Pflegeheim Rating Report 2024: Wirtschaftliche Lage deutscher Pflegeheime hat sich etwas verbessert, Personal wird knapp
Die wirtschaftliche Lage deutscher Pflegeheime hat sich seit dem Jahr 2019
leicht verbessert. 9 Prozent lagen 2021 im „roten Bereich“ mit erhöhter
Insolvenzgefahr, 55 Prozent im „grünen Bereich“. Ab 2022 dürfte sich die
wirtschaftliche Lage jedoch durch steigende Sach- und Personalkosten
wieder verschlechtern. Die Trends zur Ambulantisierung und Privatisierung
hielten an, die Personalknappheit nimmt zu. Durch die Alterung der
Gesellschaft ist bis 2030 in Deutschland mit 5,7 Millionen
Pflegebedürftigen zu rechnen, das entspricht einer Steigerung von 14
Prozent gegenüber dem Jahr 2021. Damit verbunden steigt der Bedarf an
Pflegepersonal und Kapital. ...
Zu diesen und vielen weiteren Ergebnissen kommt der „Pflegeheim Rating
Report 2024“. Er wurde gemeinsam vom RWI und der hcb GmbH in Kooperation
mit der Bank im Bistum Essen eG und der Curacon GmbH sowie mit
Unterstützung der Terranus GmbH erstellt.
Das Wichtigste in Kürze:
Status quo
- Im Pflegebereich herrscht weiterhin Personalknappheit. In der ambulanten
und stationären Pflege waren im Jahr 2021 insgesamt 1.257.000 Vollkräfte
beschäftigt, davon 341.000 Pflegefachkräfte. Zwar sind zwischen 1999 und
2021 427.000 zusätzliche Vollzeitkräfte hinzugekommen. Es werden jedoch
weitere Arbeitskräfte benötigt. Da dieser Bedarf derzeit am Arbeitsmarkt
nicht vollständig gedeckt werden kann, besteht ein zunehmender Mangel an
Pflegefachkräften.
- Die wirtschaftliche Lage deutscher Pflegeheime hat sich seit dem Jahr
2019 leicht verbessert. Im Jahr 2021 befanden sich 9 Prozent der Heime im
„roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr, 55 Prozent im „grünen
Bereich“ mit geringer Insolvenzgefahr und 42 Prozent dazwischen im „gelben
Bereich“. Im Jahr 2019 waren noch ca. 20 Prozent im „roten Bereich“ und
38 Prozent im „grünen Bereich“. Auch ihre durchschnittliche
Insolvenzwahrscheinlichkeit sank zwischen 2019 und 2021 von 2 auf 1,2
Prozent. In den Jahren 2022 und 2023 dürfte sich die wirtschaftliche Lage
der Pflegeheime jedoch wieder verschlechtern, insbesondere durch steigende
Sach- und Personalkosten.
- Das Marktvolumen der ambulanten und stationären Pflegedienste betrug im
Jahr 2021 rund 72 Milliarden Euro. Der Anteil des Pflegemarkts am gesamten
Gesundheitsmarkt ist zwischen 1997 und 2021 von 9,8 Prozent auf 15,2
Prozent gestiegen. Damit liegt die Pflege in ihrer Bedeutung aktuell an
zweiter Stelle hinter den Krankenhäusern.
- Die wirtschaftliche Situation der Heime war in Sachsen-Anhalt/Thüringen,
Hessen, Berlin/Brandenburg/Mecklenburg
in Schleswig-Holstein/Hamburg, Baden-Württemberg und Niedersachsen/Bremen
am schlechtesten.
- Erneut wurden mehr Pflegebedürftige ambulant versorgt. Ihr Anteil lag im
Jahr 2021 bei 24,4 Prozent. Gleichzeitig nahm die Anzahl stationär
gepflegter Menschen 2021 erstmalig leicht ab.
- Auch der Trend zur Privatisierung hat sich fortgesetzt. Wurden im Jahr
1999 noch 25,4 Prozent der Pflegebedürftigen in einer privaten Einrichtung
versorgt, waren es im Jahr 2021 bereits 39,8 Prozent. In ambulanten
Diensten stieg der Anteil zwischen 1999 und 2021 von 35,6 auf 54,4
Prozent. Die Zahl der Plätze in privater Trägerschaft stieg seit 1999 um
143 Prozent. Allerdings ist die Auslastung privater Heime 2021 mit 86,2
Prozent unter das Niveau von 1999 mit 87,3 Prozent gesunken.
- Heime in privater Trägerschaft arbeiten insbesondere in Westdeutschland
kostengünstiger als öffentlich-rechtliche oder freigemeinnützige Heime.
