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Kreislaufwirtschaft pur bei ZF in Bielefeld: HSBI-Akteure erforschen, wie es mit KI noch schneller geht

HSBI-Transferpartner CircoVision hat sich auf KI-Technologie zur Entwicklung von Modellen für die Circular Economy spezialisiert.  Patrick Pollmeier  P. Pollmeier/HSBI
HSBI-Transferpartner CircoVision hat sich auf KI-Technologie zur Entwicklung von Modellen für die Circular Economy spezialisiert. Patrick Pollmeier P. Pollmeier/HSBI
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Wenn der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen in seinem Bielefelder Werk
gebrauchte Lkw-Kupplungen aufbereitet, werden seit vielen Jahren zwischen
85 und 98 Prozent der Teile wiederverwertet.

Mit einem KI-gestützten
Verfahren der Firma CircoVision geht das seit einiger Zeit noch
effizienter. Forschende der HSBI haben den Prozess der Allgemeinheit in
generalisierter Form zugänglich gemacht. Dank eines it’s OWL-
Transfergutscheins können nun auch Akteure anderer Hochschulen und
Industriezweige die Erkenntnisse über das Zusammenwirken von KI und
Kreislaufwirtschaft für ihre Arbeit nutzen.

Bielefeld (hsbi). Unentwegt fördert das Band die gebrauchten, aber frisch
gereinigten Torsionsfedern an der Kamera vorbei. In rötlich schimmerndem
Licht checkt das System mögliche Abnutzungen. Das dauert nur Bruchteile
von Sekunden. Schon verlassen die kompakten Bauteile in Reih und Glied den
Überprüfungsraum und purzeln klackend in bereitstehende Boxen – sortiert
nach „wiederverwertbar“ und „Schrott“. Früher mussten erfahrene Arbeiter
die stählernen Federn in Augenschein nehmen und möglichst schnell
entscheiden, welche weiter ihren anspruchsvollen Dienst tun dürfen in der
Kupplung eines modernen Lkw-Antriebstrangs. Heute erledigt das im
Bielefelder Werk von ZF Friedrichshafen ein intelligentes System der Firma
CircoVision.

KI-Architektur aus Berkely, von Meta weiterentwickelt, im Einsatz bei ZF

Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) ist das Erfahrungswissen der Arbeiter
in die Entwicklung der Maschine eingeflossen. Statt den lieben langen Tag
die sehr unterschiedlich ausfallenden Gebrauchsspuren der Federn zu
untersuchen und die Altteile entsprechend zu sortieren, überwachen sie nun
den automatischen Prozess, nehmen Stichproben und rüsten die Maschine um,
wenn eine neue Sorte Federn geprüft werden soll. ZF-Werkleiter Jörg
Witthöft: „Alle Beteiligte sind zufrieden mit der veränderten Situation,
denn die neue Art des Qualitätschecks ist nicht nur weniger eintönig,
sondern auch schneller und sorgt für eine gleichbleibend hohe Qualität.“
Und auf die ist ZF Friedrichshafen angewiesen, weil sich die Kunden des
Automobilzulieferers nur mit perfekt arbeitenden Torsionsfedern darauf
verlassen können, dass die Kupplungen des Hauses Hunderttausende von
Kilometern zuverlässig funktionieren.
Wilhelm Klat, Geschäftsführer von CircoVision und Forschungspartner der
Hochschule Bielefeld (HSBI), hat das Prüfsystemsystem für ZF realisiert.
Zum Einsatz kam „Caffe“, eine KI-Architektur, die an der University of
California in Berkeley entwickelt und von Meta weiterbearbeitet und als
Open-Source-Angebot der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt wurde.
Innerhalb dieser KI-Architektur wurden die optischen Geräte trainiert, bis
ihre Arbeit das Niveau der erfahrenen Mitarbeiter erreichte.

Transferanspruch: KI und Kreislaufwirtschaft sollen Schule machen in der
Industrie

Nachdem das System bei ZF gut funktionierte, fiel dem Diplominformatiker
Klat auf, dass es zum Thema Qualitätstests mittels maschinell angelernter
optischer Geräte keine wissenschaftliche Veröffentlichung gab. „Das ist
schade gewesen, denn der Vorteil unserer Herangehensweise besteht nicht
nur in der hohen Qualität der Checks, sondern auch darin, dass es immer
schwieriger wird, Mitarbeiter zu finden, die es genauso gut können wie
eine KI – Stichwort: Fachkräftemangel.“ Gemeinsam mit Prof. Dr. Hans
Brandt-Pook vom Institute for Data Science Solutions (IDaS) der HSBI löste
er einen it’s OWL-Transfergutschein ein, und das Duo schrieb einen
wissenschaftlichen Artikel, um die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Projekt
in generalisierter Form für die Forschung zu sichern.* Der Wert des
Vorhabens ist unter anderem darin zu sehen, dass KI in diesem Fall auf
kosteneffiziente Weise hilft, eine Kreislaufwirtschaft am Laufen zu halten
– und dass dies bei weiterer Erforschung womöglich in der Industrie
Nachahmer findet.

