Beinschmerzen? Können Warnhinweis für Herzschäden und Infarktgefahr sein

Unbehandelt gefährlich: Gefäßerkrankung pAVK kann lange unerkannt bleiben.
Herzstiftung informiert über Symptome, wie man Risiken der pAVK vorbeugt
und wie sie behandelt wird
Jedes Jahr bekommen Tausende Menschen in Deutschland einen Beininfarkt.
Dahinter verbirgt sich die sogenannte periphere Arterielle
Verschlusskrankheit (pAVK), auch als „Schaufensterkrankheit“ bekannt. Die
pAVK ist eine Erkrankung des höheren Lebensalts mit immer enger und
steifer werdenden Arterien in Beinen und Füßen, manchmal auch Armen, weil
nicht mehr genügend Sauerstoff und Nährstoffe dorthin gelangen. In
Deutschland sind Schätzungen zufolge zweieinhalb bis acht Millionen Bürger
von der Volkskrankheit pAVK, eine Durchblutungsstörung der Becken- und
Beinarterien betroffen. Etwa drei bis zehn Prozent der Bevölkerung sind in
Deutschland von einer pAVK betroffen, im höheren Alter ab 70 Jahren
schätzungsweise sogar 15-20 Prozent (1). Zu etwa 90 Prozent ist die
Ursache der pAVK eine Gefäßverkalkung und -verengung (Arteriosklerose),
also krankhafte Ablagerungen und Entzündungsvorgänge in den Gefäßen. Damit
ist die pAVK Teil eines größeren umfassenderen Krankheitsgeschehens.
„Wenn sich die Gefäßerkrankung pAVK mit Schmerzen in der Wade oder an den
Zehen bemerkbar macht, dann ist anzunehmen, dass auch an anderen Stellen
des Körpers das arterielle Gefäßsystem, etwa am Herzen, nicht mehr ganz in
Ordnung ist und eine koronare Herzkrankheit (KHK) vorliegt“, warnt die
Herz- und Gefäßspezialistin Prof. Dr. Christiane Tiefenbacher,
Vorstandsmitglied der Deutschen Herzstiftung. Bei einer Arteriosklerose
sind die Beine in der Regel relativ spät betroffen. Die pAVK und andere
Krankheiten beziehungsweise Komplikationen wie KHK, Schlaganfall und
Nierenfunktionsstörungen hängen miteinander zusammen, weil die
Arteriosklerose die zugrunde liegende Ursache ist. „Wer an Beinschmerzen
leidet, sollte daher immer auch das Herz untersuchen lassen“, so die
Chefärztin der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und
Intensivmedizin am Marien-Hospital Wesel im aktuellen Herzstiftungs-
Sonderdruck „pAVK“, der kostenfrei bei der Herzstiftung angefordert werden
kann unter https://herzstiftung.de/bestel
„Wer eine KHK oder bereits einen Herzinfarkt überstanden hat, wird mit
einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch eine pAVK haben, auch wenn sie
womöglich noch nicht spürbar ist.“ Infos zu Ursachen, Symptomen, Diagnose
und Therapie der pAVK bietet die Herzstiftung auch unter
https://herzstiftung.de/pavk
Vorbeugung: Wie schützt man sich vor Risiken für pAVK?
Wie bei der die KHK und anderen Krankheiten als Folge der Arteriosklerose
sind typische Risikofaktoren der pAVK ein ungesunder Lebensstil durch
- Rauchen („Raucherbein“),
- ungesunde Ernährung, verbunden mit Übergewicht und Fettleibigkeit
(Adipositas) und
- Bewegungsarmut
sowie die Risikokrankheiten
- Bluthochdruck
- Fettstoffwechselstörunten (veränderte Blutfettwerte, hohes LDL-
Cholesterin) und
- Zuckerstoffwechselstörungen (Diabetes mellitus).
Hauptziele der Behandlung einer pAVK sind, das Fortschreiten der
Erkrankung zu bremsen sowie Amputationen und Komplikationen wie
Herzinfarkt und Schlaganfall zu vermeiden. Mit einer einzelnen Maßnahme
lässt sich aber ein seit Jahren laufender und aus vielen Faktoren
bestehender Krankheitsprozess wie die Arteriosklerose nicht einfach
stoppen. Mit dem Einsatz von Medikamenten und/oder Katheter- oder
chirurgischen Verfahren zur Wiederherstellung der Durchblutung einzelner
verengter oder verschlossener Gefäße ist vieles möglich. „Hauptziel ist
es, Risikofaktoren prophylaktisch zu minimieren und so die Funktion der
vorhandenen Gefäße so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, trotz der
chronischen Gefäßerkrankung. Dafür sind mehrere Behandlungsmaßnahmen in
Kombination nötig – sehr wichtig sind die aktive Mitarbeit und die
Therapietreue der Betroffenen“, betont Herzstiftungs-Vorstandsmitglie
Prof. Tiefenbacher.
