Grüne Wende am Arbeitsmarkt: Wie Beschäftigte die ökologische Transformation erleben
Der ökologische Wandel der deutschen Wirtschaft verändert die Nachfrage
auf dem Arbeitsmarkt. Wie neue Befragungsergebnisse des RWI zeigen,
erwarten viele Beschäftigte zwar, dass sie durch diese Transformation ihre
Kompetenzen erweitern müssen.
Für die zurückliegenden zwei Jahre spielte
die ökologische Transformation aus Sicht der Befragten jedoch keine große
Rolle für berufliche Veränderungen. Über 60 Prozent der Befragten
vertreten zudem die Auffassung, dass der ökologische Umbau der Wirtschaft
beschleunigt werden sollte. ...
... Das ergeben Auswertungen einer Umfrage des RWI – Leibniz-Institut für
Wirtschaftsforschung, die im September und Oktober 2024 im Rahmen des von
der E.ON Stiftung geförderten Projekts „Sozialökologisches Panel –
Fortführung und Weiterentwicklung“ durchgeführt wurde.
Das Wichtigste in Kürze:
- Bei der Frage nach den aktuell größten Herausforderungen Deutschlands
liegt das Thema „Umwelt und Klimawandel“ an erster Stelle (von 38 Prozent
genannt). Auf den weiteren Plätzen folgen „Die wirtschaftliche Lage“ (32
Prozent), „Einwanderung“ (32 Prozent), „Die internationale
Sicherheitslage“ (23 Prozent) und „Inflation“ (19 Prozent).
- Bezogen auf die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes wird die
ökologische Transformation der Wirtschaft zu 19 Prozent als „sehr
bedrohlich“ oder „etwas bedrohlich“ angesehen. Damit liegt die
Einschätzung zur ökologischen Transformation als Risiko für den eigenen
Arbeitsplatz deutlich hinter einem allgemeinen Wirtschaftseinbruch (von 51
Prozent der Befragten genannt), den Energiepreisen (33 Prozent) und
internationaler Konkurrenz (26 Prozent).
- Von denjenigen Personen, die in den vergangenen 24 Monaten den
Arbeitsplatz, Beruf oder Wohnort gewechselt oder an einer Weiterbildung
teilgenommen haben, nennen nur 1,4 Prozent die ökologische Transformation
als Grund. Wichtigste Motive sind dagegen mehr Erfüllung im Beruf und eine
bessere Bezahlung (jeweils 40 Prozent) sowie allgemein bessere
Arbeitsbedingungen (31 Prozent).
- Konkrete Auswirkungen der ökologischen Transformation auf das eigene
Berufsleben erwartet nur eine Minderheit der Befragten: Innerhalb der
kommenden 24 Monate rechnen 4 Prozent von ihnen mit einer Umschulung oder
Weiterbildung, 4 Prozent mit einem Wechsel des Arbeitsplatzes, 3 Prozent
mit einem Wohnortswechsel und 2 Prozent mit einem Berufswechsel. Im
Vergleich zur bisherigen Häufigkeit solcher beruflichen Veränderungen
bedeuten diese Erwartungen jedoch eine deutliche Erhöhung von
Neuorientierungen durch die ökologische Transformation.
- 10 Prozent der Befragten erwarten, dass ihre Fähigkeiten aufgrund der
ökologischen Transformation zukünftig auf dem Arbeitsmarkt weniger
nachgefragt sein werden. Hingegen rechnen 42 Prozent damit, dass ihre
Fähigkeiten zukünftig stärker gefragt sein werden. Außerdem geht eine
Mehrheit (56 Prozent) davon aus, neue Fähigkeiten erwerben zu müssen.
- Personen, die davon ausgehen, neue Kompetenzen erwerben zu müssen,
erwarten vom Arbeitgeber bzw. vom Staat mehr Informationen (59 bzw. 61
Prozent) und Angebote (59 bzw. 40 Prozent). Mit 65 Prozent wünscht sich
eine überwiegende Mehrheit der Befragten, dass Weiterbildungen innerhalb
der Arbeitszeit stattfinden. Finanzielle Unterstützung erwarten 54 Prozent
der Befragten eher von Arbeitgebern als vom Staat, von dem immerhin noch
40 Prozent der Befragten Finanzhilfen erwarten.
- Eine ebenfalls überwiegende Mehrheit der Befragten (84 Prozent) stimmt
der Aussage zu, dass beim ökologischen Umbau der Wirtschaft die
Planungssicherheit erhöht werden sollte. Und über 60 Prozent der Befragten
vertreten die Auffassung, dass der ökologische Umbau der Wirtschaft
beschleunigt werden sollte. Dagegen stimmen nur 16 Prozent der Aussage zu,
dass der ökologische Umbau der Wirtschaft ausgebremst werden sollte.
- Die Ergebnisse beruhen auf einer Online-Befragung von 4.040 Personen aus
dem forsa.omninet-Panel. Dieses ist repräsentativ für die deutschsprachige
Bevölkerung der Internetnutzer/innen in Deutschland. Die Befragten waren
mindestens 22 Jahre alt.
„Der ökologische Wandel verändert den Arbeitsmarkt. Das erkennen viele
Beschäftigte und erwarten Herausforderungen durch die Transformation
insgesamt. Das Risiko negativer Folgen für den eigenen Arbeitsplatz
schätzt eine Mehrheit allerdings als gering ein“, sagt Christina Vonnahme,
Leiterin der RWI/IAB-Nachwuchsgruppe „Ökologische Transformation,
Arbeitsmarkt, Aus- und Weiterbildung“. „Unsere Studienergebnisse machen
außerdem deutlich, dass Beschäftigte sich sowohl vom Arbeitgeber als auch
vom Staat Unterstützung wünschen.“
„Viele Tätigkeitsprofile werden sich durch die ökologische Transformation
deutlich verändern“, betont Ronald Bachmann, Leiter des RWI-
Kompetenzbereichs „Arbeitsmärkte, Bildung, Bevölkerung“. „Erwerbstätige
werden in diesen Bereichen aufgrund der ökologischen Transformation nicht
zwingend ihren Beruf aufgeben müssen. Ganz ohne Anstrengung wird es
allerdings auch nicht gehen. Regelmäßige Weiterbildungen spielen dabei
eine Schlüsselfunktion. Hierbei sind passende Angebote und die
Teilnahmebereitschaft der Beschäftigten entscheidend.“