Mut nach Diagnose: Sport stärkt MS-Patientinnen und -Patienten
Am Welttag der Multiplen Sklerose steht in diesem Jahr der Umgang mit der
Diagnose im Fokus. // Eine junge Patientin findet nach ihrer MS-Diagnose
Halt und Kraft im Rennradsport. // Am MS-Zentrum des Uniklinikums Dresden
profitieren Patientinnen und Patienten von innovativen Therapien.
Das Multiple-Sklerose-Zentrum der Klinik für Neurologie am
Universitätsklinikum Dresden will beim diesjährigen Welt-Multiple-
Sklerose-Tag am Donnerstag (30. Mai) Zuversicht bei den Betroffenen und
ihren Angehörigen vermitteln. Dabei machen sie auf die große Palette an
diagnostischen Verfahren und Therapiestrategien aufmerksam, die im
Dresdner Uniklinikum angeboten werden. Dank der interdisziplinären
Zusammenarbeit vieler Kliniken und Zentren lassen sich bei nicht wenigen
Patientinnen und Patienten Krankheitsschübe reduzieren, das Fortschreiten
der Erkrankung verzögern und in bestimmten Fällen sogar unterbinden. Denn
die Diagnose Multiple Sklerose (MS) bedeutet für die Betroffenen große
Veränderungen in ihrem Leben. Deutschlandweit leiden rund 280.000 Menschen
an der Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem das eigene zentrale
Nervensystem angreift. Der Welt-MS-Tag steht unter dem Motto: „Mit Mut und
Stärke leben lernen!“ Was hilft nach der Diagnose, woraus schöpfen
Menschen, die an MS leiden, Kraft für ein Leben mit dieser Erkrankung?
Eine Patientin des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden
berichtet darüber, wie der Radsport sie fit hält und ihr Mut gibt.
Mehr als 2.000 Patientinnen und Patienten werden am Multiple-Sklerose-
Zentrum des Uniklinikums behandelt – es zählt damit zu den größten MS-
Zentren in Deutschland. Auch Lara Wolleschensky wird aufgrund einer MS-
Erkrankung behandelt, zunächst in Jena, seit 2018 am MS-Zentrum in
Dresden. Mit ersten Symptomen wie Zittern in den Händen und Krämpfen
kämpft sie bereits als 17-Jährige, vor allem in der Schule fällt das
Mitschreiben schwer, in der Freizeit wird Wandern zur Tortur. Was ihr
fehlt, können Medizinerinnen und Mediziner zunächst nicht feststellen.
Erst nach einem Jahr, im Alter von 18 Jahren, bekommt sie 2015 nach einer
Untersuchung auf MS Gewissheit. „Im Schnitt dauert es immer noch drei
Jahre, bis die Diagnose Multiple Sklerose gestellt wird“, sagt Prof. Tjalf
Ziemssen, Leiter des Zentrums für klinische Neurowissenschaften der Klinik
für Neurologie, zu dem auch das MS-Zentrum gehört. Andere entzündliche
Erkrankungen, verursacht etwa durch einen Zeckenbiss, äußern sich mit
ähnlichen Symptomen, was die Diagnose MS zusätzlich erschwere, so
Ziemssen. Lara Wolleschensky trifft die Diagnose nicht unvorbereitet,
erzählt sie. Ihr Neurologe habe sie schließlich gezielt auf MS getestet
und ihr das klar kommuniziert. „Ich bin ihm dafür sehr dankbar. Ich war
einfach froh, dass es endlich eine Erklärung für meine Symptome wie
Abgeschlagenheit und Müdigkeit gab.“ Multiple Sklerose tritt häufig in
Schüben auf. Lara Wolleschensky bekommt inzwischen ein Antikörper-
Medikament einmal monatlich per Infusion. Das reduziert das Auftreten von
Schüben. „Ganz verschwindet die Krankheit aber nicht, sie ist
allgegenwärtig“, sagt die Patientin.
