Ganz genau: Präzision für die Energiewende


Wie die Forschungsgruppe Photovoltaik der Hochschule Coburg erneuerbare
Energien mit genauer Messtechnik unterstützt.
Minimale Abweichungen sind ok. „Aber wenn wir einen Liter Milch kaufen“,
sagt Prof. Dr. Bernd Hüttl, „erwarten wir auch einen Liter.“ Nicht ein
Tässchen mehr oder weniger. Der Professor für erneuerbare Energien der
Hochschule Coburg versteht, dass die Kundschaft es genau nimmt. „Und bei
der Photovoltaik wollen die Kunden eben genau wissen, wieviel Strom eine
Anlage produziert. Die Banken als Geldgeber wollen es wissen.“ Die
Hersteller würden es also gern exakt angeben, aber das ist nicht ganz
einfach: Elektrische Parameter können zwar im Labor präzise gemessen
werden, aber draußen verändern Wind und Wetter ständig die Bedingungen. Um
solche Einflüsse wissenschaftlich zu untersuchen, betreibt die Hochschule
Coburg ein Freiluftlabor auf dem Dach. Das Bundesforschungsministerium
fördert das Projekt PV-FeldLab unter anderem mit dem Ziel, eine neue
Messtechnik zu entwickeln.
Diffuse Strahlung
Das Leistungsverhalten und der Ertrag der Photovoltaik-Anlagen im so
genannten Freifeld sollen damit genauso gut analysiert werden können wie
im Labor. An dem Projekt arbeiten auch Studierende wie Tamara Beck mit:
„Die natürliche Sonnenstrahlung besteht aus direkter, aber auch aus
diffuser Strahlung“, erklärt sie. Diffuse Strahlung entsteht durch
Streuung an Dunst oder Wolken. Sie dringt schlechter in die Solarmodule
ein und reduziert etwas deren Wirkungsgrad, also die Effektivität. „Das
muss bei Außenmessungen im Vergleich zu Laborbedingungen berücksichtigt
werden.“ In ihrer Bachelorarbeit im Studiengang Energietechnik und
Erneuerbare Energien hat Beck analysiert, wie stark die Reduktion der
Effizienz bei natürlicher Solarstrahlung tatsächlich ist. „Das wurde
erstmals untersucht.“ Hüttl freut sich, dass die Studentin mit den
Messergebnissen auf dem Hochschuldach einen mathematischen Faktor bestimmt
hat: Er zeigt, wie sich bei klarem Himmel die Energieausbeute einer
Photovoltaikanlage durch die diffuse Strahlung reduziert – im Vergleich
zur direkten Strahlung unter Laborbedingungen.
Coburg bei der europäischen Photovoltaikkonferenz
Becks Arbeit trägt zur exakten Kalibrierung der Photovoltaikmodule bei und
fließt in eine größere Arbeit der Hochschule Coburg ein: Darwin Daume baut
das Gesamtsystem zur Messung der elektrischen Leistung von
Photovoltaikkraftwerken auf. Der Student hat bereits seinen Bachelor hier
absolviert und schreibt nun seine Masterarbeit in Elektro- und
Informationstechnik. Daume fügt verschiedene Methoden der
Photovoltaikanalyse zu einem neuen Gesamtkonzept zusammen. Gemeinsam mit
ihrem Professor präsentieren die Studierenden ihre Ergebnisse bei der
EUPVSEC, der größten internationalen Photovoltaik-Konferenz Europas, die
jedes Jahr im Herbst stattfindet. „In diesem Jahr leider nicht in
Lissabon sondern nur online“, bedauert Hüttl. Er legt auch als Dekan der
Fakultät Elektrotechnik und Informatik Wert darauf, dass die Studierenden
möglichst viele, spannende Aspekte der Praxis kennen lernen. Im Oktober
startet das neue Semester, und wie in den vielen anderen Studiengängen
können sich Interessenten für Elektro- und Informationstechnik und für
Energietechnik und Erneuerbare Energien im September noch bei der
Hochschule Coburg bewerben. Tamara Beck fängt jetzt als Masterandin an.
Darwin Daume arbeitet weiter am Messsystem.
Exakte Messung – weniger Ausfälle
„Die Genauigkeit der elektrischen Leistungsbestimmungen hat sich ja schon
deutlich verbessert“, sagt Hüttl. Als er 2008 anfing, sich mit
Photovoltaik zu beschäftigen, wurde die Leistung mit plus/minus fünf
Prozent angegeben. Beim Liter Milch wären das 50 Milliliter mögliche
Abweichung. Bei der Photovoltaik konnte die Messunsicherheit inzwischen
auf etwa 1,5 Prozent gesenkt werden. „Unser neues Messverfahren wird auch
helfen, die Standardisierung von Freifeldmessungen weiterzuentwickeln.“
Kommendes Jahr werde die neue Messmethode gemeinsam mit den Firmen IBC
Solar und smart blue im Feld getestet. Alterungen und Fehler der
Solarmodule sollen damit in Photovoltaik-Kraftwerken lokalisiert und
Fehlertypen identifiziert werden, so dass die Betreiber eventuelle
Ausfälle schnell erkennen oder sogar vorher vermeiden können.