Nephrologen fordern Basisscreening auf Nierengesundheit für alle
Mit 2 einfachen Tests aus Blut- und Urinproben könnte eine chronische
Nierenkrankheit (CKD) frühzeitig erkannt werden. Dies gewinnt zunehmend an
Bedeutung, da seit Kurzem mehrere neue Medikamente das Fortschreiten der
CKD wirksam aufhalten können. Die derzeitigen Check-up-Untersuchungen in
Deutschland erfassen diese Parameter jedoch nur unzureichend oder gar
nicht. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass selbst bei Vorliegen von
Hochrisikofaktoren für eine CKD – wie etwa ein Typ-2-Diabetes oder
Bluthochdruck – häufig keine Bestimmung der Albuminausscheidung im Urin
und der sogenannten geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) im
Blut erfolgt (1).
Um die Chancen einer frühzeitigen Diagnose und Therapie dieser
volkswirtschaftlich bedeutsamen Erkrankung zu nutzen, fordert die Deutsche
Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN) im Vorfeld ihrer 16.
Jahrestagung die Verankerung dieser kostengünstigen Untersuchungen in der
hausärztlichen und internistischen Versorgung. Die Tagung findet vom 26.
bis 29. September 2024 in Berlin (ECC) statt. CKD und Nierenscreenings
stehen auch auf der Agenda der hybriden Pressekonferenz am Freitag, 27.
September 2024, von 11:45 bis 13:00 Uhr.
Den Link zur Pressemitteilung finden Sie hier:
https:/www.dgfn.eu/pressemeldu
ckd-verhindern.html
In Deutschland leiden mehr als 10 Millionen Menschen an CKD. Dabei handelt
es sich um eine schwere und irreversible Erkrankung, die zu einem
fortschreitenden Verlust der Nierenfunktion führt. Im Endstadium sind die
Betroffenen auf eine regelmäßige Blutreinigung durch Dialyse oder eine
Nierentransplantation angewiesen. Darüber hinaus steigt mit abnehmender
Nierenfunktion das kardiovaskuläre Risiko stark an, also die
Wahrscheinlichkeit, etwa einen Herzinfarkt zu erleiden (2). Diabetes
mellitus und Bluthochdruck sind gleichzeitig die Hauptauslöser für eine
CKD. Viele Betroffene wissen jedoch nichts von ihrer Erkrankung, auch weil
bis zu 90 Prozent des Nierenfunktionsverlustes ohne Symptome verlaufen
können. Gleichzeitig ist die CKD trotz bekannter Risikofaktoren oft
dramatisch unterdiagnostiziert, eine leitliniengerechte Labordiagnostik
wird in deutschen Hausarztpraxen nicht ausreichend durchgeführt. Dies
belegt die jetzt veröffentlichte InspeCKD-Studie (1).
„Das ist tragisch, denn seit einigen Jahren stehen endlich wirksame
Medikamente zur Verfügung, mit denen wir das Fortschreiten der CKD vor
allem auch in frühen Stadien verzögern oder sogar stoppen können“, sagt
Professor Dr. med. Julia Weinmann-Menke, Sprecherin der DGfN und
Direktorin der Klinik für Nephrologie, Rheumatologie und
Nierentransplantation (NTX) am Universitätsklinikum Mainz. „Dazu müssen
wir die CKD aber rechtzeitig diagnostizieren.“
Die neuen Therapieoptionen schützen auch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Mit den SGLT-2-Hemmern für alle Menschen mit CKD, den nicht-steroidalen
Mineralkortikoid-Rezeptor-Anta
mit CKD und mit der bevorstehenden Zulassung der GLP-1-Rezeptor-Agonisten
für CKD bei Typ-2-Diabetes stehen erstmals Therapieoptionen zur Verfügung,
die den Nierenfunktionsverlust verlangsamen (3, 4, 5, 6). „Mit diesen
Behandlungen kann auch die Prognose der Betroffenen für Herz-Kreislauf-
Erkrankungen verbessert werden“, sagt Weinmann-Menke. Denn beide
Erkrankungen hängen zusammen.
Albumin im Urin ist das erste Anzeichen für eine Nierenschädigung
Zur Diagnose einer CKD reicht die Kombination eines einfachen Bluttests
mit einem Urintest, bei dem die eGFR und die Proteinwerte im Urin bestimmt
werden. Die eGFR kann aus dem Kreatininwert im Blut einfach rechnerisch
ermittelt, „geschätzt/estimated“ werden. Doch die Nephrologin betont:
„Durch den Nachweis von Albumin im Urin ist es möglich, die Diagnose einer
CKD viel früher zu stellen als durch die alleinige Betrachtung der eGFR,
denn es ist häufig das erste Anzeichen für eine Schädigung der
Nierengefäße.“
Selbst Risikopatienten erhalten oft kein Nierenscreening
Neben einer Vielzahl internationaler Studien zeigte zuletzt die InspeCKD-
Studie auch für Deutschland: Nur bei 45,5 Prozent der Risikopatientinnen
und -patienten wurde der eGFR-Wert in der Hausarztpraxis bestimmt. Eine
Albuminbestimmung mit Teststreifen erhielten sogar nur 7,9 Prozent der
Patientinnen und Patienten und die UACR (quantitative Bestimmung der
Albuminausscheidung im Urin) wurde nur bei 0,4 Prozent der Betroffenen
bestimmt.
