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Keynote-Lecture Natalie van der Velde: Falls in older persons – does medication play a role?

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Stürze sind die Hauptursache für Verletzungen und verletzungsbedingte
Todesfälle bei älteren Menschen – maßgeblichen Anteil daran haben auch
Nebenwirkungen bestimmter Medikamente: Rund 90 Prozent aller Sturz-
Patienten nehmen sogenannte „Fall risk increasing drugs“, kurz FRIDs, ein,
die zum Beispiel zur Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen oder
Depressionen verschrieben wurden. Die Gründe dafür, warum FRIDs im
klinischen Alltag dennoch zu selten abgesetzt bzw. ihre Einnahme nicht
modifiziert wird, sind vielfältig: Zum Beispiel Unwissenheit über FRIDs
sowie die Neigung, positive Effekte bei Medikamenten zu überschätzen, aber
auch negative Effekte zu unterschätzen.

Und vor allem: fehlende Leitlinien zu diesem Thema. Zudem sind
medikamentöse Nebenwirkungen höchst individuell. Klare und strukturierte
Guidelines und Vorhersagemodelle für den klinischen Alltag zu schaffen,
die sturzgefährdete ältere Menschen identifizieren helfen und individuelle
Sturzprophylaxe ermöglichen – das ist das Forschungsziel von Prof.
Nathalie von der Velde, Geriaterin am Amsterdam University Medical Center
(AMC). Als Leiterin der Task & Finish Group on FRIDs der Europäischen
Gesellschaft für Geriatrische Medizin (EuGMS) hat sie es sich zur Aufgabe
gemacht, diese wichtige Forschung auch europaweit zu fördern, zu
optimieren und zu harmonisieren. Das Deprescribing Tool STOPPFalls, eine
der aktuellen Errungenschaften dieser Forschungsgruppe, kann Geriatern im
Alltag eine wertvolle Entscheidungshilfe zur Medikation von Patienten
bieten. Dieses Tool sowie weitere spannende Resultate und Erfahrungen aus
ihrer Forschungsarbeit wird van der Velde ihm Rahmen ihrer Keynote-Lecture
beim Online-Jahreskongress 2021 der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie
(DGG) vom 2. bis 4. September 2021 vorstellen.

STOPPFalls wurde über einen umfassenden Delphi-Prozess mit europäischen
Expertinnen und Experten erstellt und führte zu einer Liste von 14 FRIDs,
darunter vor allem psychotrope und kardiovaskuläre Medikamente. Außerdem
wurden 18 pharmakologische Unterklassen in Bezug auf sturzrisikoerhöhende
Eigenschaften identifiziert. Um all diese Informationen anwendbar für den
Geriater-Alltag zu machen, hat die Forschergruppe sie online in
Übersichtstabellen zusammengefasst, die mithilfe von Entscheidungsbäumen
pro Medikamentengruppe leicht interpretierbar sind. „Dieses Tool hilft
dabei, ganz individuell bei einem Patienten oder einer Patientin abwägen
zu können, ob ein bestimmtes Medikament abgesetzt werden soll oder nicht.
Es geht also darum, im Hinblick auf die Sturzprophylaxe die sichersten
Medikamente zu wählen“, so van der Velde. Zum Beispiel listet das Tool für
alle Medikamentengruppen auf, welche Symptome das Absetzen veranlassen
sollten und auch, welche Symptome nach dem Absetzen überwacht werden
müssen. Die Auflistung von entsprechenden Leitlinien, evidenzbasierten
Empfehlungen und Literatur-Links untermauert die Aussagen des Tools.

Auch der ältere Mensch muss mit einbezogen werden: Shared decision making

Sehr wichtig sei es, bei der Abwägung und Entscheidungsfindung zur
optimalen Medikation auch die Patienten mit einzubeziehen, denn deren
persönliche Ziele können sehr unterschiedlich sein: Während dem einen
Menschen zum Beispiel die größtmögliche Unabhängigkeit wichtig ist, ist es
für den anderen die Reduktion von Schmerzen. „Wir sollten wirklich
vorsichtig sein, wenn wir Medikamente verschreiben. Tun wir das, weil es
mit dem Ziel des Patienten übereinstimmt, oder tun wir es, weil die
Leitlinien es sagen? Als Geriater sollten wir in meinen Augen mit den
Patienten reden, ihren Kontext berücksichtigen und die
Entscheidungsfindung teilen“, sagt van der Velde. Mit ihrem Forscherteam
möchte sie nun in einem zweiten Schritt die Effektivität der
Sturzprophylaxe durch STOPPFalls bewerten und das Tool validieren,
idealerweise in einer europäischen, multizentrischen und
länderübergreifenden randomisierten kontrollierten Studie.

Über Prof. Nathalie van der Velde

Nathalie van der Velde ist seit 2010 praktizierende Geriaterin und leitete
von Juni 2014 bis Juni 2017 die Geriatrieabteilung des Amsterdam UMC,
Standort Academic Medical Center (AMC). Derzeit ist sie Principal
Investigator und Leiterin der Forschungslinie Falls & Fracture Prevention
am AMC. 2019 wurde sie zur ordentlichen Professorin ernannt. Außerdem ist
sie Co-Vorsitzende des Forschungsprogramms „Aging and Later Life“ der
Amsterdam Public Health Institutions. Seit 2021 ist sie Sprecherin der
Arbeitsgruppe „Falls & Fracture prevention“ der European Geriatric
Medicine Society (EuGMS). Außerdem wurde sie zur Co-Vorsitzenden der Task
Force der World Falls Prevention Guidelines ernannt. Seit 2021 ist sie
auch stellvertretende Herausgeberin einer Fachzeitschrift für
Altersmedizin mit dem Titel Age & Ageing.

Termin

Samstag, 04.09.21, 9:45 Uhr
Referent: Prof. Nathalie van der Velde
Falls in older persons – does medication play a role?
Moderation: Prof. Clemens Becker, Stuttgart