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Anouar Brahem Quartet, KKL Luzern, 19.11.2024, besucht von Léonard Wüst (2)

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Anouar Brahem Oud
Anouar Brahem Oud

Anouar Brahem

Die 3 Musiker harmonierten auch ohne Perkussionisten Foto ab Homepage Anouar Brahem

Anouar Brahem

Besetzung:
Anouar Brahem, Oud – Klaus Gesing, Bass Clarinet & Sioprano Saxophone
Björn Meyer, Bass

Der tunesische Meister Anouar Brahem spielt die Oud, eine Kurzhalslaute aus dem Vorderen Orient
Ein Abend mit musikalischer Magie und nachdenklicher Stille

Abwesend aufgrund des Krieges in seiner Heimat Khaled Yassine
Abwesend aufgrund des Krieges in seiner Heimat Khaled Yassine

Das Konzert des Anouar Brahem Quartetts am 19. November 2024 im KKL Luzern war ein Abend voller Intensität und melancholischer Schönheit. Mit seiner unverkennbaren Oud und einer Begleitung von seinen Meistermusikern, Klaus Gesing (Bassklarinette und Sopran Saxophon) und Björn Meyer (Bass), präsentierte Anouar Brahem ein Programm, das tief in die Gefühlswelt eintauchte und das Publikum in einen meditativen Bann zog. Doch eine unsichtbare, aber spürbare Leere lag in der Luft: Der langjährige Perkussionist Khaled Yassine konnte aufgrund der politischen und humanitären Krise in seiner Heimat Libanon nicht dabei sein, erläuterte der tunesische Meister zum Beginn bei seiner Begrüssung des Publikums und erklärte, dass man nun halt den „Rhythm of our hearts“ machen werde. Diese Abwesenheit prägte die Stimmung des Abends, verlieh der Darbietung aber auch eine besondere Nachdenklichkeit.

Die emotionale Herausforderung durch die Abwesenheit von Khaled Yassine

Anouar Brahem Foto Marco Borggreve
Anouar Brahem Foto Marco Borggreve

Der Ausfall von Khaled Yassine stellte das Ensemble vor eine Herausforderung, der sie mit bemerkenswerter Hingabe und Flexibilität begegneten. Die Rhythmen, die sonst von der Darbouka und Bendir getragen werden, mussten durch subtile Anpassungen der Dynamik und einen stärkeren Fokus auf die Interaktion zwischen Oud, Bassklarinette und Bass kompensiert werden. Statt rhythmischer Kraft bot das Quartett eine Klanglandschaft, die von noch mehr Ruhe und Raum geprägt war. Brahem erwähnte in seinen kurzen, sparsamen Ansagen Yassines Abwesenheit mit spürbarer Betroffenheit – ein Moment, der die Verbundenheit der Musiker unterstrich und die globale Dimension von Kunst und Konflikt aufzeigte.

Meditative Klänge und zeitlose Musik

Die Musiker beim Soundcheck im KKL Luzern
Die Musiker beim Soundcheck im KKL Luzern

Das Konzert begann mit zarten, meditativen Klängen durch B assklarinettist Klaus Gesing , die das Publikum in eine andere Welt entführten. Die Kompositionen, hauptsächlich aus Brahems ECM-Alben wie „Souvenance“ und „The Astounding Eyes of Rita“, zeigten die charakteristische Mischung aus arabischer Musikkultur, Jazz und moderner Kammermusik. Klaus Gesing an der Bassklarinette füllte den Saal mit weichen, erdigen Tönen, während Björn Meyers Bass die harmonische Struktur untermalte und zugleich melodische Akzente setzte. Brahems Oud stand wie immer im Zentrum, ihr Klang schien die Zeit stillzulegen, als ob jeder Ton eine eigene Geschichte erzählen würde.

Manchmal fragt man sich, ob der Tunesier von andalusischer Musik beeinflusst wird/wurde, oder umgekehrt, die Südspanier bei den Maghreb Ländern „abgekupfert“ haben.

