Wissenschaftler sieht Wiederaufbau im Ahrtal vor Herausforderungen
Seit den 1980er Jahren forscht Prof. Dr. Wolfgang Büchs, Biologie und
Gastprofessor an der Universität Hildesheim, im Mittleren Ahrtal. Er ist
Hauptautor einer dreibändigen Monographie über die Region in Rheinland-
Pfalz, die von der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 mit am stärksten
betroffen ist. Und er sagt nun: „Ohne gravierende bauliche Eingriffe zum
Schutz vor Hochwasser halte ich eine Wiederbesiedlung des Ahrtals für sehr
schwer“.
Im Ahrtal kam einiges zusammen: Neben den geologischen und morphologischen
Gegebenheiten der von engen Kerbtälern durchzogenen Landschaft hat der
auch menschliche Einfluss zum Ausmaß der jüngsten Hochwasserkatastrophe
beigetragen, fasst Biologe Wolfgang Büchs zusammen. Und nicht zuletzt
spielt dabei der Klimawandel eine entscheidende Rolle. „Hochwasser im
Ahrtal hat es schon immer gegeben, aber die rezente Flutkatastrophe
schlägt alles, was wir aus den Geschichtsbüchern kennen.“
Besiedlung, Versieglung, Flurbereinigung und Flussbegradigungen haben die
extremen Folgen des regionalen Starkregens begünstigt, urteilt der
Wissenschaftler, der sich mit der landschaftlichen Historie des Ahrtals
intensiv beschäftigt hat. Zugleich fehlen technische und bauliche
Schutzmaßnahmen, wie sie heute in anderen Regionen – beispielsweise im
Harz - üblich sind. „Den Bau von Regenwasserrückhaltebecken im Bereich der
Nebenbäche hatte man im Ahrtal schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts
geplant, hat sich dann aber entschlossen, stattdessen den Nürburgring zu
bauen, um die regionale Wirtschaft zu stärken.“
Nun, 100 Jahre später, zeige sich, dass Renaturierung und Wiederbewaldung
– eigentlich die ökologisch verträglicheren Formen des Hochwasserschutzes
– in diesem speziellen Umfeld nicht ausreichen. Das Fazit des Biologen:
Ein Wiederaufbau und womöglich gar Ausbau der Besiedlung der Talsohlen im
Ahrtal ist ohne gleichzeitige bauliche Maßnahmen zum Hochwasserschutz
hochgradig riskant. Und auch in anderen Regionen in Deutschland müssen
Bauvorhaben in Tälern und Flussniederungen vor dem Hintergrund des
Klimawandels Baugebiete künftig anders bewertet werden: „Wir müssen uns
darauf einstellen, bestimmte Siedlungsstandort in Deutschland aufzugeben.“
Ein Podcast-Gespräch mit dem Biologen und Hildesheimer Gastprofessor Prof.
Dr. Wolfgang Büchs können Sie hier nachhören
https://www.uni-
hildesheim.de/media/presse/Vid
HINWEIS: Nach Aufzeichnung des Gesprächs wurde bekannt, dass der
Pegelmesser bei Altenahr bei einem Pegelstand von 5,72 Meter durch die
Flut abgerissen wurde – das war bisher noch nie vorgekommen – und daher
der tatsächliche Pegelstand deutlich höher gewesen sein dürfte -
Berechnungen zufolge bei rund sieben Metern.