Alzheimer-Krankheit: Frühdiagnose per Bluttest rückt in greifbare Nähe
Wenn Menschen an Alzheimer erkranken, kann es viele Jahre dauern, bis sie
typische Symptome haben. Dann werden sie durch das Absterben der
Nervenzellen zunehmend vergesslicher und die Orientierung verschlechtert
sich. Die Forschung zu Verfahren der Frühdiagnose ist mittlerweile so weit
fortgeschritten, dass die Krankheit vor dem Auftreten erster Symptome
sichtbar wird.
Allerdings bisher nur im Nervenwasser oder mit nuklearmedizinischen
Verfahren. Ein Bluttest könnte bald eine einfache und sichere Diagnose
ermöglichen. Diese und weitere Verfahren der Frühdiagnostik und neue
Therapieansätze stellt die Greifswalder Klinikdirektorin für Neurologie,
Prof. Agnes Flöel, heute auf einem Symposium in Berlin vor.
„Je früher die Alzheimer-Krankheit bei den Betroffenen diagnostiziert
werden kann, desto mehr Therapiemöglichkeiten können angewendet werden“,
betont Flöel. Somit könne das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt
werden.
Eine wesentliche Rolle bei der Frühdiagnose spielen verschiedene
Biomarker. Hierbei handelt es sich um biologische Anzeichen im Gehirn, die
mittels Lumbalpunktion im Nervenwasser gemessen werden können. Daneben
werden auch nuklearmedizinische bildgebende Verfahren zum Nachweis
bestimmter Proteine angewendet. „Diese Formen der Alzheimer-Früherkennung
sind jedoch teuer, aufwändig und belastend für die Betroffenen“, betont
Flöel weiter. Ein Bluttest, der solche für die Alzheimer-Krankheit
relevanten Proteine nachweisen kann, sei hingegen weniger belastend und
könne möglicherweise bereits in der Hausarzt- oder Facharztpraxis
durchgeführt werden.
Erste Studien haben ergeben, dass zum Beispiel das Eiweiß Phospho-Tau 217
ein besonders aussichtsreicher Kandidat für die Früherkennung sei: Eine
Testung könne mit einer 88- bis 92-prozentigen Genauigkeit die Alzheimer-
Erkrankung diagnostizieren. Auch andere Blutbiomarker sind
erfolgsversprechend. So erforscht das Deutsche Zentrum für
Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE), das in Greifswald einen seiner zehn
Standorte hat, sogenannte MicroRNAs im Blut. Diese lassen eine Alzheimer-
Demenz und ihre Vorstufe erkennen. Sogar der Zeitpunkt des Übergangs von
einer leichten kognitiven Beeinträchtigung zu einer Alzheimer-Erkrankung
lasse sich damit vorhersagen.
„Vieles spricht dafür, dass wir perspektivisch mit einem einfachen
Bluttest unkompliziert und schnell eine Alzheimer-Krankheit in sehr frühen
Stadien diagnostizieren können“, erklärt Flöel, die auch
Arbeitsgruppenleiterin im DZNE ist. „Jeder Verdachtsfall könnte dann
schnell und unkompliziert abgeklärt werden, womöglich schon in der
Hausarztpraxis.“
Trotz vieler hoffnungsvoller Therapieansätze gebe es jedoch noch keine
Therapie, die Alzheimer heilt oder das Fortschreiten vollständig stoppt.
Ein flächendeckendes Screening, wie dies bereits in der Krebsfrüherkennung
etabliert ist, sei daher noch nicht zu empfehlen. Zugleich betont Flöel:
„Jeder Mensch hat ein Recht auf Nicht-Wissen, das auch respektiert werden
muss.“ Die Früherkennung ermögliche zwar, dass therapeutische und
präventive Maßnahmen früher begonnen und wichtige Entscheidungen für die
eigene Zukunft getroffen werden können. „Die Kehrseite ist aber, dass man
länger mit dem Wissen um eine zukünftige Erkrankung leben muss, und das
Wissen um die Diagnose natürlich das Leben verändert. Die Entscheidung für
oder gegen die Früherkennung muss also unbedingt individuell nach
entsprechender Beratung gefällt werden.“
Prof. Uwe Reuter, Ärztlicher Vorstand der UMG und selbst Neurologe, lobt
den Greifswalder Auftritt auf dem heutigen Symposium der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Deutschen Gesellschaft für
Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)
in Berlin: „Prof. Agnes Flöel treibt die Forschung an der Alzheimer-
Krankheit hier in Greifswald aktiv voran und leistet damit einen
wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Patientenversorgung nicht nur in
unserer Region.“ Durch eine frühere Diagnostik könnten nicht zuletzt auch
neue Medikamente, die sich auf das Stadium der leichten kognitiven
Einschränkung oder der leichten Demenz beschränken, eine bedeutende Rolle
spielen.