Neues FH-Zertifikat: Musikalische Bildung für die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen


Seit dem Sommersemester 2019 bietet Prof. Dr. Juliane Gerland den
Qualifizierungsbereich „Musikalische Bildung“ für Bachelorstudierende am
Fachbereich Sozialwesen der FH Bielefeld an. Absolventin Rabea Beier hat
auf diese Weise gelernt, wie sich Musik in der Sozialen Arbeit einsetzen
lässt.
Bielefeld (fhb). Vier Schläge auf der Bongo geben kurz den Takt vor und
schon erklingt der gesamte Raum: Congas, Rasseln, Schellenkränze, Cajons.
Sie alle spielen im gleichen Rhythmus – und das durch ganz einfache
Bewegungen! Im ganzen Körper sind die Trommelschläge zu spüren, die Klänge
dröhnen im Ohr, der Fuß wippt im Takt mit.
Oft mit einfachen Mitteln und ohne viele Vorkenntnisse ist gemeinsames
Musikmachen möglich. Dafür muss nicht einmal die gleiche Sprache
gesprochen werden oder die gleichen körperlichen Voraussetzungen
herrschen. Ob in der Jugendarbeit, in einer Einrichtung für Menschen mit
Behinderung, der Kita oder bei der Arbeit mit Geflüchteten – Musik
verbindet Menschen, sie berührt und bewegt. Genau aus diesem Grund wird
musikalische Bildung in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen eingesetzt.
Auch Rabea Beier hat bereits während ihres Freiwilligen Sozialen Jahrs an
einer Grundschule Musikangebote in den Schulalltag der Kinder integriert.
Sie gehört zu den Studierenden des Fachbereichs Sozialwesen der
Fachhochschule (FH) Bielefeld, die sich für den neuen
Qualifizierungsbereich „Musikalische Bildung“ entschieden haben. Jetzt –
gut zweieinhalb Jahre später – ist sie die erste Absolventin, der Prof.
Dr. Juliane Gerland, Leiterin des Qualifizierungsbereichs, ihr Zertifikat
überreichen kann.
„Ich interessiere mich schon lange für Musik und hatte auch mal darüber
nachgedacht, ein Musikstudium zu beginnen“, erzählt die
Bachelorabsolventin des Studiengangs Soziale Arbeit, die mit acht Jahren
begonnen hat, Harfe zu lernen. „Mich hat es sehr gereizt, mich in dem
Qualifizierungsbereich intensiv mit dem Thema musikalische Bildung
auseinanderzusetzen und dafür am Ende auch ein Zertifikat zu erhalten.“
Methodischer Einsatz von Musik in der Praxis
Die Studierenden belegen in dem Qualifizierungsbereich unterschiedliche
musikbezogene Seminare. „Die Kurse vermitteln sowohl Wissen als auch
Kompetenzen für die musikalisch-künstlerische Praxis. Dazu zählt etwa der
methodische Einsatz von Musik oder was es eigentlich bedeutet, wenn
Menschen Musik erleben und darüber in Interaktion kommen,“ erläutert
Professorin Gerland.
Bei all dem lernen die Studierenden auch etwas über sich selbst: „Eine
sehr wichtige Kompetenz, da sie auf die Fähigkeit zur Selbstreflexion auch
in ihrem späteren Berufsleben angewiesen sind“, so Gerland. Sie selbst kam
2018 als Professorin für das Lehrgebiet „Musik in kindheitspädagogischen
und sozialen Handlungsfeldern“ an die FH Bielefeld. Ein Jahr später
startete dann der neue Qualifizierungsbereich unter ihrer Leitung.
Gruppenimprovisation und Drum Circle
Die Lehrenden des Fachbereichs Sozialwesen vermitteln den Studierenden
Methoden, die sie in der Praxis anwenden können: wie zum Beispiel
Spielvorschläge für eine Gruppenimprovisation oder wie ein Drum Circle
funktioniert. Nach und nach können die Studierenden sich ein Repertoire an
Musikstücken und Methoden für ihre eigene Praxis zusammenstellen.
Dabei ist es nicht notwendig, dass die Studierenden Noten lesen können
oder wie Rabea Beier bereits ein Instrument spielen. „Das, weswegen wir
Musik für die Soziale Arbeit und die Kindheitspädagogik einsetzen, lässt
sich sowieso nicht vollständig aus Noten herauslesen. Übrigens ist
Notenlesen gar kein Hexenwerk. Wer das lernen will, kann das in kurzer
Zeit erreichen“, betont Gerland.
