Zum Hauptinhalt springen

In der Vergangenheit liegt die Zukunft: Architektur-Studierende erlernen den Umgang mit Denkmälern und Bestandsbauten

Denkmalpflege: das Schloss Erlach soll aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden.  (Foto Prof. Zankl)
Denkmalpflege: das Schloss Erlach soll aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden. (Foto Prof. Zankl)
Pin It
Denkmalpflege: das Schloss Erlach soll aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden.  (Foto Prof. Zankl)
Denkmalpflege: das Schloss Erlach soll aus seinem Dornröschenschlaf geweckt werden. (Foto Prof. Zankl)

Grundregel beim Umgang mit besonders erhaltenswertem Baubestand und
Denkmälern: „Soviel wie nötig, so wenig wie möglich“

Ein altes Schloss aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken, eine neue Nutzung
zu entwickeln und die alten Strukturen dahingehend behutsam zu sanieren –
der Traum vieler junger Menschen, die Architektur studieren. An der
Hochschule Würzburg-Schweinfurt haben Studierende des sechsten
Studiensemesters Architektur die Möglichkeit, im Fach „Denkmalpflege und
Sanierung“ diese Kompetenzen zu erwerben. Das Lehrgebiet stellt technische
und bauphysikalische Grundlagen im Zusammenhang mit dem Baubestand dar und
zeigt auf, wie mit historischen und modernen Bau- und Sanierungstechniken
der Erhalt von „besonders erhaltenswerter Bausubstanz" langfristig
gesichert werden kann. Der Architekt Prof. Karl Zankl von der Fakultät für
Architektur und Bauingenieurwesen, der dieses Fach unterrichtet, legt
dabei den Schwerpunkt auf den Umgang mit historischen und schützenswerten
jüngeren Gebäuden und wirbt für den sensiblen und fachgerechten Umgang mit
Denkmälern. Ein Leitspruch, den er den Studierenden aus seiner Erfahrung
mit der Sanierung von Denkmälern mitgibt, lautet: „soviel wie nötig, so
wenig wie möglich.“

Zusammen mit Prof. Zankl betreut Prof. Dr. Matthias Wieser dieses
Lehrgebiet. Der renommierte Bauforscher und Denkmalpfleger ist seit
zwanzig Jahren an der Fakultät mit den Lehrgebieten Bau- und
Architekturgeschichte und Denkmalpflege befasst. Die Entstehungsgeschichte
eines historischen Gebäudes zu erforschen, das Haus zu analysieren, es zu
revitalisieren und historische Gebrauchsspuren behutsam wieder „leben zu
lassen“, ist für ihn der wichtige und reizvolle Teil seiner praktischen
Architektentätigkeit. Er versucht in der Lehre bei möglichst zahlreichen
Exkursionen die Studierenden an historische Bauwerke heranzuführen, damit
sie typische Bauweisen und Elemente kennenlernen und später wiedererkennen
können.

Zum Lehrinhalt des Moduls gehört auch die Auseinandersetzung mit
historischen Tragstrukturen. Das Verstehen und Nachvollziehen der
Lastabtragung vom Dachstuhl über die historischen Deckenkonstruktionen und
Kellergewölbe bis in die Fundamente spielt dabei die wichtigste Rolle.
Diese Aufgabe übernimmt der Bauingenieur Prof. Dr. Christoph Müller de
Vries und begleitet die Studierenden beratend durch das Projekt.

Die jeweilige Entwicklung des Denkmalprojektes soll in jedem Falle
möglichst realitätsnah erfolgen. Deshalb arbeiten die Studierenden häufig
im jeweiligen Objekt, und die Professoren holen Experten aus der Praxis
zur Beratung hinzu. Der Oberkonservator Hans-Christoph Haas vom
bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, ebenso der
Brandschutzsachverständige Phillip Renninger und in der Region
denkmalpflegerisch tätige Architekten und Restauratoren, betreuen
regelmäßig die Studierenden vor Ort.

In den letzten Jahren konnten dabei sehr interessante Projekte bearbeitet
werden, wie z.B. die alte Poststelle in Possenheim, das Amtshaus in
Seinsheim, das Einersheimer Tor in Iphofen oder das sog. Miltenbergerhaus
im Herzen von Sommerhausen.

Für das kommende Semester ist ein besonderes Highlight in Vorbereitung:
das Wasserschloss in Erlach (Landkreis Würzburg), ein Gebäude, das
erstmals im Jahr 1151 erwähnt wurde und seit 1545 in seiner jetzigen Form
besteht. Das Schloss wird zum Teil nicht mehr genutzt und verlangt neben
einer denkmalgerechten Sanierung auch nach einer neuen
denkmalverträglichen Nutzung.

Um sich der Aufgabe und dem jeweiligen Objekt zu nähern, gehen die
Studierenden nach der klassischen Sanierungsmethode „Anamnese-Diagnose-
Therapie" vor. Sie sammeln Informationen aus allen zugänglichen Quellen,
vermessen das Denkmal und dokumentieren den Zustand eines jeden Raumes.
Böden, Wände, Decken, Türen und Fenster werden in „Raum-, Tür- und
Fensterbüchern" beschrieben. Nach dieser Phase werden Defizite und Schäden
diagnostiziert, anschließend wird ein Therapiekonzept zur nachhaltigen
Sanierung des Gebäudes ausgearbeitet.

Das Modul beschäftigt sich aber nicht ausschließlich mit Denkmälern: ein
sehr großer Teil des Baubestandes in der Bundesrepublik wird als
sogenannte „besonders erhaltenswerte Bausubstanz“ eingestuft. Diese
spezifische Qualität eines Gebäudes zu erkennen und seine Struktur
behutsam zu sanieren, sieht Prof. Zankl als eine zentrale Aufgabe für
zukünftige Architektinnen und Architekten.

Jedes zweite Haus in Deutschland ist älter als vierzig, jedes fünfte Haus
älter als achtzig Jahre alt. Der größte Teil des heutigen Gebäudebestandes
ist in den Sechziger- und Siebzigerjahren entstanden. Den
architektonischen Wert dieser oft ungeliebten, weil energetisch,
bautechnisch und optisch in die Jahre gekommenen Bauten zu würdigen, ist
eine besondere Herausforderung. Für einen nachhaltigen Umgang mit diesen
Gebäuden will Prof. Zankl die Studierenden sensibilisieren und
interessieren, um ihnen den Zugang zu einem weitgefächerten Berufsfeld zu
ermöglichen.

Die Studierenden lernen bei den Projekten unmittelbar, sich mit den immer
mehr in den Vordergrund drängenden Themenfeldern wie der energetischen
Ertüchtigung, der Implementierung moderner Energiekonzepte wie der
Photovoltaik und der Verwendung von nachhaltigen Materialien und
Konstruktionen, auseinanderzusetzen.

Diese modernen Notwendigkeiten sensibel und innovativ in den umfangreichen
Gebäudebestand zu integrieren, ist eine der wichtigsten Aufgaben für die
Zukunft des Bauens im Bestand.