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Warum ultrakonservative Christen in den USA einen Mann wie Trump wählen

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Für die beiden Kandidaten im amerikanischen Wahlkampf um die
Präsidentschaft, Donald Trump und Joe Biden, lohne es sich kaum, Wähler
umstimmen zu wollen. Dieser Ansicht sind die Wissenschaftler Dr. Alexander
Yendell und Prof. Dr. Gert Pickel von der Universität Leipzig. Der
Soziologe und der Religionssoziologe haben in einem Beitrag für den Blog
des Research Centre Global Dynamics (ReCentGlobe) der Universität Leipzig
das Wahlverhalten der US-Amerikaner analysiert. Im Interview erklärt Gert
Pickel, warum ultrakonservative Evangelikale dabei eine wichtige Rolle
einnehmen.

Sowohl Donald Trump als auch Joe Biden scheinen sich in ihrer
Wahlkampfstrategie vor allem auf die ihnen bereits zugeneigten Wähler zu
konzentrieren. Warum könnte sich diese Strategie lohnen, die viele andere
Gruppen ausschließt?

Aus unserer europäischen Sicht scheint das kaum verständlich. Aber man
muss sich vor Augen halten, dass es in den USA ein komplexes Zwei-
Parteien-System mit langer Tradition gibt. Viele Familien wählen seit
Generationen die gleiche Partei, also entweder Demokraten oder
Republikaner. Und die bleiben dann auch unter immer wieder wechselnden
Umständen fest bei ihrer Partei. So lohnt es sich für die beiden
Kandidaten also weniger, neue Gruppen von Wählern zu erschließen, als die
bereits potentiell zugeneigten Personen zu mobilisieren - vor allem, da
die Wahlbeteiligung in den USA oft nur knapp über 50 Prozent liegt. Da
gilt es, die eigenen Leute an die Wahlurne zu bekommen.

Donald Trump fokussiert sich stark auf evangelikale Christen, die immerhin
23 Prozent der Wähler in den USA ausmachen. Kann er auf ihre Unterstützung
setzen?

Die amerikanischen Evangelikalen sind nicht vergleichbar mit den moderaten
Christen, die wir aus Deutschland kennen. Sie sind sehr konservativ.
Meistens sind sie gegen Migration, gegen Abtreibung und gegen “zu viel“
Modernisierung – vor allem, was sogenannte klassische Geschlechterrollen
angeht. Daraus ergibt sich traditionell eine starke Verbundenheit mit den
Republikanern. Liberale Demokraten lehnen sie ab. Bei einem USA-Besuch
sagte mir mal einer, er halte Demokraten aus New York für den Teufel.

Trump ist zwar Republikaner, aber auch ein geschiedener Mann, der sein
Geld unter anderem mit Casinos verdient hat, ein öffentlich bekannt
gewordenes Verhältnis zu einem Pornostar hatte und früher für Abtreibung
war. Was sehen evangelikale Christen in diesem Mann?

Bei seiner ersten Kandidatur 2016 war das tatsächlich eine Problemlage,
weil Donald Trump bekanntermaßen keinen sehr religiösen Lebensstil pflegt.
Da haben viele amerikanische Christen Kandidaten wie Ted Cruz, einen
konservativen Baptisten, bevorzugt. Allerdings hat Trump Evangelikalen
seitdem viele Angebote gemacht. Er zeigt sich nun öfter mit einer Bibel,
trat auf den Demonstrationen von Abtreibungsgegnern auf, und vor allem
nominierte er mit Amy Coney Barrett eine strenge Katholikin für den
Obersten Gerichtshof der USA. Streng christliche Wähler sehen also, dass
sie etwas bekommen, wenn sie ihn wählen – anders als bei Joe Biden.

Wir stellen uns Evangelikale vermutlich oft als Weiße vor, aber es gibt
auch viele evangelikale Latinos. Auch ein Großteil von ihnen unterstützt
Trump, obwohl er Immigranten aus Lateinamerika regelmäßig abwertet. Ist
Religion hier für einige wichtiger als Nationalität oder Ethnie?

Hier liegt in der Tat eine kognitive Dissonanz vor, die sich aus der
Unvereinbarkeit zweier konträrer Positionen ergibt. Daraus kann sich für
Wähler ein langer Denkprozess ergeben, der meist mit zwei Optionen endet:
entweder nicht wählen zu gehen oder eine Wahlentscheidung zu treffen, von
der man im Nachhinein umso überzeugter ist. Dieses Phänomen erklärt man in
der Psychologie oft mit dem Beispiel „roter Käfer, blauer Ford“. Wer
anfangs noch beide Autos als gleich gut einschätzt, dann aber den „blauen
Ford“ kauft, ist Wochen später in der Regel überzeugt davon, dass dieses
Auto von Anfang an viel besser ist, als es der „rote Käfer“ war.

Haben Sie eine Einschätzung für den Ausgang der Wahl?

Ich würde vorsichtig tippen, dass Trump knapp verliert. Und zwar wegen der
Wähler, die sich entscheiden, keine Stimme abzugeben. Ich schätze, dass
diesmal moderate Republikaner die Entscheidung bringen. Sie werden
vielleicht keine Stimme für Joe Biden abgeben, aber ihr Wegbleiben von der
Urne könnte den Ausschlag geben. Alle anderen, nach Religionszugehörigkeit
und ethnischer Zugehörigkeit unterscheidbaren, Gruppen sind in ihrem
Wahlverhalten seit Jahrzehnten festgelegt. Diese Prognose gilt,
vorausgesetzt die Demokraten mobilisieren genügend Wähler aus ihrem
eigenen Lager.

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