Unterschiedliche Instrumente ausprobieren
„Die Studierenden müssen allerdings die Bereitschaft mitbringen, sich im
Laufe des Studiums an unterschiedlichen Instrumenten und der Stimme
auszuprobieren“, sagt Gerland. „Wir haben an der FH viele
Musikinstrumente, die einen niedrigschwelligen Zugang bieten. Genau solche
Instrumente kommen auch später in der Berufspraxis zum Einsatz.“ Die
Professorin freut sich natürlich auch über alle erfahrenen Musikerinnen
und Musiker: „Wenn jemand schon sehr versiert am Instrument ist, ist das
natürlich musikalisch sehr reizvoll und für die Seminargruppe richtig
klasse.“
Spannende Option in den Studiengängen Soziale Arbeit und Pädagogik der
Kindheit
Anders als die obligatorische Profilbildung zum Abschluss des Studiums
sind die Qualifizierungsbereiche für die Bachelorstudiengänge Soziale
Arbeit und Pädagogik der Kindheit optional. Gerland: „Ein
Qualifizierungsbereich bietet die Möglichkeit, sich einerseits fachlich zu
profilieren, andererseits erlangen die Studierenden hier noch mehr
Kompetenzen als im regulären Studium. Natürlich bedeutet so ein Zertifikat
für die Studierenden auch mehr Aufwand, das sollte jedem im Vorfeld
bewusst sein.“
Auch Studentin Beier hat während ihres Studiums festgestellt, dass ein
gewisses Maß an Selbstorganisation dazu gehört, das „normale“ Studium mit
dem Qualifizierungsbereich zeitlich zu vereinbaren. Da hilft der Austausch
mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen. „Ich habe den Eindruck, dass
sich der neue Qualifizierungsbereich langsam aber sicher herumgesprochen
hat. Die Kommunikation unter den Studierenden trägt sehr dazu bei, den
Organisationsaufwand zu bewältigen“, so die Einschätzung der 23-Jährigen.
Zusätzlich arbeitete Beier auch als Tutorin in Kursen des
Qualifizierungsbereiches und half so den Studierenden in den unteren
Semestern.
Nah an den Forschungsthemen des Fachbereichs
Zwar ist es weit verbreitet, dass bei Studiengängen im Sozialwesen ein
künstlerischer oder musikalischer Schwerpunkt gelegt werden kann, ein
extra Zertifikat zum Abschluss ist dennoch eine Besonderheit. Auch die
enge Verknüpfung mit der Forschung ist Professorin Gerland ein Anliegen.
Sie selbst forscht aktuell im Bereich Teilhabe an musikalischer Bildung
für Jugendliche und junge Erwachsene mit komplexer Behinderung. „Hier
untersuchen wir, inwieweit Apps und andere digitale Musiziermöglichkeiten
Teilhabechancen verbessern können“, berichtet Gerland.
Publikation in wissenschaftlicher Fachzeitschrift
Für Rabea Beier hat sich aus dem Projekt ihrer Bachelorarbeit die
Möglichkeit ergeben, in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift zu
publizieren. Sie und die Professorin stehen dafür nun über den Abschluss
hinaus weiterhin in Kontakt.
„In dem Feld, das Rabea Beier erforscht hat, gibt es noch einige Lücken.
Ihre Forschungsergebnisse sind daher enorm wertvoll“, sagt Gerland. Für
ihre Bachelorarbeit hat Beier das gemeinsame Musizieren einer Mutter mit
ihrem sechsjährigen Sohn, der mit einer Mehrfachbehinderung lebt,
untersucht. Der Kontakt zu der Familie kam über ein Praktikum bei einem
familienunterstützenden Dienst in Bielefeld zustande.
Die Absolventin der Sozialen Arbeit will sich nun genau in dem Feld
weiterentwickeln. Im Wintersemester beginnt sie einen berufsbegleitenden
Master in Musiktherapie in Friedensau, Sachsen-Anhalt. Nebenbei wird sie
in einer Kindertagesstätte arbeiten, in der Kinder mit und ohne
Behinderung gemeinsam betreut werden. „Und ganz passend hat die Kita einen
künstlerisch-musikalischen Schwerpunkt“, freut sich Beier.
Beispiele für Projekte im Qualifizierungsbereich Musikalische Bildung
• Musik zur Unterstützung von Familien mit Kindern mit Behinderung
im Hinblick auf die Ressource der Bindungsstärke
• Musik und immersiver Spracherwerb
• Musikpraxis in der Kinder- und Jugendhospizarbeit
• Entwicklung eines Mini-Musicals in der Kindertageseinrichtung
EffHa
• Musizieren mit Apps in der Kindheit
• Künstlerische Kommunikation mit Menschen mit Behinderung
• Musik und Tanz in der Offenen Ganztagsschule