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Lungenmediziner fordern strengeren Jugendschutz: Einfluss von E-Zigaretten und Nikotinindustrie kritisch untersucht

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„Die Tabakindustrie greift mit immer neuen Nikotinprodukten an – die
Jugend ist dem nahezu schutzlos ausgesetzt. Damit ziehen wir uns
kontinuierlich neue Generationen von Nikotin-Abhängigen heran“, sagt
Professor Wolfram Windisch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für
Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). E-Zigaretten, Tabakerhitzer und
Nikotinbeutel drängen auf den Markt.

Schon jetzt verursachen rauchbedingte
Erkrankungen jährlich fast 100 Milliarden Euro an ökonomischen Kosten.
„Neueste Untersuchungen zeigen, dass Produkte verharmlost werden, falsche
Versprechungen zur Tabakentwöhnung kursieren und Lücken beim Jugendschutz
schamlos ausgenutzt werden“, so Windisch.

Die DGP fordert von der sich jetzt bildenden Regierungskoalition: „Sie
müssen Kinder und Jugendliche vor dem enormen Suchtpotenzial der bunten
Nikotin-Produkte besser schützen.“

Wie die Nikotinindustrie den Einfluss von Influencern und Lieferdiensten
nutzt, haben Dr. Claudia Bauer-Kemeny und Matthias Urlbauer untersucht.
„Auch wenn das Tabakerzeugnisgesetz konkret Werbung für Tabak und
nikotinhaltige elektronische Zigaretten im Internet verbietet, werben
Influencer über ihre Social-Media-Kanäle illegal für Tabak- und andere
Nikotinprodukte“, sagt Bauer-Kemeny, Leiterin der Abteilung Prävention der
Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg. Zahlen des Deutschen
Krebsforschungszentrums (DKFZ) zeigen: Mehr als 40 Prozent der
bekanntesten deutschen Rap-Musiker werben in den sozialen Medien für
E-Zigaretten oder Shisha-Tabak. Ihre Zielgruppe sind die unter 20-Jährigen
– erreicht werden Millionen von Followern. „Bestehende Werbebeschränkungen
für Tabak und E-Zigaretten werden von den Behörden in Deutschland nicht
konsequent kontrolliert und umgesetzt“, unterstreicht die Zahnmedizinerin.

Jugendschutz nicht ausreichend: „Notwendig sind strengere Regulierung,
stärkere Kontrollen und höhere Strafen“

In Deutschland regelt der Jugendschutz, dass Tabakwaren und andere
nikotinhaltige Erzeugnisse und deren Behältnisse an Kinder oder
Jugendliche nicht abgegeben werden dürfen. Auch in Automaten – die für
Kindern und Jugendlich zugänglich sind – darf es keines dieser Angebote
geben. „Wir haben bei unseren Beobachtungen auch Automaten mit
verschiedenen E-Zigaretten entdeckt, die keine 30 Meter von einer Schule
entfernt stehen“, sagt Matthias Urlbauer“, Arzt der Medizinischen Klinik 3
mit Schwerpunkt Pneumologie am Klinikum Nürnberg – Universitätsklinik der
Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg. Ganz besonders leicht
werde es einem bei Online-Händlern gemacht: „Die Alterskontrolle wird zum
Teil umgangen, häufig reicht es, den Button ‚Ich bin über 18‘ für
Bestellungen anzuklicken, Altersnachweise wie das Hochladen des Ausweises
sind nicht immer erforderlich und Entgegen der Angaben von Lieferdiensten
gibt es häufig auch keine Alterskontrolle bei der Auslieferung“, sagt
Urlbauer, der in seiner Klinik die Tabakentwöhnung leitet.

Auch Nikotinbeutel seien im Internet problemlos ohne echte Alterskontrolle
erhältlich – obwohl das Inverkehrbringen von Nikotinbeuteln in Deutschland
derzeit verboten ist. „Der Jugendschutz im Hinblick auf Tabak- und andere
nikotinhaltige Produkte wird nicht ausreichend umgesetzt. Notwendig sind
eine strengere Regulierung, stärkere Kontrollen und höhere Strafen bei
Zuwiderhandlungen“, betont Urlbauer.

E-Zigaretten? Effektive Tabakentwöhnung geht anders!

Auch auf die Darstellungen der Industrie zur E-Zigarette als hervorragende
Möglichkeit zur Tabakentwöhnung hat die DGP eine klare Haltung: „Die
E-Zigarette zur Entwöhnung ist nicht wirksamer als eine kombinierte
Nikotinersatztherapie, bei der Nikotin über pharmazeutische
Nikotinersatztherapeutika wie Pflaster, Kaugummis, Tabletten oder Sprays
zugeführt wird, um die Entzugserscheinungen und das Verlangen nach Nikotin
zu lindern“, sagt Professor Stefan Andreas, Sprecher der DGP-Sektion
Tabakprävention und Gesundheitsfürsorge. „Unsere Untersuchungen zeigen: 50
Prozent derjenigen, die von der Tabakzigarette auf die E-Zigarette
umsteigen wollen, rauchen am Ende beides. Und diese Doppelnutzung führt
nur selten zur Entwöhnung“, so der Chefarzt der Lungenfachklinik
Immenhausen, Pneumologische Lehrklinik der Universitätsmedizin Göttingen.

