Ungewollte Kinderlosigkeit/Assistierte Reproduktion: In jeder Schulklasse mindestens ein IVF-Kind
Die deutschen Reproduktionsmediziner haben allen Grund, stolz auf ihre
Erfolge bei der Behandlung der ungewollten Kinderlosigkeit zu sein: Über
340.000 Kinder sind seit 1982 mit Hilfe der assistierten Reproduktion
(künstliche Befruchtung) zur Welt gekommen. „Dies entspricht in etwa der
Einwohnerzahl von Wuppertal oder Bielefeld“, erklärt Dr. Ute Czeromin aus
Gelsenkirchen.
Diese aktuellen Ergebnisse der 134 deutschen Zentren weist das Deutsche
IVF-Register aus, das beim 9. Kongress des Dachverbandes
Reproduktionsbiologie und –medizin (DVR)* vorgestellt wird. Über 21.000
Kinder wurden allein im dafür jüngsten Berichtszeitraum (2019) nach
assistierter Reproduktion geboren. „Das sind fast drei Prozent aller
geborenen Kinder im Jahr 2019“, verdeutlicht Czeromin als
Vorstandsvorsitzende des Registers. „Anders ausgedrückt: In jeder
Schulklasse sitzt mindestens ein Kind, das mit Hilfe dieser Methoden
entstanden ist.“
Ähnlich wie im „richtigen Leben“ klappt es auch mit medizinischer
Unterstützung nicht immer beim ersten Versuch, eine Schwangerschaft zu
erzielen. Bei ca. 116.000 Behandlungszyklen im Jahr 2019 resultierte bei
den Frischzyklen in jedem dritten Fall (32,7 %) eine Schwangerschaft, wenn
ein Embryo entstand und auf die Frau übertragen wurde. In jedem fünften
Fall (19,0 %) kam es bei der Übertragung dieser „frischen“ Embryonen zur
Geburt.
Auf Eis gelegt – im positiven Sinn und mit viel Erfolg
Eine zusätzliche Chance bietet der Transfer in Auftau-Zyklen: Wenn viele
Eizellen herangereift sind, können „Präembryonen“ (Eizellen, in die eine
Samenzelle eingedrungen ist, die aber noch nicht befruchtet sind)
eingefroren und in einem späteren Zyklus aufgetaut eingesetzt werden. Hier
liegt die Geburtenrate pro Transfer mittlerweile auf dem Niveau der
Frischzyklen (19,2 %).
Der Vorteil für die Patientin: Sie erspart sich eine erneute
Hormonbehandlung samt Gewinnung von Eizellen und hat bereits nach kurzer
Zeit wieder die Chance, mit den aufgetauten Embryonen schwanger zu werden.
Die stetig wachsende Anzahl dieser Auftauzyklen geht auch auf das
Bestreben der Reproduktionsmediziner zurück, pro Zyklus möglichst nur
einen Embryo zu übertragen und so die Mehrlingsrate zu senken. Mehrlinge
bergen nicht unerhebliche Risiken für Mutter und Kind: schwierigere
Schwangerschaften und Geburten sowie höhere Frühgeburtlichkeit.
Insgesamt sinken die Mehrlingsraten sinken langsam aber sicher, von 21,3 %
im Jahr 2017 auf jetzt 17,8 % in Frischzyklen (Auftauzyklen 13 %). Das
Ziel der Reproduktionsmediziner ist eine weitere Reduktion durch den
gezielten Transfer eines einzigen Embryos (Single Embryo Transfer) mit
hohem Entwicklungspotenzial.
* Der 9. Kongress des Dachverbandes Reproduktionsbiologie und –medizin
(DVR) vereint zwölf Mitgliedsgesellschaften. Sie stellten vom 1. bis 2.
Oktober alle neuen klinischen und wissenschaftlichen Aspekte der
Fortpflanzung “unter einem Dach” virtuell zur Diskussion.
Dr. Renate Leinmüller
https://www.dvr-kongress.de/pr