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Notfall Klimawende: Wärme und Kälte im Klinikbetrieb

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Charité CFM Facility Management GmbH und Hochschule für Wirtschaft und
Recht Berlin wollen gemeinsam kaltes Nahwärmenetz für größtes
Universitätsklinikum Europas entwickeln.

Das Reallabor könnte zum
Leuchtturm in Berlin werden.

Der Einsatz medizinischer Geräte wie MRT- und CT-Scanner, Computer-Server
zur Verarbeitung und Speicherung enormer Datenmengen und auch die
Kühltechnik in einer Klinik verbrauchen viel Strom und erzeugen erhebliche
Mengen an Abwärme. Um ihre Energieeffizienz zu verbessern, setzt die
Charité bereits heute auf erneuerbare Energien und hat ihre CO2-Emissionen
signifikant gesenkt. Dennoch bleibt Potenzial zur weiteren Reduzierung des
Verbrauchs und zur Nutzung von Wärmequellen, insbesondere durch innovative
Technologien und nachhaltige Baupraktiken.

Kaltes Nahwärmenetz für die Charité

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) und die
Charité CFM Facility Management GmbH (CFM) wollen gemeinsam ein kaltes
Nahwärmenetz für Europas größtes Universitätsklinikum entwickeln und
unterzeichneten eine entsprechende Absichtserklärung. Im Zuge des vom Land
Berlin ausgeschriebenen Förderprogramms „Wertschöpfung durch Innovation im
Quartier“ soll ein wirtschaftsorientiertes Reallabor entstehen, das in der
Praxis erprobt, wie Energie- und Wärmeversorgung mittels kalter Nahwärme
klimaverträglich gestaltet werden kann.

Schlüsseltechnologie für die Wärmewende

Der vermeintliche Widerspruch in der Begrifflichkeit dieser
Schlüsseltechnologie für die Wärmewende beruht auf einem einfachen
Prinzip: kalte Nahwärme nutzt die natürliche Wärme der Erde. In der Erde
verlegte Rohre leiten Wärme an eine temperaturleitende Flüssigkeit weiter,
die durch eine Pumpe in die Gebäude gelangt und dort für Heizung und
Warmwasser sorgt. Die Temperatur ist geringer als bei klassischen
Heizsystemen – daher der Name „kalt“ – und kann im Sommer auch zur Kühlung
eingesetzt werden. Mit Solarstrom betrieben, wird hier ohne fossile
Brennstoffe klimaneutral geheizt und gekühlt.

Energieeffizienz für historische Klinikgebäude

Die Umstellung auf kalte Nahwärme ist komplex – technische,
organisatorische und regulatorische wie auch finanzielle Hürden müssen
überwunden, Akzeptanz für die innovative Technologie geschaffen werden.
Hinzu kommt, dass viele der über das Stadtgebiet verteilten Charité-
Gebäude mit ihren insgesamt 45 000 Räumen und einer Fläche von einer
Million Quadratmetern unter Denkmalschutz stehen. Beide Projektpartner
sind überzeugt, dass sich Aufwand und Investition in das Vorhaben mit dem
Titel „Kalte Nahwärmenetzte für Autarkie im Quartier“, kurz KWArtier,
lohnen.

Energiekreislauf: Coole Lösungen für warme Räume

„Durch die Implementierung solcher Systeme könnte die Charité nicht nur
ihre Energiekosten weiter senken, sondern auch einen bedeutenden Beitrag
zum Klimaschutz leisten, indem sie ihre CO2-Emissionen weiter reduziert“,
sagt Simon Batt-Nauerz, Geschäftsführer der CFM. Die Charité würde in dem
kalten Nahwärmenetz die im Sommer durch Kühlung anfallende Abwärme im
Erdboden speichern, statt sie an die Umgebungsluft abzugeben. Das
reduziert den sogenannten Hitzeinseleffekt in städtischen Quartieren, der
dadurch entsteht, dass die vielen versiegelten Flächen Sonnenstrahlung
absorbieren und die Umgebung aufheizen. Die gespeicherte Wärme wird im
Winter für die Heizung der angeschlossenen Räume genutzt.

Das für die Abwärmespeicherung geplante Erdsondenfeld – ein Feld mit
geothermischen Bohrungen bis 100 Meter Tiefe – ermöglicht außer der
Kühlung von Computerserverzentren zum Beispiel auch die passende
Temperierung von Patientenzimmern in heißen Sommern. Denn die Auswirkungen
des Klimawandels sind auch in Berlin schon heute zu spüren und belasten
Patientinnen und Patienten wie auch das Personal in den Kliniken. Die
Hitzebekämpfung sieht Simon Batt-Nauerz als eine der größten
Herausforderungen in der Infrastrukturentwicklung an und hält das
angewandte Forschungsprojekt für einen vielversprechenden Lösungsansatz.

