Zukunftsperspektiven für ländliche Räume in Europa: Klein- und Mittelstädte im Fokus

Der ARL Brussels Talk nimmt die künftige Ausrichtung europäischer
Förderprogramme in den Blick
Klein- und Mittelstädte sind von zentraler Bedeutung für die Entwicklung
ländlicher Regionen.
Auf Einladung der Akademie für Raumentwicklung in der
Leibniz-Gemeinschaft (ARL) kamen daher am Mittwoch, den 20. November rund
30 Gäste in die Niedersächsische Landesvertretung, um beim ARL Brussels
Talk aus wissenschaftlicher und politischer Perspektive einen Blick auf
die bisherigen Erfolge und künftigen Herausforderungen zu werfen.
Besonders die derzeit in der EU diskutierte mögliche Neujustierung der
Förderpolitiken ab 2028 und ihre Auswirkungen für die weitere Stärkung
ländlicher Räume in Niedersachsen durch europäische Förderprogramme
spielten dabei eine zentrale Rolle.
Bereits zur Eröffnung des Talks hob Michael Freericks, Leiter der
Vertretung des Landes Niedersachsen bei der Europäischen Union, die
strategische Bedeutung europäischer Förderprogramme für die
Widerstandsfähigkeit ländlicher Räume hervor. Gespeist aus Mitteln der
Kohäsionspolitik und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die
Entwicklung der ländlichen Räume (ELER) verfüge man in Niedersachsen mit
„Dorfregionen“, „LEADER“, „Zukunftsregionen“ oder „Resiliente Innenstädte“
über einen breit aufgestellten Instrumentenbaukasten. Weitere
Landesprogramme ermöglichten gezielte Ergänzungen wie die „Zukunftsräume
Niedersachsen“ und die „Regionalen Versorgungszentren“. „Nur mit EU-
Förderung können wir diesen an die unterschiedlichen Raumtypen angepassten
Baukasten anbieten und wichtige Gestaltungs-möglichkeiten für Klein- und
Mittelstädte schaffen“, betonte Freericks. Daher warne er ausdrücklich vor
kursierenden Plänen der Europäischen Kommission, sämtliche Fördermittel
auf EU-Ebene in einem einzigen Fonds zu zentralisieren. Im Falle möglicher
Kürzungen der Strukturfördermaßnahmen würden ansonsten wichtige Pfeiler
für die Lebensqualität, Wettbewerbsfähigkeit und Daseinsvorsorge in
ländlichen Regionen wegbrechen.
ARL-Präsident Prof. Dr. Axel Priebs betonte die Rolle der Klein- und
Mittelstädte als Versorgungzentren. Wegen ihrer besonderen Bedeutung für
die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger hätten sie auch in der
wissenschaftlichen Arbeit der ARL und ihrer Politikberatung einen hohen
Stellenwert. „Zukunftsräume und Regionale Versorgungszentren stärken
Kommunen durch flexible Instrumente der Regionalentwicklung und
unterstützen die Bündelung wichtiger Versorgungsangebote in den von der
Landes- und Regionalplanung ausgewiesenen Grund- und Mittelzentren“, lobte
Priebs die vom Land Niedersachsen initiierten Programme. Erfreulicherweise
ginge das Konzept der „Zukunftsräume Niedersachsen“ auch auf Empfehlungen
des von der Niedersächsischen Landesregierung eingesetzten Zukunftsforums
Niedersachsen zurück, in dem er sowie eine weitere Fachperson aus der ARL
mitgewirkt hatten, so Priebs.
Dr. Annett Steinführer vom Thünen-Institut sowie Dr. Martin Sondermann,
Leiter des Wissenschaftlichen Referats „Gesellschaft und Kultur“ der ARL,
gingen in ihrem gemeinsamen Vortrag der zentralen Rolle kleiner und
mittlerer Städte für die ländliche Entwicklung und die Daseinsvorsorge aus
wissenschaftlicher Perspektive nach. „Die Bedeutung kleiner Städte als
wichtige Versorgungszentren mit Ankerfunktion für ländliche Räume wird
weiterhin unterschätzt und sollte europaweit neu bewertet werden“, so
Steinführer. Diese Städte seien die Grundlage für eine langfristige
Sicherung der Daseinsvorsorge in ihrem ländlichen Umland. Diese Funktion
lasse sich durch gezielte Förderung weiter aufrechterhalten und stärken.
Dies gelte nicht nur für Deutschland, sondern in ganz Europa.
Mathias Dingerdissen, Referent am Niedersächsischen Ministerium für
Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, stellte in
seinem Vortrag noch einmal vertieft die Landesprogramme „Zukunftsräume
Niedersachsen“ und „Regionale Versorgungszentren“ vor. Deren Ansätze
hätten das Potenzial, auch andere ländlich geprägte Regionen Europas zu
entwickeln. „Die Förderung von Regionalen Versorgungszentren durch das
Land schafft für die Kommunen eigene Gestaltungs- und Handlungsspielräume
für wesentliche Zukunftsthemen. Gleichzeitig richtet sich das Programm
Zukunftsräume an niedersächsische Klein- und Mittelstädte, die eine
wichtige Versorgungsfunktion für ihr Umland übernehmen und in ihrer
Ankerfunktion gestärkt werden“, so Dingerdissen. „Die Programme setzen
neue Förderakzente und haben sich als Erfolgsmodelle etabliert, die es
Kommunen ermöglichen, strategische Projekte der Daseinsvorsorge vor Ort
umzusetzen.“
In der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation von Hendrik
Kafsack, EU-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z),
wurde die zentrale Bedeutung von Klein- und Mittelstädten für den
ländlichen Raum auf die europäische Ebene gehoben. Die Diskussionsrunde
bekräftigte erneut die Notwendigkeit stabiler und langfristiger EU-
Förderungen, um Europas Regionen in all ihren Facetten weiter zu stärken
und die
Daseinsvorsorge sowie die Lebensqualität nachhaltig zu sichern – ein
Appell der im politischen Brüssel Gehör finden sollte.