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Homeoffice: "Die psychologische Grenze zwischen Beruf und Privatleben kann verschwimmen"

Prof. Dr. Hannes Zacher  Foto: Swen Reichhold
Prof. Dr. Hannes Zacher Foto: Swen Reichhold
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Prof. Dr. Hannes Zacher  Foto: Swen Reichhold
Prof. Dr. Hannes Zacher Foto: Swen Reichhold

In Zeiten der Corona-Krise sind viele Deutsche im Homeoffice. Das Arbeiten
in den eigenen vier Wänden läuft nicht immer problemlos ab, vor allem,
wenn Eltern parallel zu Hause ihre Kinder betreuen und beschulen müssen.
Arbeitspsychologe Prof. Dr. Hannes Zacher (40) von der Universität Leipzig
sieht diesen gegenwärtigen Zustand kritisch. Zugleich aber, so sagt er im
Interview, könne diese Krise die Akzeptanz des Homeoffice langfristig
steigern.

Herr Prof. Zacher, welche Vor- und Nachteile bringt diese Art des
Arbeitens?

Vor der Corona-Krise hat etwa jedes vierte Unternehmen das Homeoffice
genutzt, um seinen Beschäftigen mehr zeitliche und räumliche Flexibilität
beim Arbeiten zu ermöglichen. Das Homeoffice hilft, lange Pendelwege zu
vermeiden und Beruf und Privatleben besser miteinander zu vereinbaren. Ein
möglicher Nachteil des Homeoffice ist, dass die psychologische Grenze
zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen kann und Menschen deutlich
länger arbeiten, als in ihrem Arbeitsvertrag steht. Die
arbeitspsychologische Forschung zeigt, dass Erwerbstätige dann am
zufriedensten und produktivsten sind, wenn sie maximal zwei Tage pro Woche
im Homeoffice sind und die restliche Zeit im Unternehmen arbeiten.
Außerdem wissen wir, dass der persönliche Austausch mit den Kollegen
effektiver und kreativer ist als virtuelle Meetings. Der gegenwärtige
Zustand, dass sehr viele Menschen die ganze Woche über im Homeoffice
arbeiten müssen, ist deshalb aus Sicht der Forschung eher ungünstig und
hoffentlich bald vorbei. Ich bin mir sicher, dass sich schon jetzt viele
Menschen darauf freuen, endlich wieder ins Büro gehen zu können.
Andererseits könnte durch die Krise die Akzeptanz des Homeoffice
langfristig steigen, wenn jetzt gute Erfahrungen damit gemacht werden.

Welche Voraussetzungen dafür müssen überhaupt gegeben sein?

Der Arbeitsplatz zu Hause sollte möglichst genauso gut gestaltet sein wie
der im Unternehmen, nicht nur im Hinblick auf physische, sondern auch auf
psychologische Aspekte. Dazu gehört ein ruhiges, helles und aufgeräumtes
Arbeitszimmer. Außerdem ein ergonomisch günstiger Tisch, Arbeitsstuhl
sowie ein Computer mit Videoausrüstung und stabiler Internetverbindung. Es
sollte klare und realistische Ziele und Aufgaben für den Tag geben sowie
regelmäßige Erholungspausen. Vorgesetzte sollten ihre Mitarbeitenden im
Homeoffice möglichst genauso behandeln wie die Mitarbeitenden vor Ort,
also ihnen nicht weniger Aufmerksamkeit schenken, sie aber auch nicht
stärker kontrollieren. Gerade jetzt müssen Vorgesetzte viel Geduld
aufbringen und ihre Mitarbeitenden unterstützen. Außerdem sollten die
Erwerbstätigen selbst bestimmte persönliche Voraussetzungen mitbringen, um
gut im Homeoffice arbeiten zu können, wie Disziplin,
Konzentrationsfähigkeit und die Fähigkeit zur Selbstmotivation. Niemand
sollte im Homeoffice im Schlafanzug mit dem Laptop auf dem Sofa sitzen,
und die große Mehrheit tut das auch nicht.

Wie sollte ein Homeoffice-Tag organisiert werden - auch wenn Eltern noch
als "Ersatzlehrer" für ihre Kinder fungieren müssen?

Bislang hat die Forschung immer empfohlen, dass das Homeoffice nicht mit
Kinderbetreuung kombiniert werden sollte, um Konflikte zwischen
verschiedenen Lebensbereichen zu verhindern. In der Corona-Krise ist eine
solche Trennung oftmals nicht möglich, deswegen empfehle ich, dem Tag zu
Hause eine klare Struktur zu geben und diese mit den Familien- oder WG-
Mitgliedern zu besprechen. Gerade in unsicheren Zeiten sind Absprachen zu
festen Zeiten, die Etablierung von Routinen und gemeinsame Regeln wichtig,
um wieder Kontrolle über den Alltag zu erlangen und mit Freude arbeiten zu
können. Eltern sollten sich ein Vorbild an den Stunden- und Tagesplänen
nehmen, die jetzt von vielen Schulen verschickt werden. Darin sind zum
Beispiel der Beginn und das Ende von Lern-, Spiel- und Essenszeiten
festgelegt. Einen solchen Plan sollten sich Erwerbstätige auch erstellen,
nur mit festen Arbeits- und Erholungszeiten. Allerdings ist zur Zeit auch
ein gewisses Maß an Flexibilität und Verständnis für andere nötig. Gerade
die kleinen Kinder sind nun vielleicht verunsichert und ab und an
überfordert mit der neuen Situation und hoffen, bald wieder in die Kita
oder die Schule gehen zu können.

Stichwort digitales Arbeiten: Sie sind gemeinsam mit Kollegen am "Zentrum
digitale Arbeit" beteiligt. Das Teilprojekt an der Universität Leipzig
wird mit über einer halben Million Euro gefördert. Was will das Zentrum
mit seiner Arbeit bewirken und was genau ist der Schwerpunkt der
Forschungen an der Universität Leipzig?

Das Zentrum wird im Rahmen des Programms „Zukunftszentren“ durch das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales, den Europäischen Sozialfonds
und ergänzend durch den Freistaat Sachsen, vertreten durch das Sächsische
Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, gefördert.
„Regionale Zukunftszentren“ in den fünf ostdeutschen Bundesländern
unterstützen darin gezielt die Beschäftigten von kleinen und mittleren
Unternehmen bei der Bewältigung des digitalen und demografischen Wandels.
Das „Zentrum digitale Arbeit“ bündelt Wissen und Erfahrungen, gibt Impulse
in die „Regionalen Zukunftszentren“ basierend auf aktuellen
Forschungsergebnissen und organisiert den bundesweiten Austausch.

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