Für Gesundheitschecks von Nicht-Risikogruppen sind Urinteststreifen ein
guter erster Marker
Für die routinemäßige Früherkennung bei Nicht-Risikogruppen können
spezielle Urinteststreifen als Screening eingesetzt werden. Präziser ist
jedoch der sogenannte Albumin-Kreatinin-Quotient (UACR = Urin-Albumin-
Kreatinin-Ratio). Er errechnet sich aus der Albumin- und der
Kreatininmenge im Urin.
Neue Leitlinie empfiehlt Screening bei Diabetes und Herz-Kreislauf-
Erkrankungen
Wer sollte nun auf CKD untersucht werden? In der zuletzt aktualisierten
internationalen Leitlinie KDIGO ist nun die Empfehlung enthalten,
bestimmte Risikopersonen auf eine Nierenerkrankung zu untersuchen (7).
„Dazu gehören vor allem Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Adipositas, bekannte Nierenkrankheiten in der Familie, vorausgegangene
Nierenschädigung“, so Weinmann-Menke.
DGfN befürwortet Screening für alle und Aufnahme ins GHG
Die Aufnahme von Nierenerkrankungen in das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) wäre
ein entscheidender Schritt, um die Früherkennung zu verbessern,
Herzinfarkte und Schlaganfälle zu reduzieren und langfristig die
Gesundheitskosten zu senken", sagt Weinmann-Menke. Bisher sind die Nieren
im GHG jedoch nicht berücksichtigt, obwohl die DGfN über Stellungnahmen,
Teilnahme an der Anhörung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und
mediale Beiträge intensiv auf das kritische Fehlen der CKD im GHG
hingewiesen hat. Und die Nephrologin geht noch einen Schritt weiter: „Da
wir nicht genug betonen können, wie wichtig die Früherkennung von CKD ist,
plädieren wir für ein grundsätzliches Screening im Rahmen der von den
gesetzlichen Krankenkassen bezahlten Gesundheitsuntersuchungen ab dem 35.
Lebensjahr.“
Weniger Dialysen durch frühes Nierenscreening
Eine Prognose zur Entwicklung der häufigsten Todesursachen aus dem Jahr
2018 zeigt, dass CKD zwischen 2016 und 2040 von der 16. auf die 5.
häufigste Todesursache vorrücken könnte (8). „Wenn es gelingt, regelmäßige
Früherkennungsuntersuchungen einzuführen, die Patientinnen und Patienten
über ein Disease-Management-Programm (DMP) zu begleiten und die
medikamentösen Optionen zu nutzen, ist davon auszugehen, dass es in
Zukunft weniger Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittener CKD und
damit weniger Dialysen, Bluthochdruck, Schlaganfälle und weniger
Herzinfarkte geben wird“, sagt Dr. med. Nicole Helmbold, Generalsekretärin
der DGfN. Weitere und genauere Daten darüber, wie und in welchem Ausmaß
Maßnahmen zur Erkennung, Risikostratifizierung und Behandlung von CKD die
gesundheitlichen Ergebnisse verbessern würde, könne ein Deutsches Zentrum
für Nierengesundheit erheben, so Helmbold weiter. „Auch deshalb setzen wir
uns für seine Gründung ein.“
Der neueste Stand zu CKD von Diagnose bis Therapie ist Gegenstand der 16.
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie sowie der im
Rahmen des Kongresses hybrid durchgeführten Pressekonferenz am Freitag,
27. September 2024, 11:45 bis 13:00 Uhr.
Quellen:
(1) Wanner, C., Schaeffner, E., Frese, T. et al. InspeCKD - Analyse
zur Nutzung von Labordiagnostik im Kontext der chronischen
Nierenerkrankung. MMW Fortschr Med 166 (Suppl 4), 9–17 (2024).
https://doi.org/10.1007/s15006
(2) Colombijn JMT, Idema DL, van Beem S, et al. Representation of
Patients With Chronic Kidney Disease in Clinical Trials of Cardiovascular
Disease Medications: A Systematic Review. JAMA Netw Open.