Inklusive des Investitionskostenanteils lagen ihre Preise 6,7 Prozent
unter dem westdeutschen Durchschnitt.
Ausblick
- Hauptgrund für das Wachstum des Pflegemarkts bleibt die Alterung der
Gesellschaft. Bei konstanten Pflegequoten wird es voraussichtlich bis zum
Jahr 2030 in Deutschland 5,7 Millionen Pflegebedürftige geben, bis 2040
dürften es 6,4 Millionen sein. Das wäre gegenüber 2021 ein Anstieg um 14
bzw. 28 Prozent. Dieser hätte bei Fortschreibung des Status quo einen
zusätzlichen Bedarf von 322.000 stationären Pflegeplätzen bis zum Jahr
2040 zur Folge. Die erforderlichen Neu- und Re-Investitionen beliefen sich
entsprechend auf 81 bis 125 Milliarden Euro.
- Um die steigende Zahl an Pflegebedürftigen zu versorgen, ist mehr
Personal nötig. Bis 2040 ist mit insgesamt 163.000 bis 380.000
zusätzlichen Vollzeitkräften in der stationären und mit 97.000 bis 183.000
in der ambulanten Pflege zu rechnen. Auf Pflegefachkräfte entfällt davon
bis 2040 ein zusätzlicher Bedarf zwischen 124.000 und 210.000 in der
stationären und ambulanten Pflege.
- Damit der große Bedarf an Pflegefachkräften gedeckt werden kann, muss
der Pflegeberuf attraktiver werden. Das könnte zum einen durch höhere
Löhne geschehen. Zum anderen spielen auch weiche Faktoren eine wesentliche
Rolle, z.B. eine gute Führungskultur, gesellschaftliches Ansehen des
Berufs, eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, möglichst wenig
Bürokratie, Karrieremöglichkeiten sowie die Übernahme von Verantwortung.
Zudem steht die Altenpflege vermehrt im Wettbewerb mit Krankenhäusern, ein
leichter Sogeffekt lässt sich bereits feststellen.
- Darüber hinaus könnte die Zuwanderung qualifizierter Pflegefachkräfte
den Fachkräftemangel lindern, zudem sollte auch in der Pflege verstärkt
über arbeitssparenden Technikeinsatz nachgedacht werden. Eine Möglichkeit
ist die Nutzung innovativer Technik im Bereich Ambient Assisted Living
(AAL). Hier könnte moderne Technologie die Pflegekräfte unterstützen und
ihnen mehr Zeit für zwischenmenschliche Beziehungen zu den
Pflegebedürftigen geben.
- Neben Personal wird überdies mehr Kapital benötigt, insbesondere
privates Kapital. Dieses wird jedoch nur eingesetzt, wenn es risikogerecht
verzinst wird. Die Politik sollte daher die Regulierungsdichte reduzieren
und die unternehmerische Handlungsfreiheit ausweiten. So sind zum Beispiel
Vorgaben zur Heimgröße oder zum Anteil der Ein-Bett-Zimmer überflüssig.
Wichtig ist vielmehr, dass es ein ausreichend großes Angebot an
Einrichtungen gibt, die miteinander in einem Preis- und
Qualitätswettbewerb stehen. Dazu muss die Pflegequalität leicht
verständlich dargestellt werden. Dann können sich die Pflegebedürftigen
und ihre Angehörigen das Heim aussuchen, das ihren Präferenzen am besten
entspricht und das für sie noch bezahlbar ist. Wenn die Politik indessen
restriktive Vorgaben macht, läuft sie Gefahr, dass sie entweder nicht die
Präferenzen aller Pflegebedürftigen trifft oder nur zu teure Angebote
zulässt.
„Die Gesellschaft wird weiter altern. Um die damit verbundene steigende
Zahl der Pflegebedürftigen adäquat versorgen zu können, braucht die
deutsche Pflegebranche in den nächsten Jahren zusätzliches Personal und
Kapital“, sagt RWI-Pflegeexpertin Dörte Heger. „Es gilt, Pflegeberufe
attraktiver zu machen und so die Personalknappheit zu überwinden“, so
Heger.
Datengrundlage des „Pflegeheim Rating Report 2024“ sind 465
Jahresabschlüsse aus den Jahren 2014 bis 2021. Sie umfassen insgesamt
1.844 Pflegeheime bzw. rund 25 Prozent des stationären Pflegemarktes. Der
Report wird gemeinsam vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung
und der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit
der Bank im Bistum Essen eG und der Curacon GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaf
Consulting GmbH erstellt.