Digitale Plattformen regulieren: Für das Gemeinwohl und für die User
► Plattformpolitik muss dreigleisig fahren: Marktmacht von
monopolähnlichen Konzernen reduzieren, demokratisch verfasste Plattformen
fördern für mehr Teilhabe der User, öffentliche Datenpools und Plattformen
aufbauen
►Institut für ökologische Wirtschaftsforschung gibt Empfehlungen für eine
teilhabe- und gemeinwohlorientierte Plattformpolitik
Berlin, 11. März 2021 – Von Amazon bis Zalando: Online-Plattformen prägen
unsere Gesellschaft. Corona hat viele Digitalkonzerne weiter beflügelt.
Die Plattformökonomie politisch zu gestalten und zu regulieren, ist eine
Generationenaufgabe. Basierend auf aktueller Forschung empfiehlt das
Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, dass Deutschland und die
Europäische Union in der Plattformpolitik stärker auf das Gemeinwohl und
Teilhabe der User setzen sollten. Die Marktmacht weniger dominanter
monopolähnlicher Plattformen muss reduziert werden. Demokratisch verfasste
Plattform-Alternativen sollten gestärkt werden, damit User unabhängiger
werden und mehr teilhaben können. Und die öffentliche Hand sollte im Sinne
der Daseinsvorsorge in kritischen Bereichen eigene Angebote schaffen.
„Shopping, Kurznachrichten, Soziale Netzwerke – digitale Plattformen
prägen unsere Gesellschaft, immer mehr wird online abgewickelt. Mit
weitreichenden Konsequenzen für Marktmacht, Datenschutz und
Meinungsfreiheit“, so Plattformforscher Jonas Pentzien vom IÖW. Mit dem
Digital Services Act und dem Digital Markets Act will die Europäische
Union digitale Souveränität voranbringen. Auch Deutschland setzt neue
Regeln gegen Wettbewerbsbeschränkungen, um eine werteorientierte
Plattformpolitik voranzubringen.
Politik muss Demokratiedefizit und Abhängigkeiten der User verringern
„Aus Perspektive einer nachhaltigen Entwicklung greifen die bisherigen
Politikaktivitäten allerdings zu kurz“, so Pentzien. „Weder das virulente
Demokratiedefizit noch die Abhängigkeiten auf Seiten der Plattform-User,
die aus der monopolähnlichen Stellung weniger dominanter Plattformen
resultieren, werden strukturell angegangen. Um dies zu ändern, sollte die
Politik vor allem das Gemeinwohl und die digitale Teilhabe der Nutzerinnen
und Nutzer in den Vordergrund stellen“, fordert der Plattformexperte.
Es sollte verboten werden, dass Plattformen Daten unterschiedlicher
Dienste zusammenführen sowie eine Doppelrolle als Anbieter und Marktplatz
wahrnehmen, lautet die Empfehlung in einem aktuellen Strategiepapier des
IÖW. Zudem sollte im europäischen und im deutschen Wettbewerbsrecht die
Option eröffnet werden, Plattformkonzerne entlang von
Unternehmensbereichen zu entflechten. Im Gegenzug sollten solche
Plattformen, die User demokratisch einbinden, gefördert werden und die
Europäische Union und Deutschland sollten entsprechende Neugründungen über
Startup-Förderung unterstützen. Hierfür müsse auch das
Genossenschaftsrecht novelliert und die Möglichkeit eines rechtssicheren
digitalen Beitritts in Genossenschaften geschaffen werden.
Öffentliche Datenpools und Plattformen einrichten
Gesellschaftliche Innovationsprozesse sollten mit öffentlichen Datenpools
gefördert werden, auf deren Basis kleine und mittlere Unternehmen
teilhabeorientierte Geschäftsmodelle entwickeln können. In Bereichen, in
denen teilhabeorientierte Plattformen nur schwer Fuß fassen können,
sollten öffentliche Plattformen geschaffen werden, um Usern im Sinne der
Daseinsvorsorge Alternativen zu eröffnen.
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Download:
IÖW-Impulse: Plattformökonomie fürs Gemeinwohl: Mehr Teilhabe der User |
PDF, 1 MB: <www.ioew.de/plattformoekonomi
Zum Autoren:
Jonas Pentzien forscht am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung
(IÖW) zur Plattformökonomie im Projekt „Plattformorganisationen in der
digitalen Sharing Economy – Ausgestaltungsformen, Wirkungen, sozial-
ökologische Transformationsperspektiven“ mit Förderung durch das
Bundesministerium für Bildung und Forschung im Förderschwerpunkt Sozial-
ökologische Forschung. Als Fellow am Institute for the Cooperative Digital
Economy der New School, New York City, USA, veröffentlichte er den Report
“The Politics of Platform Cooperativism”.