Auf Spurensuche – Erinnerungsprojekt „Das leere Sprechzimmer“ beim DEGAM- Kongress in Würzburg
Lebendiges Gedenken: Das Erinnerungsprojekt „Das leere Sprechzimmer“ wird
erneut erleb- und begehbarer Teil des Jahreskongresses der Deutschen
Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) sein. In
diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf der biografischen Spurensuche mit
Studierenden der Universität Würzburg und auf der Implementierung von
Erinnerungsarbeit in der Lehre. Begleitend zur Ausstellung findet ein
wissenschaftliches Symposium statt.
Ein leeres Sprechzimmer, verwaiste Räume, keine Untersuchungen, keine
Behandlungen, keine Gespräche: Mit dem gleichnamigen Erinnerungsprojekt
gedenkt die DEGAM seit 2020 der jüdischen und aus anderen Gründen
verfolgten Ärztinnen und Ärzten, die während des Nationalsozialismus aus
ihren Praxen gedrängt, schikaniert und getötet wurden. Seitdem hat „Das
leere Sprechzimmer“ auf den jährlichen DEGAM-Kongressen mit einem eigenen
Raum und begleitenden Veranstaltungen seinen festen Platz. Darüber hinaus
sind im Rahmen des Projektes bis heute zahlreiche Film- und Audioaufnahmen
entstanden.
„Wir wollten mit unserem Projekt Formen finden, um den Opfern eine Stimme
zu geben, um von ihren Lebenswegen und ihrem weiteren Schicksal zu
erzählen“, erklärt Dr. Sandra Blumenthal, Präsidiumsmitglied in der DEGAM,
die das Projekt initiiert hat. „Aus dem Projekt leitet sich für uns als
medizinische Fachgesellschaft aber auch die Verantwortung ab, uns
selbstkritisch zu fragen, ob unsere Sprechzimmer wirklich immer und
überall für alle offen sind – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion
und sozialem Hintergrund“, kommentiert DEGAM-Präsident Prof. Martin
Scherer.
Für das „Leere Sprechzimmer“ gibt es jedes Jahr einen anderen Schwerpunkt.
Beim 59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (26. bis 28.
September 2024 in Würzburg) ist das die Zusammenarbeit mit Studierenden
der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU): Im Sommersemester 2024
haben sich Medizinstudierende im Wahlpflichtfach „Reflective Practitioner“
intensiv mit Opfern und Tätern, die in Würzburg und Umgebung gelebt und
gearbeitet haben, beschäftigt.
„Für die Studierenden weist der Blick in die Vergangenheit gleichzeitig
auch immer in die Zukunft, weil sie sich mit wichtigen Fragen zum
ärztlichen Selbstverständnis auseinandersetzen: Was bedeutet es, ein guter
Arzt, eine gute Ärztin zu sein?“, erklärt Prof. Anne Simmenroth, eine der
beiden Kongresspräsidentinnen. Co-Kongresspräsidentin Prof. Ildikó Gágyor
ergänzt: „Erinnerungsarbeit und ethische Reflexion können ein wertvoller
Beitrag in der Lehre sein – idealerweise als dynamischer und auch
kreativer Prozess. Dementsprechend haben wir die Studierenden ermutigt,
hier auch eigene Wege der Erinnerung zu gehen.“
Das Seminar wurde in enger Kooperation zwischen dem Institut für
Allgemeinmedizin der Universität Würzburg, dem Institut für Geschichte der
Medizin sowie dem Johanna-Stahl-Zentrum entwickelt und auch filmisch
begleitet. Der Film wird beim DEGAM-Kongress in Würzburg erstmalig
gezeigt.
Darüber hinaus werden Inhalte und Ergebnisse des Seminars „Reflective
Practitioner“ am ersten Kongresstag im Rahmen des Symposiums „Das leere
Sprechzimmer – in der Lehre. Ein besonderes Wahlpflichtfach“ diskutiert,
um Möglichkeiten und Herausforderungen zur Implementierung von
Erinnerungsarbeit in der Lehre auszuloten. Eines der Grußworte übernimmt
Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Weiterführende Informationen zum Projekt „Das leere Sprechzimmer“ gibt es
online: https://www.degam.de/das-leere
Symposium: Ort und Zeit
„Das leere Sprechzimmer – in der Lehre. Ein besonderes Wahlpflichtfach“:
26. September 2024, 16.30 bis 18 Uhr, Hörsaal 162, Universität Würzburg
Informationen zum Kongress
Presse-Akkreditierungen bitte online: https://www.intercom-
dresden.de/secure/conreg_degam
Alle Infos zum Kongress gibt es online: https://degam-kongress.de/2024