Passend zum Motto des diesjährigen Welt-MS-Tages berichtet die heute
26-jährige Dresdnerin von ihrem persönlichen Umgang mit der Erkrankung und
wie sie im Sport die nötige Energie dafür gefunden hat – auch im
Patienten-Podcast, den das Dresdner MS-Zentrum regelmäßig produziert. „Ich
will anderen Menschen, die mit dieser Diagnose konfrontiert sind, Mut
machen und zeigen, dass auch mit Multipler Sklerose ein erfülltes Leben
möglich ist“, sagt Lara Wolleschensky. Der Weg dorthin war auch für die
junge Frau ein schwieriger. Bereits seit ihrer Geburt leidet sie an
Hemiparese, einer teilweisen Lähmung ihrer linken Körperhälfte, wofür
vermutlich ein Schlaganfall bei der Geburt verantwortlich ist. Von Klein
auf lebt Lara Wolleschensky mit ihrer körperlichen Beeinträchtigung, sie
kämpft sich durch, ist willensstärker als manch anderes Kind in ihrem
Alter. Ihr großer Traum: Fahrradfahren, so wie es ihre Schwester damals
tut. In ihren fahrradbegeisterten Eltern findet das Mädchen Unterstützung
– trotz ihrer körperlichen Einschränkungen beißt sie sich durch, meldet
sich später sogar für Radrennwettkämpfe an. „Ich mache den Sport aber vor
allem für mich, und nicht, um irgendjemanden etwas zu beweisen“, betont
Lara Wolleschensky.
Der Sport fordert sie, immer wieder muss sie ihr Gleichgewicht auf zwei
Rädern finden – das hält ihr Handicap zugleich unter Kontrolle. Ihr
sportlicher Weg – angefangen bei Lizenzrennen in Thüringen bis hin zur
Deutschen Meisterschaft – kann sich dennoch sehen lassen und gipfelt 2023
in der Teilnahme an einem Langstreckenrennen in Norwegen. Die 540
Kilometern lange Strecke wird zur Kraftprüfung, für die Lara Wolleschensky
viel trainieren muss. Letztlich kommt sie als zwölfte Frau nach gut 20
Stunden ins Ziel. Was der Sport für sie bedeutet? „Ich habe mich lange
versteckt mit meiner Krankheit. Im Radsport habe ich viel Zuspruch
erfahren – das hat mir Kraft gegeben.“ Heute trainiert die in Vollzeit
arbeitende Versicherungsfachfrau 15 Stunden wöchentlich auf ihrem Rad und
startet im Paracycling bei Weltcup-Rennen. „Damit verkörpert sie das Motto
des diesjährigen Welt-MS-Tages im besten Sinn und zeigt, dass man auch mit
MS besondere Dinge tun und sich Ziele setzen kann“, sagt Prof Ziemssen.
MS-Zentrum am Uniklinikum testet neuartiges Antikörper-Shuttle
Forschungsteams erzielen derzeit große Fortschritte dabei, die Ursachen
dieser entzündlichen und gleichzeitig neurodegenerativen Erkrankung zu
verstehen. „Doch noch ist nicht absehbar, wann und mit welcher Strategie
Multiple Sklerose heilbar sein wird“, sagt Prof. Tjalf Ziemssen. „Deshalb
ist es so wichtig, bereits etablierte Therapien weiter zu verbessern und
alle verfügbaren Ansätze im Sinne der Patientinnen und Patienten im Blick
zu behalten. Das ist eine verlässliche Basis, um für jeden einzelnen Fall
die beste Strategie wählen zu können“, sagt Prof. Michael Albrecht,
Medizinischer Vorstand am Uniklinikum. Seit vielen Jahren testet Prof.
Ziemssen gemeinsam mit Patientinnen und Patienten im Rahmen von weltweiten
Studien neuartige Medikamente. Eines der Medikamente transportiert als
sogenanntes Molekül-Shuttle Antikörper direkt ins Gehirn. Dort töten die
Antikörper die Abwehrzellen ab, die den eigenen Körper angreifen und
mildern somit die MS-Schübe ab.
Hier geht es zum Podcast: https://zkn.uniklinikum-dresde
podcast