Enorme Reduzierung der CO2-Emmissionen

Eine Machbarkeitsprüfung der Deckenheizung und -kühlung für
Patientenzimmer, die im Zuge des Projektantrags am Charité Campus Virchow-
Klinikum durchgeführt wurde, ergab, dass der Deckungsanteil der Heizung
bei 96 Prozent und der Kühlung bei 90 Prozent liegen würden. Mit einer
Ausweitung des Projektes auf den gesamten Campus könnte die aktuell
erreichbare Reduktion von jährlich 110 Tonnen CO2-Emmissionen auf 806
Tonnen pro Jahr gesteigert werden. Die Stadt würde durch notwendige
Kühlung nicht weiter aufgeheizt.

Wegweisendes Reallabor zur Nutzung regenerativer Wärme- und Kältequellen

Sollte die HWR Berlin den Zuschlag für das Vorhaben vom Land Berlin
bekommen, würde es im April 2025 mit der detaillierten Planung losgehen.
KWArtier wäre ein Leuchtturmprojekt mit Strahlkraft weit über Berlins
Grenzen hinaus. Bisher fehlen Umsetzungsbeispiele für kalte Nahwärmenetze
in Bestandsquartieren, führen die Forschungsprojektleiterinnen Prof. Dr.
Andrea Pelzeter und Prof. Dr. Silke Bustamante an.

Die Wissenschaftlerinnen der HWR Berlin wollen gemeinsam mit ihrem
renommierten Praxispartner vorführen, wie regenerative Wärme- und
Kältequellen nutzbar gemacht werden können. Dafür soll ein modulares
System getestet werden, das je nach Bedarf in anderen Quartieren
angewendet und erweitert werden kann. Außerdem sollen neue
Geschäftsmodelle rund um kalte Nahwärmenetze erarbeitet werden – damit
geht es in diesem Reallabor zum ersten Mal weit über technische
Überlegungen hinaus, wirtschaftliche, regulatorische und soziale
Komponenten finden ebenfalls Berücksichtigung.

Reallabor als Blaupause: Praktisches Vorbild für nachhaltige
Energielösungen

„Unser Plan ist es, in dem Reallabor an der Charité einen Prototyp zu
schaffen, der zeigt, wie ein kaltes Nahwärmesystem schnell, standardisiert
und möglichst minimalinvasiv implementiert werden kann – im laufenden
Betrieb. Und wenn das in einem so komplexen Gefüge wie einer großen Klinik
funktioniert, dann lässt sich das auch auf Büro- und Verwaltungsgebäude,
Pflegeheime und Schulen übertragen“, sagt Prof. Dr. Andrea Pelzeter.

Indem Unternehmen, Initiativen oder ganze Stadtteile, die dem Beispiel des
Reallabors folgen, die gleichen innovativen Ansätze zur Energieeinsparung
und Emissionsminderung aufgreifen, leisten sie einen wertvollen Beitrag
zum Klimaschutz in Berlin und seiner Metropolregion. Das könnte sogar
bundesweit als Impulsgeber dienen, der den Weg für eine flächendeckende
Einführung dieser nachhaltigen Technologie ebnet. „Das Projekt hilft,
Vorbehalte gegen die Implementierung kalter Nahwärme zu überwinden und
zeigt, wie lokal entwickelte Lösungen und neue Geschäftsmodelle rund um
den Klimaschutz das Potenzial haben, weitreichende Wirkung zu entfalten“,
sagt Prof. Dr. Andrea Pelzeter.

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) ist eine
fachlich breit aufgestellte, international ausgerichtete Hochschule für
angewandte Wissenschaften, einer der bundesweit größten staatlichen
Anbieter für das duale Studium und im akademischen Weiterbildungsbereich.
Sie sichert den Fachkräftebedarf in der Hauptstadtregion und darüber
hinaus. Rund 12 000 Studierende sind in über 60 Studiengängen der
Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts-, Ingenieur- und Polizei- und
Sicherheitswissenschaften sowie in internationalen Master- und MBA-
Studiengängen eingeschrieben. Die HWR Berlin ist die viertgrößte
Hochschule für den öffentlichen Dienst in Deutschland und mehrfach
prämierte Gründungshochschule. Über 700 Kooperationen mit Partnern in der
Wirtschaft und im öffentlichen Dienst garantieren den ausgeprägten
Praxisbezug in Lehre und Forschung. 195 aktive Partnerschaften mit
Universitäten auf allen Kontinenten fördern einen regen
Studierendenaustausch und die internationale Forschungszusammenarbeit. Die
HWR Berlin ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for
Excellence“ und unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz
„Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.