Auch bei pAVK sehr wirksam und wichtig: Bewegungstraining
Zunächst sind die Risikofaktoren zu reduzieren: das Rauchen aufgeben, zu
hohes Körpergewicht reduzieren, sich ausgewogen und gesund ernähren und
sich mehr bewegen. Ein vorhandener Bluthochdruck wird medikamentös
konsequent gesenkt, bei Fettstoffwechselstörungen (hohes LDL-Cholesterin)
und Diabetes mellitus sind die entsprechenden medikamentösen Maßnahmen und
Änderungen des Lebensstils erforderlich.
„Besonders Bewegung in Form des Gehtrainings ist sehr effektiv. Das
Bewegungstraining wertet auch die aktuelle pAVK-S3-Leitlinie auf“, betont
Kardiologin Prof. Tiefenbacher. Studien belegen, dass mit einem
Gehtraining in den pAVK-Stadien I und II die Strecke, die schmerzfrei und
insgesamt maximal zurückgelegt werden kann, zunimmt. „Empfehlenswert ist
ein Gehtraining mit mindestens drei Übungseinheiten pro Woche für jeweils
30 bis 60 Minuten über mindestens drei Monate.“ Fortschritte sind schon
nach dieser Zeit zu erzielen, wie Studien gezeigt haben. Ein Training in
Eigenregie zu Hause – immer in Abstimmung mit dem behandelnden Arzt und
bei regelmäßiger Überprüfung der Effekte – ist zwar möglich, „besser ist
aber eine strukturierte Übungstherapie unter Anleitung“, so Tiefenbacher.
Spezialisierte Gefäßzentren bieten Geh- und Gefäßtrainings an. Regionale
Gefäßsportgruppen lassen sich zum Beispiel über die Internetseiten der
Deutschen Gefäßliga oder den Deutschen Behindertensportverband (DBS)
finden. Geeignet sind auch Herzsportgruppen und Diabetes-Sportgruppen.
„Gerade der Sport in der Gruppe, gemeinsam mit ähnlich Betroffenen und
Gleichgesinnten, hat eine ungemein motivierende Wirkung, fördert den
sozialen Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung“, betont die
Chefärztin am Marien-Hospital Wesel. Welche alternative Trainingsformen
zum Gehtraining wie beispielsweise Radfahren und Krafttraining der Beine
ansonsten zu empfehlen sind, darüber informiert die Herzstiftung unter:
https://herzstiftung.de/pavk
Wie macht sich eine pAVK bemerkbar?
Wie andere chronische Krankheiten auch, macht sich die pAVK mit Symptomen
erst dann bemerkbar, wenn sie vorangeschritten ist. Deshalb sollten alle
Patientengruppen mit einem Risiko für Arteriosklerose über die Symptomatik
der pAVK gut informiert sein. Die Beschwerden lassen sich in vier Stadien
(Fontaine-Kriterien) einteilen:
- Stadium I: Engstellen in den versorgenden Arterien sind vorhanden,
verursachen aber noch keine oder kaum Beschwerden. Dieses Stadium ist nur
mit bestimmten Untersuchungsmethoden zu erfassen.
- Stadium II: Typische Zeichen der „Schaufensterkrankheit“ (medizinisch:
Claudicatio intermittens) liegen vor mit belastungsabhängigen Schmerzen
beim Gehen, die zu regelmäßigen Pausen zwingen (IIa = Gehstrecke ohne
Beschwerden über 200 m, IIb = Gehstrecke ohne Beschwerden unter 200 m).
- Stadium III: Ruheschmerz, häufig beginnend im vorderen Fußbereich,
insbesondere nachts.
- Stadium IV: Gewebeuntergang durch die Durchblutungsstörung (Ischämie);
offene Wunden entstehen, die schlecht heilen.
