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Neues Tool zur Sicherheitsbewertung von Städten: Ergebnisse des Forschungsprojekts Stadtsicherheit-3D

Berechnungsergebnisse zur Sichtbarkeit am Alexanderplatz in der Online-Anwendung  © Fraunhofer EMI
Berechnungsergebnisse zur Sichtbarkeit am Alexanderplatz in der Online-Anwendung © Fraunhofer EMI
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Berechnungsergebnisse zur Sichtbarkeit am Alexanderplatz in der Online-Anwendung  © Fraunhofer EMI
Berechnungsergebnisse zur Sichtbarkeit am Alexanderplatz in der Online-Anwendung © Fraunhofer EMI

Die Bewertung und die Verbesserung des Sicherheitsempfindens der in
Städten lebenden Bevölkerung waren die zentralen Zielstellungen des
kürzlich abgeschlossenen Projekts Stadtsicherheit-3D. Es lief von März
2018 bis Mai 2021 und wurde im Zuge der Bekanntmachung „Zukünftige
Sicherheit in Urbanen Räumen“ des Bundesministeriums für Bildung und
Forschung im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“
gefördert (www.sifo.de). Ergebnisse des Projektes sind unter anderem eine
online unterstützte Software und ein Handlungsleitfaden als
Entscheidungshilfen für räumliche Sicherheitsbewertungen.

Die Wahrnehmung öffentlicher Räume als „sicher“ oder „unsicher” ist von
vielfältigen und oftmals individuellen Aspekten abhängig. Dies können
gestalterische, sozialräumliche oder baulich-räumliche Faktoren sein,
welche die Sicherheitswahrnehmung verschiedener Personengruppen direkt
oder indirekt beeinträchtigen. Zur Bewertung und Verbesserung dieses
Sicherheitsgefühls sind Orte zu identifizieren, die (potenziell)
beunruhigend wirken. Im Projekt Stadtsicherheit-3D wurde dazu ein
Softwaretool entwickelt, welches auf vorhandene dreidimensionale
Stadtmodelle angewandt wird. Für die Bewertung von Räumen und zur
Entwicklung des Tools wurden exemplarisch drei Fallstudiengebiete in
Berlin herangezogen.

Faktoren für die Wahrnehmung von Unsicherheit

Der Schwerpunkt des Projekts lag auf der Lokalisierung von Orten, die
subjektiv als dunkel, nicht einsehbar und nicht hörbar wahrgenommen
werden. Ein Katalog typischer baulich-räumlicher, planerischer sowie
sozialer Faktoren wurde entwickelt, der mögliche Gründe für Sicherheits-
beziehungsweise Unsicherheitswahrnehmungen bei Bürger:innen in urbanen
Räumen identifiziert und operationalisiert. Die Erfahrungen von
recherchierten Best-Practice-Beispielen und die Ergebnisse von konkreten
Vor-Ort-Messungen in drei Fallstudiengebieten in Berlin flossen in die
Erstellung von Algorithmen einer software-gestützten Planungshilfe ein,
welche auf vorhandene dreidimensionale Stadtmodelle angewandt werden kann.

Tool als Planungs- und Gestaltungshilfe

Erstmals wurde damit ein auf digitalen Daten basierendes Softwaretool
entwickelt, mit dessen Hilfe Sicherheitsbewertungen bezüglich des
subjektiven Sicherheitsempfindens systematisch und empirisch basiert
vorgenommen werden können. Das Tool hilft somit insbesondere
Stadtplaner:innen sowie Sicherheitsexpert:innen bei der Gestaltung von
mehr Sicherheit in urbanen Räumen und lässt sich zudem in partizipativen
Entscheidungsprozessen einsetzen.

Begehungen mit Betroffenen

In drei Berliner Fallstudiengebieten, welche funktionell, strukturell und
städtebaulich sehr unterschiedlich geprägt, europaweit jedoch
repräsentativ sind, wurden Begehungen mit Anwohner:innen und
Besucher:innen durchgeführt: auf dem Alexanderplatz, in der High-Deck-
Siedlung in Berlin-Neukölln und in einem innerstädtischen Wohnviertel in
Moabit West. Die Befragten machten Angaben darüber, an welchen Orten oder
Plätzen sie sich durch mangelhafte Beleuchtungen, eingeschränkte
Sichtbarkeiten oder schlechte Hörbarkeit unsicher fühlen. Die genannten
Orte wurden fotografiert und zusammen mit Messungen zu Helligkeit, Lärm
und Entfernung in sogenannten Hybrid Maps dokumentiert.