2024;7(3):e240427. doi:10.1001/jamanetworkopen.20
(3) Mann, J.F.E., Rossing, P., Bakris, G. et al. Effects of
semaglutide with and without concomitant SGLT2 inhibitor use in
participants with type 2 diabetes and chronic kidney disease in the FLOW
trial. Nat Med (2024). https://doi.org/10.1038/s41591
(4) Hiddo J.L. Heerspink, Ph.D., Bergur V. Stefánsson, M.D., Ricardo
Correa-Rotter, M.D., Glenn M. Chertow, M.D., Tom Greene, Ph.D., Fan-Fan
Hou, M.D., Johannes F.E. Mann, M.D., et al. Dapagliflozin in Patients with
Chronic Kidney Disease. N Engl J Med 2020;383:1436-1446, VOL. 383 NO. 15.
doi: 10.1056/NEJMoa2024816
(5) The EMPA-KIDNEY Collaborative Group. Empagliflozin in Patients
with Chronic Kidney Disease. N Engl J Med 2023;388:117-127, VOL. 388 NO.
2. doi: 10.1056/NEJMoa2204233
(6) Agarwal, Rajiv, Filippatos, Gerasimos, Pitt, Bertram et al.
Cardiovascular and kidney outcomes with finerenone in patients with type 2
diabetes and chronic kidney disease: the FIDELITY pooled analysis. Eur
Heart J. 2022 Feb 10;43(6):474-484. doi: 10.1093/eurheartj/ehab777.
(7) KDIGO-Leitlinien-Update Clinical Practice Guideline for the
Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease, Volume 105, Issue 4S,
April 2024. https://kdigo.org/wp-content/u
Guideline.pdf
(8) Foreman KJ, Marquez N, Dolgert A, Fukutaki K, Fullman N, McGaughey
M, et al. Forecasting life expectancy, years of life lost, and all-cause
and cause-specific mortality for 250 causes of death: reference and
alternative scenarios for 2016-40 for 195 countries and territories.
Lancet. 2018;392(10159):2052-90
Interessenkonflikte:
Professor Weinmann-Menke hat Vortragshonorare von Astra Zeneca, Norvartis,
Chiesi, GSK, Boehringer-Ingelheim, Miltenyi, Bayer-Vifor, Fresenius und
Otsuka erhalten.
Terminhinweise:
16. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie e. V. (DGfN)
Motto: „Neue Nephrologie“
Termin: 26. bis 29. September 2024
Ort: ECC Berlin (Estrel Congress Center)
Adresse: Sonnenallee 225, 12057 Berlin
http://www.nephrologie-kongres
Hybride Pressekonferenz
Termin: Freitag, 27. September 2024, 11:45 bis 13:00 Uhr
Ort: ECC Berlin (Estrel Congress Center), Raum X
Anmeldelink:
https://us06web.zoom.us/j/8829
Ausgewählte Sitzungen zu CKD auf der 16. Jahrestagung der Deutschen
Gesellschaft für Nephrologie e. V.
Chronische Nierenkrankheit (CKD) – Therapie
Termin: Freitag, 27. September, 11:00 bis 12:15 Uhr
Ort: ECC, Saal A
• Ergebnisse zu renalen Endpunkten der FLOW- und SELECT-Studien
• Wirkung der SGLT2-Inhibition auf die Körperzusammensetzung –
erklärt das den Nutzen?
• Inflammation – neues therapeutisches Target bei CKD
• KDIGO: CKD Evaluation and Management 2024
Link: https://www.nephrologie-kongre
therapie.html
Altersübergreifende Therapie der chronischen Nierenkrankheit (CKD)
Termin: Freitag, 27. September, 16:30 bis 17:45 Uhr
Ort: ECC, Raum IV
• CKD: Diagnosesicherung und Progressionshemmung bei Kindern und
Jugendlichen
• Einfluss der primären Nierenerkrankung auf die Effekte von
Empagliflozin in Patienten mit chronischer Nierenerkrankung:
Sekundäranalyse der EMPA-KIDNEY
• Altersübergreifende Leitlinien: Chancen und Limitationen
• Therapie der CKD im hohen Alter
Link: https://www.nephrologie-kongre
%BCbergreifende-therapie-der-c
Chronische Nierenkrankheit (CKD) – Versorgung
Termin: Sonntag, 29. September, 8:15 bis 9:30 Uhr
Ort: ECC, Raum II
• Versorgungskonzepte bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes
und Nierenerkrankungen
• Die InspeCKD-Studie – Die chronische Nierenkrankheit in deutschen
Hausarztpraxen: Prävalenz, Diagnose und medikamentöse Therapie bei
Risikopatient:innen
• Disease Management Programm Niere
• ATLAS-CKD – Aktuelle Epidemiologie und Gesundheitskennzahlen von
CKD-Patient:innen in Deutschland
Link: https://www.nephrologie-kongre
versorgung.html
Chronische Niereninsuffizienz I
Termin: Sonntag, 29. September, 8:15 bis 9:30 Uhr
Ort: ECC, Raum II
• Glomerulonephritiden
• Knochen- und Mineralstoffwechsel
• Management Nephroprotektion
Link: https://www.nephrologie-kongre
/chronische-niereninsuffizienz