„Boomers go Alzheimer“: DGN fordert zum Welt-Alzheimertag einen Ausbau der Versorgungsstrukturen
Am 21. September ist Welt-Alzheimertag. Die gute Nachricht: Es gibt
verbesserte Möglichkeiten der Früherkennung und die Zulassung von
spezifischen Alzheimer-Antikörpertherapien wird auch in Europa in Kürze
erwartet. Demgegenüber stehen die steigende Prävalenz und die
Herausforderung, Betroffene so frühzeitig zu diagnostizieren, dass sie von
der spezifischen Behandlung auch profitieren können. Derzeit sind die
Versorgungsstrukturen darauf aber nicht ausgelegt. In einer Videoreihe
bringen DGN-Expertinnen und -Experten den medizinischen Status quo in
Sachen Therapie und Diagnostik auf den Punkt und diskutieren Lösungen für
eine verbesserte Versorgungsstruktur.
Die Alterung der Gesellschaft führt auch zu einer steigenden Zahl der
Menschen, die von einer Alzheimer-Krankheit betroffen sind. Letztlich
kommt nun die Babyboomer-Generation in das Alter, in dem sich
Demenzerkrankungen manifestieren. Deswegen und angesichts des
Fachkräftemangels wird die Versorgung der Betroffenen perspektivisch zu
einem Problem, das durch die Tatsache weiter verschärft wird, dass in
Kürze neue Therapien zur Verfügung stehen werden, die eine frühzeitige
differenzierte Diagnostik erfordern. „Die neuen Antikörper wirken nur im
Stadium der milden kognitiven Einschränkung und nur bei Betroffenen, bei
denen die Gedächtnisstörungen durch Alzheimer bedingt sind, nicht bei
anderen Ursachen“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, DGN-Generalsekretär.
Die Konsequenz, auf die man sich einstellen müsse, sei, dass sehr viele
Menschen eine frühzeitige fachärztliche Abklärung benötigen, wenn sie
erste Symptome einer kognitiven Einschränkung bemerken, z. B. zunehmend
häufiger Dinge verlegen oder Namen vergessen. „Natürlich haben nicht alle,
die so etwas beobachten, eine Demenzerkrankung, sie sollten sich aber
dennoch zur Abklärung vorstellen.“ Denn wenn das Frühstadium einer
Alzheimerdemenz vorliegt, kann mit den neuen Antikörpern, deren Zulassung
in Kürze auch in Europa erwartet wird, das Fortschreiten der Erkrankung um
bis zu 30 Prozent verlangsamt werden. „Das ist eine Chance für Betroffene,
die sie nicht verpassen sollten“, so der Experte, „denn leider ist es so,
dass die Antikörper in späteren Stadien der Alzheimer-Erkrankung nicht
mehr wirken.“
Was bedeutet das für die Versorgung? „Weil keine wirksamen Therapien zur
Verfügung standen, wurden leichte kognitive Einschränkungen bislang nicht
weiter diagnostisch abgeklärt und Betroffene erst in einem weiter
fortgeschrittenen Stadium fachärztlich versorgt. Jetzt aber müssen wir bei
ersten Symptomen differenzialdiagnostisch tätig werden“, so Prof. Berlit.
„Es werden nun viel mehr Menschen zur frühzeitigen Abklärung in die
Facharztpraxen kommen und es werden dadurch auch mehr Betroffene früher
diagnostiziert, die dann kontinuierlich weiter versorgt werden müssen.
Allein die Gabe der Antikörper wird viele fachärztliche Ressourcen
binden.“ Wie der Experte erklärt, müssen die neuen Therapien als Infusion
unter fachärztlicher Aufsicht gegeben werden, und entsprechende Strukturen
müssen in Praxen und Ambulanzen vorgehalten werden, im Hinblick auf
Personal, Räumlichkeiten und Equipment.
Auch der Hausarztpraxis käme in diesem Kontext eine wichtige Rolle zu:
Hier sollte selektiert werden, ob eine „Vergesslichkeit“
altersentsprechend oder durch Ängste bedingt ist oder ob eine Überweisung
in die neurologische Facharztpraxis erforderlich ist. Das bedeute, dass
Hausärztinnen und Hausärzte erste Demenztests durchführen müssten, was
Zeit beansprucht, die auch entsprechend vergütet werden muss. Prof. Berlit
gibt sich optimistisch, dass auch Bluttests in greifbarer Nähe sind, die
perspektivisch Demenz-Betroffene frühzeitig und sicher identifizieren
könnten.
Die Differenzialdiagnostik, die eine Liquordiagnostik und moderne
Bildgebung erfordert, und die anschließende Frühtherapie wären dann
Aufgaben der auf Demenzerkrankungen spezialisierten Facharztpraxen und
Gedächtnisambulanzen. Entsprechend wichtig sei es, hier nun zügig
Strukturen aufzubauen, damit alle, die versorgt werden müssen, auch
versorgt werden können. „Wir weisen schon seit geraumer Zeit darauf hin,
dass wir auf einen Versorgungsengpass zusteuern und möchten unsere
Forderung nach einem Ausbau der Versorgungsstrukturen anlässlich des Welt-
Alzheimertags erneut bekräftigen“, sagt der Experte.
Zum Aktionstag veröffentlicht die DGN eine Videoreihe, die das Thema
Alzheimer in den Vordergrund rückt. Prof. Dr. Dorothee Saur, Leipzig,
spricht über die neuen Möglichkeiten der Frühdiagnostik
(https://dgn.org/mediathek/vid
Prof. Dr. Özgür Onur, Köln, über die neuen Therapiemöglichkeiten
(https://dgn.org/mediathek/vid
alzheimer-demenz). In einem weiteren Video diskutiert Prof. Dr. Peter
Berlit mit Dr. Klaus Gehring, Leiter des MVZ Itzehoe, Dr. Marie-Christin
Preußler, Oberärztin und Leiterin der Demenzsprechstunde am Klinikum
Meißen, sowie Prof. Dr. Thorsten Bartsch, Leiter der Gedächtnis- und
Demenzambulanz am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, welche
Strukturen für eine optimale Versorgung erforderlich sind
(https://dgn.org/mediathek/vid
alzheimer-demenz-betroffenen-u
Am 17. Oktober 2024 findet in Berlin (und via Livestream) auch eine
gemeinsame Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und
Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie (DGN) und dem Deutschen Netzwerk
Gedächtnisambulanzen (DNG) in Kooperation mit der Nationalen
Demenzstrategie (NDS), der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, dem DZNW und
dem BVDN zum Thema „Frühe Diagnostik und neue Therapien der Alzheimer-
Krankheit“ statt, zu der auch Medienvertreterinnen und -vertreter herzlich
eingeladen sind. Informationen finden Sie unter https://dgn.org/event
/fruhe-diagnostik-und-neue-the