Angehörigenbesuche im Krankenhaus in der Pandemie: Neues Positionspapier gibt Orientierung
Die Sektionen Ethik sowie Psychologische Versorgungsstrukturen in der
Intensivmedizin der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-
und Notfallmedizin (DIVI) haben gemeinsam ein Positionspapier
veröffentlicht, das Krankenhäusern ab sofort eine Hilfestellung gibt, wie
Angehörigenbesuche strukturiert und pandemiekonform ermöglicht werden
können. Denn schon jetzt verhängen viele wieder striktere Besuchsregeln.
„Natürlich erfordert die Pandemie notwendige Einschränkungen. Dies darf
aber keinesfalls zu einer Isolation von Patientinnen und Patienten
führen“, erklärt Dr. Teresa Deffner, Mitautorin und Präsidiumsmitglied der
DIVI sowie Psychologin in der Klinik für Anästhesiologie und
Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena.
Fehlender Besuch wirkt sich negativ auf die Genesung der Patienten aus –
dies zeigt sich in der intensivmedizinischen Behandlung ganz konkret.
Aktuelle Studien belegen, dass reduzierter Angehörigenkontakt zum Beispiel
mit einem erhöhten Delirrisiko bei Patienten einhergeht und damit den
Genesungsprozess verzögert.
Besuchsverbote stellen nicht nur für die Patienten eine große Belastung
dar, sondern haben auch gravierende Folgen für die Angehörigen und können
zu komplizierten Trauerreaktionen führen, beispielsweise wenn Angehörige
sich nicht durch persönliche Begleitung von sterbenden Patienten
verabschieden konnten. Auch für das Personal stellen strenge
Besuchseinschränkungen eine erhebliche Belastung dar, vor allem wenn
Patienten ohne Angehörigenkontakt sterben müssen.
Positionspapier bündelt transparent und klar die notwendigen Regeln
Die Autoren fordern daher, dass Krankenhäuser verbindlich Konzepte
vorlegen und umsetzen, die die außerordentliche Relevanz von
Angehörigenbesuchen berücksichtigen und dementsprechend notwendige
personelle und materielle Ressourcen zur Umsetzung eines patienten- und
angehörigenfreundlichen Besuchskonzeptes bereitgestellt werden. „Im
innerklinischen Pandemiemanagement ist das Thema Besucherregelung sehr
wichtig und gehört immer auf die Tagesordnung bei den Entscheidungsträgern
in den Krisenstäben, damit man stets die zum aktuellen Zeitpunkt
besucherfreundlichste Regelung erarbeiten und umsetzen kann“, bringt Dr.
Gerald Neitzke, Medizinethiker an der Medizinischen Hochschule Hannover
und Mitautor des Positionspapiers das Anliegen des Positionspapiers auf
den Punkt.
Die beiden DIVI-Sektionen bündeln dafür notwendige Neureglungen.
Angehörigenbesuche werden als ein Grundrecht verstanden und sind
integraler Bestandteil der Patientenbehandlung, insbesondere auf
Intensivstationen, aber auch in anderen Krankenhausbereichen. Besuche
unter Pandemiebedingungen sollten durch Terminmanagement gefördert werden.
Zu den wichtigen Aufgaben eines Krankenhauses gehört die Priorisierung von
Besuchern sowie eine patientenorientierte Besuchszeitengestaltung, statt
einer starren Einheitsregelung. Die Begleitung von Angehörigen, das
Angebot und die Durchführung von Videobesuchen sollen umgesetzt werden.
Dies bedeutet auch, das Abschiednehmen von sterbenden und verstorbenen
Patienten generell zu ermöglichen.
Angehörigenbesuche als Teil der Patientenbehandlung verstehen
In der Konsequenz bedeutet die Umsetzung eines gut ausgearbeiteten und an
die aktuellen Regelungen adaptierten Besuchskonzeptes minimale
Einschränkungen für die Patienten und Angehörigen sowie Entlastung für das
Personal. „Die Einschränkungen von Besuchen müssen zudem regelmäßig auf
das aktuelle Infektionsrisiko abgestimmt werden“, weist Deffner hin. „Das
heißt: Sobald ein Beschränkungsgrund wegfällt, zum Beispiel durch Impfung,
sind Einschränkungen sofort wieder zu lockern.“
Das Positionspapier der Sektionen Ethik und Psychologische
Versorgungsstrukturen in der Intensivmedizin der DIVI steht auf
www.divi.de open access zur Verfügung.