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Künstliche Intelligenz: Wie sie in die Herzmedizin integriert wird – auf dem Weg zur Präzisionsherzmedizin

Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, Kardiologe und Ärztlicher Direktor, Agaplesion Bethanien-Krankenhaus und Cardioangiologisches Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt a. M.  Quelle: Foto: Andreas Malkmus  Copyright: Deutsche Herzstiftung e. V.
Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, Kardiologe und Ärztlicher Direktor, Agaplesion Bethanien-Krankenhaus und Cardioangiologisches Centrum Bethanien (CCB) Frankfurt a. M. Quelle: Foto: Andreas Malkmus Copyright: Deutsche Herzstiftung e. V.
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Am Beispiel von Herzrhythmusstörungen erläutern zwei Spezialisten in der
aktuellen Ausgabe von HERZ heute, wie Künstliche Intelligenz die
Diagnostik in der Kardiologie verändern wird. Kritische Aspekte bleiben
nicht unerwähnt.
In Zeiten begrenzter Ressourcen an medizinischem Fachpersonal bei
gleichzeitig hoher Krankheitslast hilft der Einsatz von künstlicher
Intelligenz (KI) in der Herzmedizin Ärzten in der Diagnostik und Therapie.
„Der Zeitfaktor spielt insbesondere in der Akutversorgung von
kardiologischen Patienten eine enorm wichtige Rolle, hier zeigt sich ein
besonders hohes Potenzial durch die KI“, betont der Kardiologe Prof. Dr.
Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
Beispiel: Diagnose von Herzrhythmusstörungen.

Das Auswerten eines
Elektrokardiogramms (EKG) ist eine komplexe Angelegenheit, die Zeit und
Erfahrung erfordert. Das liegt nicht nur an den komplexen Ursachen der
verschiedenen, teils parallel vorliegenden Herzerkrankungen, sondern auch
an den riesigen Datenmengen, die bei der Aufzeichnung von EKGs entstehen.
Zwölf Kanäle (Ableitungen) beim Patienten sind für Herzspezialisten
Standard. Die elektrische Aktivität des Herzens wird dabei, vergleichbar
mit Kameras, aus verschiedenen „Blickwinkeln“ betrachtet und diese
„Blickwinkel“ müssen synchron analysiert werden, so dass man den
Erregungsablauf im gesamten Organ zum selben Zeitpunkt verfolgen kann.
„Ein einziges EKG enthält mehr als 120.000 Datenpunkte“, erklären die
Kardiologen Privatdozent Dr. Philipp Breitbart und Professor Dr. Thomas
Arentz vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg/Bad Krozingen in der
aktuellen Ausgabe von HERZ heute (2/2025), der Zeitschrift der Deutschen
Herzstiftung, die unter https://herzstiftung.de/bestellung angefordert
werden kann.

KI-gestützte Diagnose von Vorhofflimmern: Senken von Komplikationsrisiken
Inzwischen gibt es Computerprogramme, die auf der Basis Künstlicher
Intelligenz (KI) dabei helfen können, den Zeitaufwand zur Auswertung
täglich vieler EKGs in Praxen und Kliniken zu senken und die Präzision der
Analyse zu erhöhen, so die Kardiologen in ihrem Beitrag. Solche KI-
Algorithmen sind in der Lage, innerhalb von Sekunden auffällige Muster zu
erkennen, zum Beispiel bei der Detektion von Vorhofflimmern, einer der
häufigsten Herzrhythmusstörungen in der Bevölkerung. „Vorhofflimmern tritt
oft unregelmäßig auf. Es bleibt daher in frühen Stadien oft unbemerkt“,
erläutern der Oberarzt der Kardiologie Dr. Breitbart und der Leiter der
Rhythmologie am Herzzentrum des Freiburger Universitätsklinikums Prof.
Arentz in ihrem Beitrag. Weil Vorhofflimmern jedoch mit einem erhöhten
Schlaganfallrisiko verbunden ist, wäre es gut, dieses früher als bislang
zu erkennen. Dann ließe sich früh eine Therapie einleiten und das
Komplikationsrisiko senken.
An der renommierten Mayo-Klinik im US-amerikanischen Rochester (Minnesota)
ist es gelungen, eine KI zu programmieren, die selbst in scheinbar
normalen EKGs erste Hinweise auf Vorhofflimmern aufzuspüren hilft.
Außerdem ließ sich mit dem Programm erstaunlich präzise die Pumpleistung
der linken Herzkammer vorhersagen – etwas, was üblicherweise mit einer
anderen Untersuchungsmethode (Echokardiogramm) ermittelt wird. Damit nicht
genug: Erkrankungen der Herzklappen, die Menge des roten Blutfarbstoffs
und Sauerstoffträgers Hämoglobin oder die Konzentration des für die
Herzfunktion wichtigen Elements Kalium im Blut lässt sich per KI aus den
EKG-Kurven herauslesen, ebenso wie weitere Herzerkrankungen.