Tatsächlich ist bei ZF in Bielefeld fast alles auf Nachhaltigkeit und
Schonung von Ressourcen ausgelegt. Seit 1963 sammelt das Werk gebrauchte
Lkw-Kupplungen unterschiedlicher Hersteller wie DAF, Mercedes-Benz,
Renault, Scania und Volvo, zerlegt diese in ihre Einzelteile und
produziert daraus wieder neue Kupplungen. Mit ca. 60 Prozent
Weltmarktanteil ist ZF führend in diesem Segment. Pro Jahr landen in
Bielefeld gebrauchte Kupplungen mit einem Gesamtgewicht von 10.000 Tonnen
– das entspricht dem Gewicht des Eifelturms. Das Fachwort für alles, was
dann im Werk folgt, heißt Remanufacturing.

Bis zu 90 Prozent weniger CO2-Emissionen als bei der Neuteileproduktion

Eine Kupplung durchläuft im Schnitt bis zu vier Lebenszyklen. Die fertigen
Kupplungen entsprechen am Ende der Aufbereitung dem aktuellen Stand der
Technik und sind somit oft sogar besser als das Ursprungsprodukt,
Gewährleistung inklusive. „Die Quote der Wiederverwertung des
Ausgangsmaterials liegt zwischen 85 und 98 Prozent“, berichtet Werkleiter
Witthöft. Damit nicht genug: Im Vergleich zur Herstellung einer Kupplung
aus Neuteilen spart das Remanufacturing 80 bis 90 Prozent an Rohstoffen,
Energie und CO2-Emissionen.

Wiederverwertet werden bei ZF nicht nur die mittels KI gecheckten
Torsionsfedern, die dafür sorgen, dass eine Lkw-Kupplung den Kraftschluss
zum Getriebe materialschonend und spritsparend schafft. Auch Gehäuse,
Druckplatte und Schwungscheibe kommen, frisch aufbereitet, erneut zum
Einsatz. Für dieses Konzept, das der Werkleiter mit dem
Pfandflaschensystem hierzulande vergleicht, ist das Unternehmen mehrfach
ausgezeichnet worden: Im vergangenen Jahr errang ZF den Stevie-Award in
Gold in der Kategorie „Wiederwertung und Recycling“ und den Sieg beim
Deutschen Nachhaltigkeitspreis für 2024 – ein Erfolg, den das Unternehmen
ein Jahr später wiederholte.

Cradle-to-cradle-Zertifikat vom Braungart-Institut – grüner Wasserstoff
als Zukunft des Lkw-Verkehrs

Zuvor hatte sich das Werk für seine Kreislaufwirtschaft vom Innovation
Institute des Circular-Economy-Pioniers Michael Braungart bereits Cradle-
to-cradle-zertifizieren lassen. Auf die Frage, wie nachhaltig das Geschäft
rund um die wiederverwerteten Kupplungen für Lkw ist, die dann ja von
Verbrennungsmotoren angetrieben werden, bleibt Jörg Witthöft gelassen: „Es
gibt auf allen Kontinenten Millionen von Lkw im Nah- und Fernverkehr, die
die Produkte des täglichen Bedarfs liefern und die arbeitsteilige
Wirtschaft versorgen. Auch mittel- und langfristig werden
Verbrennungsmotoren, die auf Kupplungsgetriebe angewiesen sind, das Gros
im Straßengüterverkehr ausmachen.“ Elektro-Lkw seien zwar sehr nützlich im
städtischen Raum und eignen sich gut für den Transport auf kürzeren
Distanzen. Aber für die Langstrecke und in hoher Stückzahl, wie sie die
Wirtschaft braucht, sind sie nach Witthöfts Einschätzung einfach nicht zu
produzieren. „Dafür gibt es schlichtweg zu wenig leistungsfähige
Ladesäulen, und die Rohstoffe sind nicht vorhanden.“ Der Werkleiter
verweist unter anderem auf die sogenannten Seltenen Erden, ohne die die
mächtigen Batterien der aktuell verfügbaren Kleinserien-Elektro-Lkw nicht
funktionieren. Auch Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb sind nach
seiner Überzeugung keine Alternative: „Die Technologie ist zu aufwendig
und damit zu teuer.“

Seine Vision sieht anders aus und setzt als Brennstoff auf grünen
Wasserstoff aus nachhaltiger Produktion: „Das Beste, was wir für die
Umwelt tun können, ist, die Emissionen der Verbrenner weiter zu senken und
somit einen geschlossenen Materialkreislauf der vorhandenen
Technologiekomponenten zu erzeugen. Hier wurde schon sehr viel erreicht,
und es geht noch mehr. Wenn wir irgendwann genug grün produzierten
Wasserstoff haben, zum Beispiel durch Windkraft, kann dieser in einem
leicht modifizierten Verbrennungsmotor eingesetzt werden“, so Witthöft.
Dann hätte die Transportwirtschaft auch kein Problem mehr mit ihren
CO2-Emissionen, denn bei der Verbrennung von Wasserstoff entsteht neben
der Energie lediglich Wasserdampf.