Klanglicher Minimalismus mit großer Wirkung

Ohne Perkussion wirkte die Musik noch minimalistischer und introspektiver als sonst. Besonders beeindruckend war, wie die Musiker mit der entstandenen Stille spielten und sie als integralen Bestandteil ihrer Musik nutzten. Stücke wie „Raf Raf“ und „Blue Maqams“ gewannen an spiritueller Tiefe und schwebender Leichtigkeit, die das Publikum in eine fast tranceartige Stille versetzte. Dabei nutzte das „abgespeckte Quartett“ die Akustik des KKL Luzern meisterhaft, jeder Ton hallte und schwebte, bis er sich in der Stille auflöste. Diese Momente der Reduktion und des bewussten Verzögerns verstärkten die emotionale Wirkung der Stücke enorm.

Das Zusammenspiel als Kunstform

Anouar Brahem mit seiner Oud
Anouar Brahem mit seiner Oud

Das Zusammenspiel der drei Musiker zeigte eine intuitive Verbindung, die von jahrelanger Zusammenarbeit und gegenseitigem Vertrauen zeugte. Besonders beeindruckend war das musikalische Gespräch zwischen Anouar Brahems Oud und Klaus Gesings Bassklarinette, das immer wieder zu einem Dialog aus Fragen und Antworten wurde. Björn Meyer setzte mit seinem Bass präzise Akzente, die sowohl Fundament als auch Bewegungsimpuls lieferten. Die fehlende rhythmische Struktur durch Yassines Perkussion wurde durch eine erweiterte Harmonie und eine stärkere Betonung der melodischen Linien kompensiert.

Ein Konzert, das das Publikum nachdenklich zurückliess

Das Anouar Brahem Trio beim Schlussapplaus
Das Anouar Brahem Trio beim Schlussapplaus

Die Abwesenheit Khaled Yassines verlieh dem Abend eine besondere Dimension, die weit über die Musik hinausging. Während Brahems Kompositionen stets von einer Sehnsucht nach „Anderswo“ und einem meditativen Nachdenken über die Welt geprägt sind, wirkte diese Sehnsucht an diesem Abend noch greifbarer. In einer Welt voller Konflikte und Krisen wurde das Konzert zu einem Symbol der kulturellen und emotionalen Verbindung, die Musik schaffen kann. Das Publikum reagierte am Ende mit anhaltendem Applaus und stehenden Ovationen – nicht nur für die meisterhafte musikalische Darbietung, sondern auch für den Mut und die Hingabe, mit der sich das Quartett den Herausforderungen dieses Abends stellte.

Fazit: Ein berührendes Konzert mit universeller Botschaft

Das komplette Anouar Brahem Quartet Foto Ursula Meisse
Das komplette Anouar Brahem Quartet Foto Ursula Meisse

Das Konzert des Anouar Brahem Quartetts, bzw. Trios im KKL Luzern war mehr als nur ein musikalisches Ereignis. Es war ein Abend, der das Publikum in eine Welt der introspektiven Klänge und nachdenklichen Stille entführte. Trotz der Abwesenheit von Khaled Yassine gelang es dem Ensemble, eine Atmosphäre von großer Intensität und emotionaler Tiefe zu schaffen. Brahems Musik, getragen von der Meisterschaft seiner Begleiter, wurde zu einer universellen Sprache, die das Publikum weit über den Konzertsaal hinaus begleitete. Ein denkwürdiger Abend, der zeigte, wie stark Musik die Kraft hat, Grenzen zu überwinden und Verbindungen zu schaffen – selbst in Zeiten der Ungewissheit.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.allblues.ch  und Homepage und facebookseite von Anouar Brahem

Ein Konzert von www.allblues.ch und https://www.jazzluzern.ch/

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Die 3 Musiker harmonierten auch ohne Perkussionisten Foto ab Homepage Anouar Brahem

Anouar Brahem

Die 3 Musiker harmonierten auch ohne Perkussionisten Foto ab Homepage Anouar Brahem