KI-Einsatz in der Therapie: Was ist möglich – wo liegen die Grenzen?
KI kann nicht nur die Herzdiagnostik unterstützen, sondern auch die
Therapie, wie Dr. Breitbart und Prof. Arentz schildern. Zum Beispiel beim
gezielten Ausschalten störender elektrischer Aktivitäten im Herzen per
Katheter-basierter Verödungstherapie (Katheterablation). Es konnte
nachgewiesen werden, dass sich per KI die Erfolgsrate erhöhen und die
Rückfallquote senken lässt.
Prof. Arentz und Dr. Breitbart verschweigen aber nicht, dass KI aber auch
mit Problemen verknüpft ist, die noch gelöst werden müssen. Die Ergebnisse
von KI-Programmen hängen stark von der Qualität der eingegebenen
Trainingsdaten ab. „Verzerrte oder unvollständige Datensätze können zu
fehlerhaften Vorhersagen führen“, warnen die Kardiologen. So müssen zum
Beispiel beim Trainieren der KI geografische und ethnisch-kulturelle
Kontexte berücksichtigt werden, die bei der Entstehung bestimmter
Krankheiten bedeutsam sein können. Es gibt zudem selbstlernende KI-
Systeme. Bei ihnen tritt das sogenannte „Black-Box-Phänomen“ auf: Der
Mensch kann nicht nachvollziehen, wie das KI-System zu einem bestimmten
Ergebnis gekommen ist, ein Resultat, das womöglich nicht der Realität
entspricht, sondern bei dem es sich um eine „Halluzination“ des Computers
handelt.
Daraus ergeben sich medizinethische und juristische Fragen:
- Wie viel Verantwortung darf der Mensch auf die Maschine übertragen?
- Wer haftet, wenn die KI zum Beispiel eine falsche Diagnose stellt?
- Wie kann die Sicherheit der individuellen Gesundheitsdaten gewährleistet
werden?

Hinzu kommt der bekanntermaßen hohe Energieverbrauch von KI-Systemen, die
die Umwelt belasten können.

In der Europäischen Union sind Regeln beschlossen worden (1), die bei
neuen, KI-basierten Diagnostikverfahren den Fokus auf überwachte
Lernverfahren lenken sollen. KI soll als ärztliches Werkzeug verstanden
werden, ein Werkzeug, dass Diagnostik und Therapie erleichtern und
präziser machen soll. Die Expertise von Ärztinnen und Ärzten ersetzt sie
nicht, die endgültige Entscheidung und damit auch die Verantwortung
gegenüber Patientinnen und Patienten bleibt damit in der Hand entsprechend
ausgebildeter und erfahrener Fachspezialisten.
(tme)

Literatur
(1) KI-Gesetz: erste Regulierung der künstlichen Intelligenz:
https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20230601STO93804/ki-
gesetz-erste-regulierung-der-kunstlichen-intelligenz
(abgerufen am
23.06.25)

Service

Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ heute
Mehr Informationen zu Künstlicher Intelligenz und deren Nutzung in der
Kardiologie bietet die Deutsche Herzstiftung in der Ausgabe 2/2025 der
Zeitschrift HERZ heute mit dem Beitrag „Schneller, genauer, individueller.
Mit der künstlichen Intelligenz auf dem Weg zur Präzisionsherzmedizin“.
Dies ist nur eines von vielen weiteren interessanten Themen dieser Ausgabe
mit dem Titel „Ein unerwartet dynamisches Duo – Wechselwirkungen: Wie Herz
und Hirn zusammenspielen“.
Ein Probe-Exemplar kann kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter
https://herzstiftung.de/bestellung angefordert werden.

Podcasts
Wo profitieren Herzpatienten von künstlicher Intelligenz? Ein Gespräch mit
dem Kardiologen „Dr. Heart“
https://herzstiftung.de/service-und-aktuelles/podcasts/herztherapie-
kuenstliche-intelligenz


Künstliche Intelligenz in der Herzmedizin – was bringt die Zukunft? Ein
Gespräch mit Prof. Dr. Holger Thiele
https://herzstiftung.de/service-und-aktuelles/podcasts/kuenstliche-
intelligenz-herzgesundheit

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