Mit Plug & Play zum Elektroauto
Die Entwicklung neuer Elektroauto-Modelle ist aufwändig und teuer. Die
Gründer des Start-ups DeepDrive, das an der Technischen Universität
München (TUM) gegründet wurde, wollen das ändern: Die von ihnen
entwickelten modularen Plattformen mit integrierten Batterien und
hocheffizienten Radnaben-Motoren beinhalten Antrieb, Lenkung, Bremsen und
Fahrwerk. Auf dieser Basis können Hersteller schnell neue Modelle aufbauen
und auf den Markt bringen.
„Wir waren schon vor sieben Jahren ein gutes Team“, sagt Felix
Poernbacher. Er und fünf weitere Gründer des Start-ups DeepDrive haben
sich im Wintersemester 2014/2015 im Projekt TUfast an der TUM
kennengelernt. Ihr Ziel war es, einen elektrischen Rennwagen zu bauen und
damit am Konstruktionswettbewerb „Formula Student“ teilzunehmen. „Dieses
Projekt hat uns zusammengeschweißt“, erinnert sich Poernbacher: „In der
entscheidenden Phase vor dem Rennen haben wir alle Tag und Nacht in der
Werkstatt verbracht und – wenn überhaupt – auch dort geschlafen. Das waren
harte Wochen, aber wir haben sehr viel gelernt: über Technik,
Projektmanagement und auch über Menschenführung.“ Beim Rennen auf dem
Hockenheimring gewann das TUM-Team den Wettbewerb in „Engineering Design“.
Bald darauf schloss Poernbacher sein Studium an der TUM School of
Management ab, die anderen Projektleiter machten ihre Abschlüsse in
Elektrotechnik und Maschinenbau an der TUM. Trotz neuer Jobs blieben sie
weiter im Kontakt. Ihre Gespräche kreisten dabei immer wieder um das Thema
Elektromobilität, wie sie die Automobilindustrie verändert und welche
neuen Geschäftsfelder sich dadurch entwickeln.
Eine Plattform für alle Hersteller
„Fakt ist, dass jetzt in Asien, aber auch in Europa viele neue Player auf
den Markt drängen, die sich auf bestimmte Kundengruppen spezialisieren,
deren Bedürfnisse sie sehr genau kennen. Das sind Hersteller, die wollen
ein optimales Fahrzeug beispielsweise für Paketzusteller, für
Shuttleservices oder Handwerksbetriebe bauen“, erklärt Stefan Ender, neben
Poernbacher der zweite Managing Director von DeepDrive. „Bisher sind
solche Entwicklungen sehr teuer, denn man muss für jedes Modell die
Plattform, also den Unterbau mit Antrieb und Batterien, entwerfen,
realisieren und testen. Das brachte uns auf die Idee, eine Plug & Play-
Lösung zu entwickeln – eine Plattform, auf der die Hersteller aller
Fahrzeuge aufbauen können.“ Damit war die Business-Idee für das Start-up
DeepDrive geboren.
Ganz neu war diese freilich nicht: Große Automobilunternehmen haben ihre
eigenen Plattformen, auf die dann verschiedene Modelle montiert werden
können. Die DeepDrive-Gründer wollen jedoch mehr: Die Plattform soll
vollkommen skalierbar werden, also in ihrer Größe anpassbar an die Wünsche
der Kunden, der Antrieb kompakt und leichter als bisherige Modelle.
Materialsparend und leicht
Mit ihrer Idee wandten sich die Absolventen im Frühjahr 2021 an die TUM
Gründungsberatung. Sie nahmen an XPLORE teil, dem Pre-Incubator-Programm
von UnternehmerTUM, dem Zentrum für Innovation und Gründung. Das Programm
bietet Unterstützung dabei, die Unternehmensgründung vorzubereiten, den
Markt zu evaluieren und Kontakte mit potenziellen Kunden zu knüpfen. Kurz
darauf baute das Team den ersten Prototypen – eine Plattform, die an ein
überdimensionales Skateboard erinnert, in dessen flachen Rahmen die
Batterien integriert sind.
Das Herzstück der Plattform ist ein neu konzipierter, hocheffizienter
Antrieb. Er besteht aus zwei Radnaben-Motoren mit integrierter
Motorsteuerung, welche die Hinterräder antreiben. Da durch den
Direktantrieb weder Getriebe noch Achse benötigt werden, ist die
Konstruktion materialsparend und damit leicht. Die Motoren haben dank
eines neuen Designs nicht nur einen hohen Wirkungsgrad, sondern sind auch
robust. Mit der Technik, die bereits zum Patent angemeldet wurde, sei es
möglich, die Reichweite um 20 Prozent im Vergleich zum aktuellen Stand der
Technik zu steigern, so Stefan Ender. Bereits im Mai 2021 wurde DeepDrive
offiziell gegründet.
Anbindung an die Spitzenforschung
Das junge Unternehmen wird von den TUM Venture Labs gefördert. Die TUM
Venture Labs bieten Gründungsteams unter anderem eine unmittelbare
Anbindung an die Spitzenforschung, Expertinnen und Experten mit einem
tiefen Verständnis für den spezifischen Markt, technische Infrastruktur
sowie Zugang zu globalen Netzwerken aus Unternehmen und Kapitalgebern.
Mittlerweile ist das Team auf acht Mitglieder gewachsen, die den
Radnabenmotor zur Serienreife bringen und die Plattform weiterentwickeln.
Bis Ende des Jahres soll sich die Zahl der Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen auf über 20 erhöhen. Das Interesse der
Automobilunternehmen im In- und Ausland sei groß, berichtet Ender: „Die
Plattform gibt den Herstellern von Elektrofahrzeugen die Möglichkeit, sich
darauf zu konzentrieren, Fahrzeuge zu bauen, die den Wünschen ihrer Kunden
entsprechen, ohne sich um die Antriebstechnik kümmern zu müssen.“
DeepDrive konnte bereits Kapitalgeber für sich gewinnen. Unter anderen hat
der Venture Capital Fonds von UnternehmerTUM, UVC Partners, in das Start-
up investiert.
Mehr Informationen:
Jedes Jahr werden an der TUM 70 bis 80 technologieorientierte Unternehmen
gegründet. TUM und UnternehmerTUM unterstützen Start-ups mit Programmen,
die exakt auf die einzelnen Phasen der Gründung zugeschnitten sind – von
der Konzeption eines Geschäftsmodells bis zum Management-Training, vom
Markteintritt bis zum möglichen Börsengang. Die TUM Venture Labs bieten
Gründungsteams aus bedeutenden Wissenschaftsfeldern ein ganzes Ökosystem
in unmittelbarer Anbindung an die Forschung. Bis zu 30 Teams können Büros
im TUM Incubator nutzen, um sich auf den Start ihres Unternehmens
vorzubereiten. UnternehmerTUM investiert mit einem eigenen Venture Capital
Fonds in vielversprechende Technologieunternehmen und bietet mit dem
MakerSpace eine 1.500 Quadratmeter große Hightech-Werkstatt für den
Prototypenbau. Diese Förderung ist laut „Gründungsradar“ die beste an den
großen deutschen Hochschulen.