übernehmen (24%). „Morgens aufstehen,
den Geschirrspüler ausräumen oder einen Arzttermin vereinbaren – all diese
Tätigkeiten können in der Depression die größte Herausforderung sein.
Hoffnungslosigkeit und ein fehlender Antrieb sind Teil der Erkrankung und
machen den Alltag schwer. Angehörige sollten sich gut über Depression
informieren. So verstehen sie, dass ihr Familienmitglied sich nicht gehen
lässt, sondern krankheitsbedingt selbst alltägliche Dinge zu einem großen
Berg werden. In Krankheitsphasen können Angehörige deshalb eine wichtige
Stütze sein, indem sie z.B. einen Arzttermin organisieren und den
Erkrankten dorthin begleiten“, erklärt Prof. Ulrich Hegerl,
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und
Suizidprävention.
Familiäre Häufung der Erkrankung
Allerdings berichten auch 42 Prozent der befragten Menschen mit
Depression, dass die Familie ihnen nicht helfen konnte, weil die
Angehörigen selbst Probleme mit Depression oder anderen psychischen
Erkrankungen hatten. „Oft gibt es bei Depression familiäre Häufungen. Die
Vererbung spielt eine wichtige Rolle dabei, ob jemand eine Veranlagung zu
Depression hat oder nicht. Wer einen Elternteil mit Depression hat, hat
selbst ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko zu erkranken“, betont
Hegerl.
Angehörige: Sorge um Erkrankte große Belastung für die ganze Familie
Gut drei Viertel der Angehörigen (77%) empfinden die Depressionserkrankung
für das Familienleben als belastend oder sehr belastend. Vor allem die
Sorge um den Erkrankten (81%) und dessen Antriebs- (73%) und
Interessenslosigkeit (67%) wurden für die Familie als belastend erlebt. In
43 Prozent der Familien gab es während der Depression häufiger Streit als
sonst. In jeder fünften Familie führte das sogar zu einem Kontaktabbruch
(19%). „An Depression erkrankte Menschen fühlen sich erschöpft und
innerlich wie abgestorben. Sie ziehen sich oft von anderen Menschen
zurück, weil ihnen alles zu viel wird. Dies kann zu Missverständnissen und
Konflikten führen“, so Hegerl weiter.
Familiäre Beziehungen durch schwere Zeit vertieft
Jede zweite Familie berichtet rückblickend jedoch auch von positiven
Erfahrungen: Bei 55 Prozent der befragten Angehörigen hat sich das
erkrankte Familienmitglied gegenüber der Familie mehr geöffnet, 47 Prozent
beschreiben, dass sich durch die Depression die Beziehung zueinander
vertieft oder gefestigt habe. „Das gemeinsame Überstehen dieser leidvollen
Erkrankung kann zu einem Zusammenrücken in der Familie und einer
Vertiefung der Beziehungen führen“, erläutert Hegerl.
Angehörige kaum in Behandlung eingebunden
Nur 16 Prozent der Betroffenen berichten jedoch, dass ihre Angehörigen von
Ärzten informiert und in die Behandlung eingebunden wurden. Die
Angehörigen selbst empfanden es als Belastung, nicht gut von den
Behandlern informiert worden (41%) und nicht in die Behandlung integriert
zu sein (39%). „Depression betrifft die ganze Familie. Deshalb ist es
sinnvoll, Angehörige in die Behandlung einzubeziehen, um ihnen
beispielsweise Wissen über die Erkrankung und die Behandlung zu
vermitteln. Familiäre Belastungen können so reduziert werden“, betont
Hegerl.