Beispiel Sichtbarkeit

Zur Sichtbarkeitsberechnung kann im 3D-Modell ein beliebiger Raum
ausgewählt werden, für den die Analyse mit dem genannten Tool durchgeführt
werden soll. Der ausgewählte Raum wird dann automatisiert mittels eines
Gitters in kleine Elemente unterteilt. Dann werden die
Sichtbarkeitspolygone für jeden Mittelpunkt des jeweiligen Elements
bestimmt. Für jeden Punkt auf der Karte wird die Anzahl der Elemente
ermittelt, welche diesen Punkt sehen. Im Ergebnis visualisiert die
Simulation unterschiedliche Sichtbarkeits-Niveaus des gewählten Raums
durch unterschiedlich farbige Flächen.

Tool für Sicherheitsbewertungen

Für den praktikablen Einsatz der im Projekt entwickelten Analyse- und
Berechnungsverfahren durch Stadtplaner:innen, Expert:innen aus dem Bereich
Kriminalprävention oder Behörden und Organisationen mit
Sicherheitsaufgaben wurde auf Grundlage einer bewährten Programmoberfläche
(VC Map) ein Planungstool als Online-Anwendung entwickelt. Es ermöglicht
das Navigieren in detaillierten 3D-Stadtmodellen und bietet die
Möglichkeit, die Hörbarkeit und Sichtbarkeit von Orten zu simulieren,
Planungsalternativen zu analysieren und sozialräumliche Aspekte der
Sicherheitswahrnehmung zu dokumentieren. Mit der Anwendung ist nicht nur
ein Demonstrator für die Sicherheitsbewertungen im urbanen Raum
entstanden, sondern auch ein neues Werkzeug, das sich in bestehende
Anwendungen integrieren lässt.

Die subjektive Sicherheitswahrnehmung im Blick

Der aktuell erschienene Handlungsleitfaden „Stadtsicherheit-3D. Die
subjektive Sicherheitswahrnehmung im Blick“ fasst die Ergebnisse kurz
zusammen und zieht als Fazit eine Reihe von Handlungsempfehlungen, die
sich an verschiedene Akteursgruppen richten. Er steht auf der Webseite des
Projekts (www.stadtsicherheit-3d.de) zum Download zur Verfügung.

Intensiver Praxisdialog

Das Projekt Stadtsicherheit-3D war inter- und transdisziplinär angelegt,
basierend auf einem intensiven Praxisdialog mit Sicherheits- und
Planungsexpert:innen sowie Bürger:innen, deren Kenntnisse und Erfahrungen
im Rahmen von knapp 100 Interviews, zahlreichen Workshops und Praxistests,
einer online-Befragung und der genannten Vor-Ort-Begehungen eine wichtige
Grundlage für die Projektarbeit gebildet haben. Zudem haben vier
Unternehmen bzw. Organisationen das Projekt intensiv als Praxispartner
begleitet: Weeber+Partner, Institut für Stadtplanung und Sozialforschung
aus Berlin, u.a. mit dem Quartiersmanagement High-Deck-Siedlung in
Neukölln, die S.T.E.R.N. GmbH aus Berlin mit dem Quartiersmanagement
Moabit West, die Zentralstelle für Prävention am Landeskriminalamt Berlin
und das DPT-Institut für angewandte Präventionsforschung (DPT-I) des
Deutschen Präventionstags aus Hannover. Am Forschungskonsortium waren
neben dem Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut,
EMI aus Freiburg als Konsortialleiter, das Leibniz-Institut für
Raumbezogene Sozialforschung e. V. (IRS) aus Erkner, die Virtual City
Systems GmbH aus Berlin und das inter 3 Institut für Ressourcenmanagement
(ebenfalls aus Berlin) beteiligt.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI/ Am
Klingelberg 1/ 79588 Efringen-Kirchen/ Jörg Finger/ Telefon +49 7628
9050-782/ Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Originalpublikation:
Forschungsverbund Stadtsicherheit-3D – Bewertung und Verbesserung der
urbanen Sicherheit mithilfe von semantischen 3D-Stadtmodellen (Hg.)
(2021): Stadtsicherheit-3D. Die subjektive Sicherheitswahrnehmung im
Blick: ein Handlungsleitfaden für Sicherheitsbewertungen mittels einer 3D-
Planungshilfe. Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-
Institut, EMI. Freiburg.