Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2021: Pandemie verzögert Aufschwung - Demografie bremst Wachstum
In ihrem Frühjahrsgutachten prognostizieren die führenden
Wirtschaftsforschungsinstitute einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um
3,7 Prozent im laufenden Jahr und um 3,9 Prozent im Jahr 2022. Der erneute
Shutdown verzögert die wirtschaftliche Erholung, aber sobald die
Infektionsgefahren vor allem durch das Impfen gebannt sein werden, wird
eine kräftige Erholung einsetzen. Etwa zu Beginn des kommenden Jahres
dürfte die Wirtschaft zur Normalauslastung zurückkehren.
„Aufgrund des anhaltenden Shutdowns dürfte die Wirtschaftsleistung im
ersten Quartal um 1,8 Prozent gesunken sein“, sagte Torsten Schmidt,
Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung. Die
neue Infektionswelle und die damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen führen
zu einer Abwärtsrevision der Prognose für das Jahr 2021 um 1 Prozentpunkt
im Vergleich zum Herbstgutachten 2020.
In ihrer Prognose gehen die Institute davon aus, dass der derzeitige
Shutdown zunächst fortgesetzt wird und dabei auch die zuletzt erfolgten
Lockerungen wieder weitgehend zurückgenommen werden. Erneute
Lockerungsschritte werden erst ab Mitte des zweiten Quartals erwartet,
eine Aufhebung der Beschränkungen dann bis zum Ende des dritten Quartals.
„Im Zuge der Lockerungen erwarten wir für das Sommerhalbjahr eine kräftige
Ausweitung der Wirtschaftsaktivität, vor allem bei den von der Pandemie
besonders betroffenen Dienstleistungsbereichen“, so Schmidt.
Angesichts der zu erwartenden Lockerungen dürfte auch die Erholung der
Erwerbstätigkeit im Sommerhalbjahr an Fahrt gewinnen. Im
Jahresdurchschnitt ist für das Jahr 2021 ein Anstieg der Erwerbstätigkeit
um 26.000 Personen zu erwarten. Im kommenden Jahr dürfte der Anstieg
539.000 Personen betragen, wobei das Vorkrisenniveau im ersten Halbjahr
erreicht wird. Im Zuge der Lockerungen der Infektionsschutzmaßnahmen ab
Mai wird auch die Zahl der Arbeitslosen verstärkt zurückgehen.
Die öffentlichen Haushalte dürften im Jahr 2021 ein Defizit aufweisen, das
mit 159 Mrd. Euro noch etwas höher ausfällt als im Jahr zuvor. Zwar nehmen
konjunkturell die Steuereinnahmen bereits wieder zu. Die Ausgaben für
Impfungen und Tests lassen jedoch die sozialen Sachleistungen kräftig
steigen. Die Investitionstätigkeit des Staates dürfte zudem weiter
expandieren, insbesondere aufgrund der verfügbaren Mittel in
Investitionsprogrammen. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt dürfte das
gesamtstaatliche Budgetdefizit im Jahr 2021 mit 4,5 Prozent in etwa
konstant bleiben und im Jahr 2022 deutlich auf 1,6 Prozent zurückgehen.
Die Corona-Pandemie hinterlässt auch Spuren beim Produktionspotenzial.
Nach der aktuellen Schätzung dürfte es in den Jahren 2020 bis 2024
durchschnittlich rund 1,1 Prozent unter dem Niveau liegen, das vor der
Corona-Krise geschätzt wurde. Zudem rücken die Konsequenzen des
demografischen Wandels in Deutschland immer näher. Mit dem Eintritt der
Babyboomer in das Rentenalter wird die Erwerbsbevölkerung in wenigen
Jahren schrumpfen und der Anteil der Älteren deutlich steigen. Die Folgen
für das Potenzialwachstum sind beträchtlich: Bis zum Jahr 2030 muss mit
einer Verringerung der jährlichen Potenzialwachstumsrate um rund einen
Prozentpunkt gerechnet werden.
Die weitere Entwicklung der Pandemie ist weiterhin das bedeutendste
Abwärtsrisiko für die Prognose. Nach wie vor kann es bei der Lieferung von
Impfstoffen und Tests zu Engpässen und Verzögerungen kommen. Darüber
hinaus könnte das Auftreten neuer Mutationen des Virus die Wirksamkeit der
Impfstoffe reduzieren, wodurch der Öffnungsprozess möglicherweise gestoppt
werden müsste und damit die wirtschaftliche Erholung abermals
zurückgeworfen würde.
Über die Gemeinschaftsdiagnose:
Die Gemeinschaftsdiagnose wird zweimal im Jahr im Auftrag des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellt. Am
Frühjahrsgutachten 2021 haben mitgewirkt:
- Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin),
- ifo Institut - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der
Universität München e. V. in Kooperation mit der
Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF),
- Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel),
- Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH),
- RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Kooperation mit dem
Institut für Höhere Studien Wien