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Diabetesforschung muss intensiviert werden und Werbeverbot für ungesunde Kinderlebensmittel gehört in Koalitionsvertrag

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Der Runde Tisch des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft
(BMEL) zur „Ernährung bei Diabetes Typ 2“ am 13. April endete leider ohne
Ergebnisse. Eingeladen hatte Bundesministerin Julia Klöckner
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) sowie
Vertreter der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und anderer Verbände.
DDG und DZD bedauern in der Folge den offenen Ausgang und weisen darauf
hin, wie wichtig es sei, beispielsweise die Bewerbung ungesunder
Lebensmittel an Kinder nicht nur zaghaft zu regulieren, wie jüngst vom
BMEL mit dem Zentralverband der Deutschen Wirtschaft (ZAW) vereinbart,
sondern diese zu verbieten.

92 Prozent der Werbung, die Kinder in TV und Internet sehen, bewirbt Fast
Food, Snacks und Süßes – und dies, obwohl sich die Industrie bereits seit
Jahren diesbezüglich Selbstverpflichtungen auferlegt hat. „Daran wird auch
die Neufassung der freiwilligen, unverbindlichen Empfehlungen zum
Marketing für Kinderlebensmittel, die das BMEL jetzt mit dem ZAW auf den
Weg gebracht hat, wenig ändern“, betont DDG-Geschäftsführerin Barbara
Bitzer. Es handelt sich um von der Industrie selbst entwickelte
Empfehlungen, die weiterhin unverbindlich und vage formuliert sind und
damit keineswegs den Empfehlungen der WHO entsprechen. „Wir brauchen
gesetzgeberische Maßnahmen auf Bundesebene, vergleichbar mit dem
Tabakwerbeverbot“, so Bitzer.

Gemeinsam mit weiteren Maßnahmen, wie der seitens der DDG schon lange
geforderten „Gesunden Mehrwertsteuer“, die gesunde Lebensmittel mit
geringem Anteil an Zucker, Fetten und/oder Salz steuerlich entlasten will,
einer Stunde Bewegung am Tag für Kinder und Jugendliche sowie verbindliche
Ernährungsstandards für das Essen in Kitas und Schulen kann ein Durchbruch
bei der Prävention von Adipositas, Diabetes und weiteren chronischen
Krankheiten erzielt werden. „Bereits während der Schwangerschaft und in
der Kindheit werden die Grundlagen für die späteren Ernährungsgewohnheiten
eines Menschen gelegt. Daher darf man vor allem die gesunde Ernährung von
Kindern und Jugendlichen keinesfalls dem Zufall überlassen“, fordert die
Präsidentin der DDG, Professor Dr. med. Monika Kellerer. Aufklärung allein
hilft nicht, nur durch verbindliche, gesamtgesellschaftliche Maßnahmen
lässt sich in Zukunft die Zahl der Menschen mit Übergewicht und
Adipositas, die in der Folge häufig einen Diabetes Typ 2 entwickeln,
reduzieren.

Auch wenn die DDG sowie die Wissenschaftler des DZD unter der Überschrift
„Ernährung bei Diabetes Typ 2“ von der Ministerin Klöckner eingeladen
wurden, stand dieses Thema beim Runden Tisch nicht im Mittelpunkt, sondern
eher Fragen der allgemeinen Ernährungskompetenz und -bildung. Diese müsse
zwar auch gestärkt werden, doch reiche das nicht aus, so die DDG-
Präsidentin Kellerer: „Wir erwarten daher spätestens im nächsten
Koalitionsvertrag ein klares Bekenntnis zu mehr gesetzgeberischer
Verbindlichkeit, um die bedrohliche Adipositas- und Diabetes-Pandemie
einzudämmen.“

Wie wichtig diese Verbindlichkeit ist, lässt sich auch wissenschaftlich
belegen. Man weiß heute, dass nicht alle Menschen dieselbe und gleich
intensive Ernährungsberatung benötigen. „Wissenschaftlich lassen sich
Risikogruppen identifizieren – auch unter den Menschen mit Diabetes Typ 2.
Für diese sind dann maßgeschneiderte Ernährungsprogramme anzubieten“,
betont Professor Dr. med. Andreas Fritsche, einer der Studienleiter der
vom DZD initiierten Prädiabetes-Lebensstil-Interventions-Studie (PLIS).

Das DZD ist eines von sechs vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) mit finanzierten Deutschen Zentren für
Gesundheitsforschung, das sich unter anderem intensiv mit
individualisierter Ernährungsprävention und -therapie bei Diabetes Typ 2
beschäftigt. „Um zu verlässlichen Bewertungen von ernährungspräventiven
Maßnahmen zu kommen, ist es wichtig, die Expertise weiterer
Forschungseinrichtungen und Wissenschaftler zu nutzen sowie sich auch mit
anderen Ministerien wie dem BMBF und dem Bundesgesundheitsministerium
(BMG) zu vernetzen“, regt die DZD-Sprecherin Professor Dr. Annette
Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung, Potsdam an.

„Wir haben uns über die Einladung zum Runden Tisch gefreut und schätzen
das Engagement der Ministerin, beim Thema gesunde Ernährung
voranzukommen“, erklärt DDG Präsidentin Kellerer. „Doch solche
Veranstaltungen bringen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger nur dann
etwas, wenn klare Ziele angestrebt, gemeinsam diskutiert und konkrete
Schritte identifiziert werden.“ Jetzt setzen DDG und DZD auf die nächste
Legislaturperiode: Nachdem trotz Ankündigung und Verabschiedung einer
Nationalen Diabetes-Strategie in den letzten Jahren nicht viel passiert
ist, müssen nun endlich wirkungsvolle Maßnahmen für einen
gesundheitsfördernden Lebensstil seitens des Gesetzgebers umgesetzt
werden.