US-Wahlen – Zusammenbruch der WTO könnte EU-Wirtschaft 4-mal härter treffen als US-Zölle
Nach den Wahlen in den USA sollte die EU vorrangig den multilateralen
Handel und die globale Zusammenarbeit verteidigen. Beides ist gegenüber
den bilateralen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten entscheidender für
ihren Wohlstand. Denn die Kosten eines Zusammenbruchs des multilateralen
Systems könnten um ein Vielfaches höher sein als die Folgen höherer Zölle.
Dies sind einige der Ergebnisse einer neuen Studie des Kiel Instituts und
des WIFO, die verschiedene realistische Szenarien der US-Handelspolitik
und deren globale Auswirkungen untersucht.
"Unabhängig davon, wer am 5. November 2024 das Rennen um das Weiße Haus
gewinnt, können wir davon ausgehen, dass die USA auch weiterhin eine
protektionistische Handelspolitik verfolgen werden, da diese
parteiübergreifend breite Unterstützung genießt", sagt Gabriel Felbermayr,
einer der Autoren der Studie. "Natürlich würde das Ausmaß des
Protektionismus sehr unterschiedlich ausfallen. Während Harris
multilaterale Institutionen mehr zu schätzen scheint, wäre eine zweite
Trump-Regierung wahrscheinlich isolationistischer, weit weniger
multilateral und stärker transaktionsorientiert als eine Harris-
Regierung."
Die neue Studie "US Trade Policy After 2024: What is at Stake for Europe"
(https://www.ifw-kiel.de/de/pu
fuer-europa-auf-dem-spiel-steh
analysiert die von den US-Kandidaten Donald Trump und Kamala Harris
vorgeschlagenen Änderungen der Handelspolitik anhand verschiedener
Szenarien.
Das drastischste Szenario, das auf Trumps Wahlkampfaussagen basiert, sieht
neue und höhere Zölle vor, darunter einen Zollsatz von 10 Prozent auf alle
Importgüter und von 60 Prozent auf chinesische Importe.
Globale Auswirkungen der US-Politik
Sollten die USA diese Zölle einführen, könnte der Welthandel im ersten
Jahr um 2,5 Prozent schrumpfen, mit einem langfristigen Rückgang von etwa
3 Prozent. Vergeltungszölle von Handelspartnern würden die Auswirkungen
noch verstärken, insbesondere wenn die USA die Zölle auf Partner wie
Kanada und Mexiko ausweiten, wodurch sich der Rückgang des Welthandels
verdoppeln würde. Die chinesischen Exporte würden um etwa 10 Prozent
zurückgehen, während die US-Exporte um bis zu 38 Prozent sinken würden, da
Einfuhrzölle auf ausländische Güter auch die relativen Preise der Exporte
beeinflussen und damit ähnliche Effekte haben wie eine Besteuerung von
Exporten.
Im Vergleich dazu müssten europäische Länder wie Deutschland, Frankreich
und Österreich in diesen Szenarien der US-Politik geringere
Exportrückgänge hinnehmen. Darüber hinaus könnten die Exporte einiger EU-
Länder und -Sektoren in einem Szenario, in dem die USA flächendeckend
Zölle erheben, auch gegenüber Freihandelspartnern, aufgrund der relativen
preislichen Wettbewerbsfähigkeit kurzfristig sogar leicht ansteigen. Trotz
dieses Anstiegs geht das BIP der EU jedoch weiter zurück, was zeigt, dass
die Nettoauswirkungen von Handelshemmnissen und Unterbrechungen der
Lieferkette die Exportgewinne überwiegen.
Sektorspezifische Auswirkungen
Bei den Auswirkungen auf Länderebene gibt es erhebliche Unterschiede
zwischen den Sektoren innerhalb der betroffenen Länder. In Deutschland
beispielsweise würde die gesamte Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent
zurückgehen, wenn die USA Zölle auf alle Handelspartner erheben, aber
einige Sektoren würden sogar wachsen.
Die Dienstleistungsbranchen könnten um 0,2 Prozent wachsen, während die
High-Tech-Branchen wie die Elektronikindustrie ihre Produktion um 2,5
Prozent steigern könnten. Schlüsselindustrien wie die Automobil- und
Pharmaindustrie könnten dagegen Rückgänge von bis zu 3,3 Prozent
verzeichnen. Diese Analyse unterstreicht die ungleichen Auswirkungen der
handelspolitischen Veränderungen auf die verschiedenen
Wirtschaftssektoren.
Verschlechterung der weltweiten wirtschaftlichen Zusammenarbeit
Sollte Trump eine weitere Amtszeit gewinnen, könnte die US-Politik auch zu
einer Demontage der WTO führen. In der Folge würde das reale BIP der EU um
gut 0,5 Prozent sinken. Deutschland wäre stärker betroffen, die USA etwas
weniger. Die größten Einbußen hätte jedoch China zu verkraften. Sollte die
Welt in geopolitische Blöcke unter Führung der USA bzw. Chinas zerfallen,
wären die Verluste für die EU deutlich höher und für China noch größer. Im
Extremfall könnte das reale BIP Chinas kurzfristig um etwa 6 Prozent und
das Deutschlands um 3,2 Prozent sinken, während die USA weniger betroffen
wären (-2,2 Prozent). Langfristig wären die Verluste etwa halb so groß.
"Die EU und insbesondere Deutschland würden erheblich unter einem
Zusammenbruch der WTO oder einer Aufspaltung der Weltwirtschaft in
feindliche Blöcke leiden. Die Auswirkungen auf das reale BIP sind deutlich
größer als einseitige protektionistische Maßnahmen der USA, bis zu zwei-
bis viermal so hoch", sagt Julian Hinz, Koautor der Studie. "Da die
Auswirkungen der Fragmentierung auf das BIP der EU so viel größer sind,
muss es die oberste Priorität der EU sein, die Welthandelsordnung zu
verteidigen, einschließlich der Bemühungen, die Autorität und die
Mechanismen der WTO zu stärken."
Kiel Policy Brief jetzt lesen: https://www.ifw-kiel.de/de/pub
/us-handelspolitik-nach-2024-w
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