Mit Blick auf die Analyse von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems und
des Stoffwechsels fasst er zusammen: „Nach einer aktuellen Metaanalyse
sind E-Zigarette etwa so gefährlich wie Tabakzigaretten. E-Zigaretten sind
deutlich gefährlicher als Nichtrauchen. Und die Doppelnutzung, der
sogenannte ‚Dual Use‘, wirkt sich auf die Gesundheit gefährlicher aus als
Tabakzigaretten allein.“ Einen kritischen Blick wird Stefan Andreas auch
auf den Einfluss der Nikotinindustrie auf Forschungsarbeiten: „Finanziert
die Industrie die Arbeit mit, hat das vielfach Einfluss auf die
Ergebnisse: Es wird kaum eine schädliche Wirkung der E-Zigarette
angezeigt. Anders bei fast allen wissenschaftlichen Publikationen ohne
ausgewiesene Interessenskonflikte mit der Industrie: Diese zeigen die
potenziell schädlichen Effekte der E-Zigarette deutlich auf.“

Die Sprache der Tabakindustrie durchschauen und kritisch hinterfragen

Die Nikotinindustrie nutzt Sprache dazu, um ihre neueren Nikotinprodukte
zu vermarkten und als relativ harmlos zu charakterisieren. Das Framing der
Tabak- und Nikotinindustrie vermeidet dementsprechend Begrifflichkeiten
wie „Rauchen“, „Zigarette“, „Schaden“ und „Sucht“. Stattdessen verwendet
sie Begriffe wie „risikoreduziert“, „rauchfrei“, „tabakfrei“ „dampfen“ und
„alternative Produkte“, welche angenehm und ungefährlicher klingen. Diese
Sprache kann als Teil einer gezielten Marketingstrategie der Tabak- und
Nikotinindustrie verstanden werden, die das Risiko, das mit dem Konsum von
Nikotinprodukten verbunden ist, als gering darstellt.

„Sprache schafft Wirklichkeit. Sie beeinflusst das Denken, die Deutung der
Wirklichkeit und wofür wir Handlungen wichtig finden – oder eben nicht“,
sagt die Soziologin Waltraud Posch von VIVID – Fachstelle für
Suchtprävention in Graz. Daher brauche es eine klare Nomenklatur, die das
Gefährdungs- und Suchtpotenzial von Nikotinprodukten widerspiegeln. „Es
ist wichtig, die Sprache der Tabak- und Nikotinindustrie zu durchschauen
und kritisch zu hinterfragen. Denn die Tabak- und Nikotinindustrie benennt
ihre neuen Produkte mit harmlosen, angenehmen Begriffen und vermeidet
damit, Nikotinprodukte und deren Konsum entsprechend ihrem
Gefährdungspotenzial zu benennen.“

Presse-Einladung zum Vortrag und Expertengespräch beim Pneumologie-
Kongress in Leipzig:

Donnerstag, 10. April, 10.30 bis 11 Uhr, Bühne in der DGP-Lounge, Eingang
Halle 2
Schützen wir die Jugend – die Tabakindustrie greift mit neuen
Nikotinprodukten an!
•       Influencer und Paketdienste – der Nikotinindustrie schutzlos
ausgeliefert
•       E-Zigaretten? Effektive Tabakentwöhnung geht anders
•       Herangezoomt: Die Sprache der Nikotinindustrie
Experten vor Ort: Dr. Claudia Bauer-Kemény, Matthias Urlbauer, Prof.
Stefan Andreas, Dr. Alexander Rupp und Mag.a Waltraud Posch

Weiterführende Informationen:

•       Auf Anfrage: Die aktuelle Veröffentlichung „Interessensgesteuertes
Framing: Die Sprache der Nikotinindustrie“ (Pneumologie, 2025) von
Waltraud Posch, Sabina Ulbricht und Reiner Hanewinkel senden wir
Journalistinnen und Journalisten zu Recherchezwecken gerne kostenfrei zu.
•       DGP-Positionspapier „Kodex zum Umgang mit der Tabak- und
Nikotinindustrie – Handlungsimpuls für wissenschaftliche
Fachgesellschaften“: https://www.thieme-
connect.com/products/ejournals/pdf/10.1055/a-2445-4286.pdf
•       Mehr zur Nikotin- und Tabakentwöhnung: https://pneumologie.de
/tabakentwoehnung-und-e-zigarette/publikationen
•       DGP-Kodex zum Verhalten gegenüber der Tabakindustrie:
https://pneumologie.de/tabakentwoehnung-und-e-zigarette/ethischer-kodex

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