Unstatistik des Monats: Dritte Covid-19-Impfung – Ein kleiner Boost
Die Unstatistik des Monats September ist eine in den sozialen Medien
diskutierte Studie, die sich mit der Wirksamkeit einer dritten
(Booster-)Covid-19-Impfung mit dem Pfizer-BioNTech-Impfstoff beschäftigt.
In der Studie werden jedoch keine absoluten Zahlen, sondern nur relative
Zahlen zum Effekt der dritten Impfung genannt. Bei genauerer Betrachtung
der absoluten Zahlen zeigt sich, dass eine dritte Impfung die bereits
beachtlich hohe Wirkung der ersten beiden Impfungen noch etwas verstärkt,
aber dieser zusätzliche Effekt nicht so groß ist wie es die relativen
Zahlen erscheinen lassen.
Im September wurde in den sozialen Medien eine im „New England Journal of
Medicine“ veröffentlichte Studie zur Wirksamkeit einer dritten
(Booster-)Covid-19-Impfung mit dem Pfizer-BioNTech-Impfstoff auf Basis von
mehr als einer Million Beobachtungen von Personen im Alter 60+ in Israel
diskutiert. So schreibt Karl Lauterbach in seinem Facebook-Account am 12.
September: „Die Wirkung der 3. BionTech Impfung fällt deutlich stärker aus
als von vielen Experten erwartet. Mehr als 10-facher Schutz gegen
Infektion oder schwere Krankheit.“ Also könnte man meinen, dass der
zusätzliche Schutz der dritten Impfung ein Zehnfaches des schon
bestehenden Schutzes sei. Hier liegt jedoch ein Klassiker der
Fehlinterpretation von relativen Risiken vor.
Was hat die Studie gefunden (wir beziehen uns auf die veröffentlichten
Ergebnisse – im Netz kursiert eine Tabelle mit weniger Beobachtungen)? Das
relative Risiko sich zu infizieren, gemessen in Fällen pro Personentagen
unter Risiko, hat sich um ca. den Faktor 11 und das relative Risiko schwer
zu erkranken sogar um den Faktor 20 verringert. Grob gerundet heißt das
auf Grundlage der veröffentlichten Daten:
• Mit zwei Impfdosen lag das Risiko einer Infektion bei rund 85
Fällen je 100.000 Personentage und mit drei Dosen bei rund 8 Fällen je
100.000 Personentage.
• Mit zwei Impfdosen lag das Risiko einer schweren Erkrankung bei
rund 6 Fällen je 100.000 Personentagen und mit drei Dosen bei rund 0,3
Fällen je 100.000 Personentagen.
Eine Senkung des relativen Risikos ist jedoch nicht gleichzusetzen mit
einer gleich hohen Erhöhung des Impfschutzes. Um diese "Umrechnung" zu
vollziehen, ist es wichtig zu verstehen, dass Personentage nicht gleich
Personen sind. Also brauchen wir die Personen unter Risiko.
Angenommen, man betrachtet jeweils 10.000 Personen über 30 Tage (der
Zeitraum der Studie). Das ergibt 300.000 Personentage.
• Mit zwei Impfdosen erwartet man 255 Infektionen, mit drei Dosen 24
Infektionen.
• Mit zwei Impfdosen erwartet man 18 schwere Fälle, mit drei Dosen 2
schwere Fälle.
D.h. die Wahrscheinlichkeit, sich NICHT zu infizieren, steigt mit der
dritten Dosis von 9745/10.000 auf 9976/10.000; das ist eine Erhöhung des
Schutzes um knapp über 2 Prozentpunkte. Die Wahrscheinlichkeit, NICHT
schwer zu erkranken, steigt mit der dritten Dosis von 9982/10000 auf
9998/10000; das ist eine Erhöhung des Schutzes um knapp 0,2 Prozentpunkte.
Fazit: Bereits in der Zusammenfassung der Studie im „New England Journal
of Medicine“ werden keine absoluten Zahlen, sondern nur relative Zahlen
zum Effekt der dritten Impfung genannt. Dies, obgleich sich medizinische
Zeitschriften den sogenannten CONSORT-Regeln verpflichtet haben, immer
beides – relative und absolute Effekte – zu berichten. Relative Zahlen
sind beeindruckend groß, während die absoluten Zahlen klar zeigen, dass
eine dritte Impfung die bereits beachtlich hohe Wirkung der ersten beiden
Impfungen noch etwas verstärkt, aber dieser zusätzliche Effekt ist nicht
so groß ist wie es die relativen Zahlen erscheinen lassen.