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Monitor liefert neue Daten für verschiedene Haushalte

8,8 Prozent Inflationsrate: Familien mit niedrigem Einkommen weiter am
stärksten belastet – Energiepreisbremsen gegen soziale Spreizung

Familien mit niedrigem Einkommen tragen aktuell weiter die höchste
Inflationsbelastung, Alleinlebende mit hohem Einkommen die geringste:
Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben sind
die Preise im August 2022 um 8,8 Prozent bzw. um 6,7 Prozent gestiegen,
während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 7,9 Prozent lag. Der
Abstand hat sich im Vergleich zum Juli wieder leicht vergrößert. Das liegt
daran, dass die größten Preistreiber – Haushaltsenergie und Lebensmittel –
bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen
einen größeren Anteil ausmachen als bei wohlhabenden. Auch
Alleinerziehende, Familien und kinderlose Paare mit jeweils mittleren
Einkommen hatten mit 8,5 Prozent, 8,4 Prozent bzw. 8,2 Prozent
überdurchschnittliche Teuerungsraten zu tragen, während Familien mit
höheren Einkommen bei 7,9 Prozent genau im Mittel lagen. Das ergibt der
IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und
Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die
spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen
liefert.*

Besonders ausgeprägt fiel der Anstieg der haushaltsspezifischen
Inflationsrate gegenüber Juli für Alleinlebende mit niedrigen Einkommen
aus: Ihr Warenkorb verteuerte sich im August um 8,3 Prozent, nach 7,7
Prozent im Vormonat. Ohne die im August noch wirksame Preisdämpfung durch
das 9-Euro-Ticket wären ärmere Singles sogar erstmals die Haushaltsgruppe
mit der höchsten Preissteigerung gewesen. Alleinlebende mit mittleren bzw.
höheren Einkommen lagen mit Raten von 8,0 und 7,7 Prozent im August leicht
ober- bzw. unterhalb der allgemeinen Preissteigerung (siehe auch die
Informationen zur Methode unten und die Abbildung in der pdf-Version
dieser PM; Link unten). Für den Herbst sind neue Preisschübe absehbar,
insbesondere beim Gas. Ob die soziale Spreizung bei den
haushaltsspezifischen Inflationsraten dann weiter zunimmt, hängt nach
Einschätzung von IMK-Direktor Prof. Dr. Sebastian Dullien und
Inflationsexpertin Dr. Silke Tober stark davon ab, ob wirksame
Energiepreisbremsen eingeführt werden, oder nicht.

In Folge des Ukrainekriegs und von weiterhin durch die Corona-Pandemie
angespannten Lieferketten erreichte die Teuerungsrate für alle Haushalte
im August wieder den bisherigen Höchststand vom Mai. Dabei sind die
Unterschiede je nach Haushaltskonstellation und Einkommen sozial hoch
problematisch, zeigt der IMK Inflationsmonitor: Mit 2,1 Prozentpunkten
zwischen ärmeren Familien und wohlhabenden Alleinlebenden war die
Differenz im August wieder leicht größer als im Juli, nachdem sie zuvor
etwas gesunken war. Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen
schlugen die besonders stark anziehenden Komponenten Haushaltsenergie und
Lebensmittel mit 5,8 Prozentpunkten auf die haushaltsspezifische
Inflationsrate von 8,8 Prozent durch, bei einkommensschwachen
Alleinlebenden machten sie sogar 7,1 Prozentpunkte der 8,3 Prozent
spezifische Teuerung aus. Bei einkommensstarken Alleinstehenden entfielen
darauf hingegen 2,9 Prozentpunkte von insgesamt 6,7 Prozent. Bei diesen
Haushalten sorgten im August dagegen die im Vorjahresvergleich ebenfalls
erheblichen Preisanstiege bei Pauschalreisen, beim Autokauf, für
Wohnungsinstandhaltung oder Kraftstoff für höhere Ausgaben – Positionen,
die zum Teil auch für kinderlose Paare oder einkommensstarke Familien
relevant waren.

„Die haushaltsspezifischen Inflationsraten zeigen, dass Haushalte mit
geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie
überproportional belastet sind und sich hier auch die Verteuerung der
Nahrungsmittel stärker niederschlägt“, schreiben Dullien und Tober. Dieser
Trend könnte sich in den kommenden Monaten weiter verschärfen, da bisher
noch nicht alle Preissteigerungen von Haushaltsenergie im Großhandel an
die Privathaushalte weitergegeben wurden. Weiter verstärkt werde der
Preisanstieg durch die ab Oktober eingeführten Gasumlagen, die durch die
Mehrwertsteuersenkung auf Gas nur gedämpft, aber nicht kompensiert werden.
So dürften die Verbraucherpreise für Erdgas allein durch die Kombination
beider Maßnahmen um gut 15 Prozent steigen. Das werde im Oktober einen
zusätzlichen Anstieg der allgemeinen Inflationsrate um 0,35 Prozentpunkte
verursachen – und Menschen mit niedrigeren Einkommen proportional stärker
belasten. Zudem haben Haushalte mit niedrigem Einkommen grundsätzlich ein
besonderes Problem mit starker Teuerung, erinnern Dullien und Tober. Denn
die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Zudem
besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff
auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Die von der Bundesregierung in den Entlastungspaketen I und II
beschlossenen und für das Entlastungspaket III angekündigten Maßnahmen
„gehen weitgehend in die richtige Richtung“, konstatieren Tober und
Dullien. Positiv heben die Forschenden die Energiepreispauschale hervor,
die in diesem Monat an Erwerbstätige und im Dezember unter anderem an
Rentnerinnen und Rentner ausgezahlt wird. Ebenfalls positiv bewerten sie
die angekündigte Preisbremse für Strom und die „Aussicht auf einen
Gaspreisdeckel“. Für die Frage, wie sich die Inflation in den kommenden
Monaten unter sozialen Aspekten entwickeln wird, sei es äußerst wichtig,
dass diese beiden Instrumente genutzt und wirksam ausgestaltet werden.

– Informationen zum Inflationsmonitor –

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und
Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für
unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich
gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen –
von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu
Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die
haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den
Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor
werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit
zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro),
höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen;
Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600
Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro),
mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als
5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit
mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich.

Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.