Ramadan: Herausforderung für Menschen mit chronischen Krankheiten
Für die über 5 Millionen in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime
beginnt am 28. Februar der religiöse Fastenmonat Ramadan.
Rund 180.000 von
ihnen leben mit der Diagnose Typ-2-Diabetes.1/2 Doch das Fasten birgt
gesundheitliche Risiken für Betroffene. Das veränderte Essverhalten
zwischen Sonnenuntergang und -aufgang kann den Blutzuckerspiegel stark
beeinflussen - besonders auch bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. Experten
der AG Diabetes & Migration der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG)
geben Tipps, welche Maßnahmen Musliminnen und Muslime mit Diabetes
unbedingt treffen sollten – und wann sie auf das Fasten besser verzichten.
Musliminnen und Muslime mit Diabetes sind laut islamischer Regelung nicht
zum Fasten verpflichtet. „Trotzdem entscheiden sich viele dafür – was aus
religiösen und sozialen Gründen verständlich ist“, erklärt Professor Dr.
Ina Danquah, Vorsitzende der AG Diabetes & Migration der DDG, Direktorin
am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn und
Leiterin der Forschungsgruppe Klimawandel, Ernährung und Gesundheit am
Heidelberger Institut für Global Health (HIGH). Eine Studie ergab, dass
94,2 Prozent aller Muslime mit einem Typ-2-Diabetes für mindestens 15 Tage
fasten.3 „Doch für manche Menschen mit Diabetes kann das Fasten erhebliche
gesundheitliche Risiken bergen“, so Danquah. Besonders Menschen mit
Typ-1-Diabetes, Schwangere mit Schwangerschaftsdiabetes oder Menschen mit
schweren diabetischen Folgeerkrankungen wie Nieren- oder Herzproblemen
gehören zu den Hochrisikogruppen. Sie sollten das Fasten vermeiden oder
ärztlich eng begleitet werden.
Typ-1-Diabetes: Risiko für Unterzuckerungen steigt stark
Menschen mit Typ-1-Diabetes wird vom Fasten eher abgeraten. „Das Risiko
für schwere Unterzuckerungen ist während des Ramadans fast fünfmal so hoch
wie im restlichen Jahr“, warnt Dr. med. Alain Barakat, stellvertretender
Vorsitzender der AG Diabetes & Migration und Diabetologe im Diabetes
Zentrum Duisburg-Mitte. Besonders problematisch ist die lange Essenspause:
Der Körper kann den Blutzuckerspiegel nicht selbst regulieren, was zu
gefährlichen Schwankungen führen kann. „Wer dennoch fasten möchte, sollte
dies nur unter engmaschiger ärztlicher Kontrolle und mit kontinuierlichem
Glukosemonitoring tun“, rät Barakat. Denn Studien zeigen, dass
Patientinnen und Patienten mit einer Insulinpumpe ein geringeres Risiko
für schwere Unterzuckerungen haben.4
Typ-2-Diabetes: Individuelle Einschätzung nötig
Menschen mit Typ-2-Diabetes können fasten, sofern ihr gesundheitliches
Risiko niedrig ist und sie ihren Stoffwechsel genau im Blick haben.
„Dennoch steigt das Risiko für Über- und Unterzuckerungen deutlich an“,
erklärt Danquah. „Besonders nach dem Iftar, dem Fastenbrechen, kann der
Blutzucker stark ansteigen, wenn viele süße oder fettige Speisen
konsumiert werden.“ Um dies zu vermeiden, sollten Fastende möglichst
wenige Kohlenhydrate zu sich nehmen und auf ausgewogene Mahlzeiten mit
Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Gemüse und magerem Eiweiß achten. Brot,
Kartoffeln und Reis sowie süße Baklava oder gesüßte Getränke sollten in
geringen Mengen konsumiert werden. So wäre auch eine medikamentöse
Anpassung einfacher.