Schmerzen nicht nur beim Gehen, sondern auch im Liegen möglich
Zwar ist es für Beinschmerzen, die durch Durchblutungsstörungen
hervorgerufen werden, typisch, dass sie beim Gehen in den Waden auftreten
und beim Stehenbleiben wieder nachlassen. Allerdings kann es auch im
Liegen zu Schmerzen in der Zehengegend kommen, die sich beim Aufstehen
wieder abschwächen. Auch sollte man sich nicht vollkommen auf diese
Schmerzbeschreibung verlassen, denn die Symptome können auch in anderen
Beinabschnitten auftreten, zum Beispiel in den Oberschenkeln oder im
Gesäß. „Die Lokalisation des Schmerzes ist ein Hinweis für den Ort des
Gefäßproblems. Etwa der Wadenschmerz ist am häufigsten und entsteht bei
Verengungen und Verschlüssen im Bereich der Oberschenkelarterien. Kommt es
zu Gesäß- und Oberschenkelschmerzen bei Belastung, liegt die
Durchblutungsstörung in Höhe der Beckenarterien“, erklärt die Herz- und
Gefäßspezialistin im Vorstand der Herzstiftung. Neben den genannten
Schmerzen in den Beinen gibt es noch weitere Symptome, die auf die
Verschlusskrankheit pAVK hindeuten wie eine reduzierte Behaarung oder
kältere Haut des betroffenen Beins, dessen Haut auch dünn, schuppig und
leicht verletzlich sein kann. Mehr zu Symptomen unter
https://herzstiftung.de/pavk
Bein- oder Fußinfarkt: Wie kommt es dazu?
Vergleichbar dem Herzinfarkt, gibt es auch den Bein- oder Fußinfarkt:
Reicht die Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen im betroffenen Areal
nicht mehr aus, stirbt Gewebe in diesen Organen ab. Mangelt es akut an
Blut im Bein, droht ein mehr oder weniger großer Beininfarkt. Es entstehen
chronische Wunden, diese können sich infizieren und entzünden, Gewebe wird
funktionslos und stirbt ab. „Im schlimmsten Fall muss amputiert werden.
Bis heute passiert dies leider zehntausendfach pro Jahr“, sagt Prof.
Tiefenbacher. Pro Jahr werden in Deutschland etwa 57.000 Amputationen an
Beinen oder Füßen vorgenommen, davon lassen sich über 85 Prozent auf eine
pAVK oder/und einen Diabetes mellitus zurückführen (2). „Deshalb
sensibilisieren wir Patienten mit einem Risiko für eine pAVK aufgrund
bestehender Herz- und Gefäßleiden wie KHK, Bluthochdruck oder Diabetes,
bei Beschwerden hellhörig zu werden und umgehend ihren behandelnden
Hausarzt darüber zu informieren“, so Prof. Tiefenbacher.
Notfall: plötzlicher Arterienverschluss
Mitunter kann ein Gefäß plötzlich durch Blutgerinnsel oder abgelöste
Plaques verschlossen werden, besonders wenn die Arterie bereits verengt
ist. Ein akuter, ausgedehnter Verschluss einer Arterie im Bein oder im Arm
ist immer ein Notfall – ein Notarzt sollte gerufen werden (Notruf 112).
Typische Zeichen für ein solches Ereignis sind:
- starke, peitschenhiebartige Schmerzen im Bein oder im Arm
- die Haut ist blass oder bläulich verfärbt
- Taubheitsgefühl, Hitzereize werden nicht mehr wahrgenommen
- Bewegungsunfähigkeit oder -einschränkung der Gliedmaße
- Puls ist an dem Körperteil nicht tastbar
Achtung: Auf keinen Fall versuchen, die Gliedmaße zu wärmen oder zu
kühlen! Die Gliedmaße wird weich gelagert oder gepolstert, bis der Notarzt
eingetroffen ist. Der Verschluss sollte möglichst innerhalb weniger
Stunden medikamentös, per Katheter oder per Operation entfernt und das
Gefäß wiedereröffnet werden
(wi)
Service für Patientinnen und Patienten
Sonderdruck zur pAVK
Der Sonderdruck „Die periphere arterielle Verschlusskrankheit – pAVK“ der
Herzstiftung kann kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter
https://herzstiftung.de/bestel
Podcast
Über die pAVK informiert Prof. Dr. Christiane Tiefenbacher im
Herzstiftungs-Podcast „Was haben Beinschmerzen mit Herzinfarktgefahr zu
tun?“ unter: https://herzstiftung.de/podcas
Weitere Infos zur pAVK unter: https://herzstiftung.de/pavk
Literatur:
(1) S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren
arteriellen Verschlusskrankheit:
https://register.awmf.org/de/l
Ambulante Früherkennung der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der
Becken- und Beinarterien – Gefäß-Check der Beine. Ärzteblatt Thüringen
2025
(2) Kröger k et al. Dtsch Arztebl Int 20217; 114:130-6