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Krankenhausstrukturreform bedarf neuer Methoden zur Qualitätsmessung

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Krankenhausstrukturreform muss auf Basis messbarer Qualitätsparameter
umgesetzt werden.
Vielfalt an Erhebungen, Rankings bei geringer Transparenz der
Bewertungskriterien, methodische Mängel der Vergleichbarkeit bleiben ein
Problem für Ratsuchende.
WiZen-Studie zeigt deutliches Potenzial von validen
Zertifizierungsprozessen auf Versorgungsqualität.

Die Krankenausstrukturreform hat das übergeordnete Ziel, die
Versorgungsqualität in Deutschland zu erhöhen. Woran sich diese bemisst,
ist allerdings bislang weitestgehend ungeklärt. „Eine transparente und
valide Darstellung von Qualitätsparametern ist eine zentrale, aber vor
allem gemeinsame Aufgabe aller Krankenhäuser, der Politik und weiterer
Partner“, so Prof. Dr. Michael Abrecht, Medizinischer Vorstand des
Universitätsklinikum Dresden. „Wir vertreten seit vielen Jahren die
Position, dass es objektiver Qualitätsvergleiche bedarf.“ So war das
Universitätsklinikum Dresden 2008 Gründungsmitglied der Initiative
Qualitätsmedizin (IQM), einem träger- und länderübergreifenden
gemeinnützigen Verein, in dem sich derzeit über 500 Krankenhäuser aus
Deutschland und der Schweiz für mehr Qualität in der Medizin und
Patientensicherheit engagieren.

Krankenhausrankings dienen in den wenigsten Fällen der Transparenz
Selbst etablierte Institutionen schaffen es nicht, valide, wegweisende
Rankings zum Qualitätsvergleich zu etablieren. „Es gibt nahezu überall
Schwierigkeiten mit den Verfahren und der Methodik“, erklärt Michael
Albrecht. „Die Erhebungen erfolgen methodisch nicht transparent und sind
wissenschaftlich demnach nicht oder schwer nachvollziehbar, was uns dazu
zwingt, von diesen Verfahren Abstand zu nehmen.“ Das Universitätsklinikum
Dresden hat sich 2022 entschieden, nicht mehr an der zentralen Abfrage des
Rankings zur Focus Klinikliste 2024 teilzunehmen.

„Auch wir haben in den vergangenen Jahren versucht, mit unserem
hervorragenden Abschneiden in diesem Ranking eine Orientierung für unsere
Patientinnen und Patienten zu schaffen, dies ist aber auch aufgrund der
unklaren Methodik sowie der zunehmenden Kommerzialisierung für uns
zukünftig nicht mehr vertretbar. Wir setzen daher unter anderem auf
bewährte und etablierte Zertifizierungsverfahren, und zwar vor allem auf
solche, bei denen verschiedene medizinische Fachdisziplinen auf Basis
wissenschaftlich fundierter Kriterien betrachtet und dann vor Ort von
Experten geprüft werden. Darüber hinaus stellen wir uns regelmäßig den
Anforderungen der internationalen Qualitätsmanagementnorm, der DIN EN ISO,
mit der vor allem strukturelle und prozessuale Normkriterien begutachtet
werden“, so Prof. Michael Albrecht.

Man wolle es aber nicht dabei belassen, sondern mit Partnern im Deutschen
Gesundheitssystem in den Austausch gehen, professionelle Verfahren zur
Qualitätsbewertung entwickeln und mit der Politik weiter vorankommen. Ein
erster Schritt war 2012 die Gründung des Zentrums für evidenzbasierte
Gesundheitsversorgung (ZEGV) in Dresden. „Unser Ziel war es, medizinische
Qualität messbar und transparent zu gestalten, Potenziale zu
identifizieren und zu heben“, erklärt Prof. Michael Albrecht.

Qualität messbar machen
Am ZEGV wird seit mehr als zehn Jahren die bundespolitische
Versorgungssituation wissenschaftlich untersucht. Die Experten um Prof.
Dr. Jochen Schmitt beschäftigen sich mit der Auswertung von Daten, um
ergebnisorientierte Qualität sichtbar zu machen. Wie relevant diese
Erhebungen sind, zeigt die jüngste Studie „Wirksamkeit der Versorgung in
onkologischen Zentren“ (WiZen), von Versorgungsforschern des
Universitätsklinikums Dresden und der Universität Regensburg, die am 21.
August 2023 im Deutschen Ärzteblatt erstveröffentlicht worden ist. Die
Studie zeigte, dass Krebspatientinnen und -patienten, die sich in
zertifizierten Krebszentren erstbehandeln lassen, Vorteile im
Gesamtüberleben haben.

Versorgungwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus dem ZEGV, der
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren und dem Zentrum für
Qualitätssicherung und Versorgungsforschung an der Universität Regensburg
haben dafür in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftlichen Institut der AOK
(WIdO) die Daten von Betroffenen aus ganz Deutschland ausgewertet. Auf
Basis kontrollierter Kohortenstudien wurde ermittelt, ob die
Erstbehandlung in Krankenhäusern mit und ohne Zertifikat der Deutschen
Krebsgesellschaft (DKG) ein unterschiedliches Gesamtüberleben zur Folge
hat. Die Grundlage bildeten Daten von rund 22 Millionen volljähriger AOK-
Versicherter, sowie von vier großen klinischen Krebsregistern aus Bayern,
Berlin, Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Für alle 11 untersuchten
Krebsarten zeigen sich demnach Vorteile im Gesamtüberleben bei der
Erstbehandlung in einer zertifizierten Klinik. Damit wird erstmals die
Evidenz von Zertifizierungsverfahren auf die Behandlungsqualität von
Patientinnen und Patienten bewiesen. „Insofern lohnt der genaue Blick auf
die Vielzahl der Zertifizierungsangebote auf dem QM-Markt und im Übrigen
auch die Information an die Patientinnen und Patienten“, so Prof. Dr.
Maria Eberlein-Gonska, Leiterin des Bereichs Qualitäts- und Medizinisches
Risikomanagement am Universitätsklinikum Carl Gustav Dresden.

Eine exzellente Versorgung auf Spitzenniveau orientiert sich an neuesten
Erkenntnissen aus der Wissenschaft – so auch das Leistungsportfolio der
Hochschulmedizin Dresden. „Dennoch mussten wir über viele Jahre erleben,
wie unheimlich schwer es ist, objektive Verfahren mit Evidenznachweis zu
etablieren“, sagt Prof. Michael Albrecht. „Vergleichsparameter müssen aber
spätestens jetzt transparent, für den aufgeklärten Patienten zur Verfügung
stehen.“ Man hoffe, dass mit dem aktuellen Antritt der Politik im Rahmen
notwendiger Vergleichsfaktoren innerhalb der Krankenhausstrukturreform
neuer Schwung in das Thema kommt, um den Patientinnen und Patienten
Entscheidungshilfen anbieten zu können.