Dann besteht ein sehr hohes/hohes Risiko für Komplikationen durch das
Fasten:
- Therapie mit Insulin, SGLT2-Inhibitoren, Metformin oder GLP-1
Agonisten
- Schwere Hypoglykämien innerhalb der zurückliegenden drei Monate
vor dem Ramadan
- Aktuelle Erkrankungen
- Schwangerschaft
- Nierenprobleme/Dialyse
- Typ-1-Diabetes
- Besonders intensive körperliche Arbeit
- Hohes Alter mit schlechtem Gesundheitszustand
Wichtige Hinweise bei Fasten mit Diabetes
- Rechtzeitig mit dem Arzt sprechen: Bestenfalls 4 bis 6 Wochen vor dem
Ramadan sollte die Diabetes-Therapie überprüft und angepasst werden.
- Blutzucker regelmäßig messen: Die Kontrolle ist den ganzen Tag über
erlaubt und hilft, Unter- und Überzuckerungen zu vermeiden.
- Bei Unter- und Überzuckerung sofort handeln: Sinkt der Blutzucker unter
70 mg/dl oder treten Symptome wie Zittern oder Schwindel auf, sollte das
Fasten sofort unterbrochen werden. Gleiches gilt bei häufigem
Wasserlassen, Müdigkeit, Verwirrtheit, Übelkeit und einem
Blutzuckeranstieg auf über 300 mg/dl.
- Flüssigkeitshaushalt beachten: Besonders in warmen Regionen ist das
Risiko für Dehydrierung hoch. Viel Wasser oder ungesüßter Tee nach
Sonnenuntergang helfen, den Flüssigkeitsbedarf zu decken.
- Mahlzeiten bewusst gestalten: Sahur (die Mahlzeit vor Sonnenaufgang)
sollte lang sättigende, ballaststoffreiche Lebensmittel wie Haferflocken
oder Vollkornprodukte enthalten. Beim Iftar sollten fett- und zuckerreiche
Speisen vermieden werden.
„Niemand mit Diabetes sollte sich gezwungen fühlen zu fasten“, betont
Barakat. „Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht fasten kann oder möchte,
kann seine Glaubenspflicht auch durch das Spenden von Essen oder Geld
erfüllen.“
Mit der umfassenden Leitlinie „Diabetes and Ramadan“ stellt die
International Diabetes Federation (IDF) medizinischem Personal praktische
Handlungsempfehlungen und Hintergrundinformationen bereit, um ihre
Patientinnen und Patienten in der Fastenzeit zu betreuen.5 Auf der
Homepage von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe können sich Betroffene
ausführlich zum Fasten mit Diabetes informieren:
https://www.diabetesde.org/ram
Literatur
1 Heidemann C, Scheidt-Nave C (2017) Prevalence, incidence and mortality
of diabetes mellitus in adults in Germany – a review in the framework of
the Diabetes Surveillance. J Health Monit 2(3):98–121
2 Lehner CT, Eberl M, Donnachie E, Tanaka LF, Schauberger G, Schederecker
F, Himmler S, Sundmacher L, Klug SJ (2024) Incidence trend of type 2
diabetes from 2012 to 2021 in Germany: an analysis of health claims data
of 11 million statutorily insured people. Diabetologia 67:1040-1050.
3 Multi-country retrospective observational study of the management and
outcomes of patients with Type 2 diabetes during Ramadan in 2010 (CREED),
Diabet Med 2015 Jun;32(6):819-28. doi: 10.1111/dme.12685. Epub 2015 Apr
10. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.go
4 Huai Heng Loh et al., Safety of Ramadan fasting in young patients with
type 1 diabetes: A systematic review and meta-analysis, J Diabetes
Investig 2019; 10: 1490–1501 doi: 10.1111/jdi.13054
5 IDF-Guidelines zu Diabetes und Fasten:
https://idf.org/e-library/guid
Weitere Informationen:
Diabinfo: Fasten mit insulinpflichtigem Diabetes:
https://www.diabinfo.de/nachri
diabetes.html
International Diabetes Federation: https://idf.org/about-diabetes
/diabetes-management/diabetes-