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Führungskräfte sind skeptisch gegenüber verbindlichen Gleichstellungsregeln

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Studie der Bertelsmann Stiftung und UW/H zeigt wenig Problembewusstsein
von Führungskräften bei Gender-Themen

Eine neue Auswertung des aktuellen Führungskräfte-Radars 2021 der
Bertelsmann Stiftung und des Reinhard-Mohn-Instituts für
Unternehmensführung an der Universität Witten/Herdecke (UW/H) zeigt, dass
etwa 30 bis 40 Prozent der befragten Führungskräfte im eigenen Unternehmen
keine Vorteile sehen, wenn es um die Einführung verbindlicher Regeln wie
etwa Frauenquoten oder gendergerechte Sprache geht. Überraschenderweise
nehmen weibliche und männliche Führungskräfte die Themen ähnlich wahr.
Fragt man umgekehrt, wo die Unternehmen beim Thema Gleichstellung bereits
stehen, wird deutlich, dass die Führungskräfte – männlich wie weiblich –
den Eindruck haben, dass es in ihren eigenen Unternehmen kaum Probleme
gibt. „Aber Gleichstellung ist kein Selbstläufer“, meint Professor Guido
Möllering vom Reinhard-Mohn-Institut. „Das Problembewusstsein ist gering
und es gilt, sowohl Gängelung als auch Gleichgültigkeit zu vermeiden.“

Schon bei der Frage, ob die öffentliche Diskussion über Frauenquoten
förderlich für das Gleichstellungsthema im eigenen Hause ist, scheiden
sich die Geister: 39,7 Prozent der Befragten stimmen zu, aber 34,9 Prozent
stimmen nicht zu. Ein gutes Drittel der Führungskräfte scheint den
Eindruck zu haben, dass von außen vorgegebene Regeln oder gar Gesetze
nicht nötig oder nicht zielführend sind. Damit muss nicht unbedingt eine
gleichstellungsfeindliche Haltung zum Ausdruck kommen, sondern eher eine
Skepsis gegenüber Regulation von außen und damit verbunden womöglich
Widerstand seitens der Führungskräfte bei der Umsetzung verpflichtender
Regeln.

Teambesetzung, „Gendern“ und Gehalt

Die Führungskräfte wurden außerdem gefragt, ob in ihren eigenen
Unternehmen explizit darauf geachtet wird, dass Teams geschlechter-
gemischt besetzt werden. Rund 30 Prozent (29,8 Prozent) der Befragten
geben an, dass bei ihnen nicht bewusst darauf geachtet wird – und es
offenbar auch keine entsprechenden Vorgaben gibt. Fast jede zweite
Führungskraft (45,6 Prozent) stimmt hingegen bei diesem Punkt zu und nimmt
die bewusste Beachtung von Diversität bei der Teambesetzung wahr.

Große Unterschiede zeigen sich bei der Frage, ob das eigene Unternehmen
verbindliche Regelungen für eine gendergerechte Sprache hat. 39,8 Prozent
der Führungskräfte geben an, dass ihr Unternehmen entsprechende Vorgaben
macht; 41,9 Prozent sagen allerdings das Gegenteil. Man kann aus den
Zahlen schließen, dass ein großer Teil der Unternehmen das sogenannte
„Gendern“ (noch) nicht regelt und es damit den Führungskräften und
Belegschaften selbst überlässt, ob sie ihren Sprachgebrauch im Sinne der
Gleichstellung anpassen.

Jeweils eine sehr deutliche Mehrheit der Führungskräfte gibt an, dass in
ihrem Unternehmen das Geschlecht der Führungskraft keinen Unterschied
macht (Zustimmung: 74,4 Prozent) und dass sie keine Geschlechterkonflikte
erleben (81,7 Prozent). Außerdem stimmen 76,7 Prozent zu, dass in ihrem
Unternehmen das Gehalt unabhängig vom Geschlecht ist, wohingegen das
Statistische Bundesamt (2021) für das Jahr 2020 einen Gehaltsnachteil der
Frauen von 18 Prozent gegenüber Männern ermittelt hat. Offenbar erscheint
den Führungskräften das Thema „Gendergerechtigkeit“ in ihrem eigenen
Arbeitsbereich demgegenüber unproblematisch.

Diskriminierung bei Neueinstellungen und Beförderung?

Die Befragung ging auch der Frage nach, ob im eigenen Unternehmen
Diskriminierung bei Neueinstellungen oder Beförderungen effektiv
verhindert werden. Das Ergebnis: Dem stimmen 70,1 Prozent der
Führungskräfte zu. Dies ist eine sehr deutliche Mehrheit, zumal wenn man
bedenkt, dass nur 11,0 Prozent nicht zustimmen (bei 18,9 Prozent
Unentschiedenen). Das ist überraschend, gelten doch schlechtere Ein- und
Aufstiegsmöglichkeiten von benachteiligten Gruppen als Ausdruck und
Ursache der Ungerechtigkeit. Führungskräfte erleben das Problem der
Diskriminierung in ihren eigenen Unternehmen anscheinend kaum.

Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften?
Bemerkenswert an den Ergebnissen des Führungskräfte-Radars ist, dass ein
sehr einheitliches Bild zu erkennen ist. Es gibt keine analytisch
nennenswerten Unterschiede zwischen den Antworten männlicher und
weiblicher Führungskräfte. Es wäre zu erwarten gewesen, dass Frauen als
Benachteiligte (zum Beispiel wegen schlechterer Verdienst- und
Ausstiegsmöglichkeiten) die Verhältnisse in ihren Unternehmen deutlich
negativer erleben, während Männer als Privilegierte eher dazu neigen,
keine Gerechtigkeitsprobleme zu sehen. Dies ist nicht zu erkennen.

Allerdings macht die Führungsebene einen Unterschied aus: Die obere
Führungsebene (27,6 Prozent) hat insgesamt ein positiveres Bild der
Gleichstellung im eigenen Unternehmen als die mittlere und untere
Führungsebene (53,7 Prozent bzw. 18,7 Prozent). Die obere Ebene stimmt
beispielsweise mit mehr als 80 Prozent zu, dass das Geschlecht keinen
Unterschied macht und die Vereinbarkeit von beruflichen und privaten
Verpflichtungen unterstützt wird, während bei dieser Frage die untere
Ebene zu weniger als 70 Prozent zustimmt.

Überprüfung der Gleichstellung konsequenter nutzen

„Augenscheinlich gibt es in der Debatte um Geleichstellungs- und
Genderfragen einen bisher wenig beleuchteten Aspekt. Denn, wenn
Führungskräfte entgegen der weitläufigen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit
die Situation in ihren Organisationen positiv sehen, braucht es einen
Reality-Check, um Transparenz herzustellen. Ansonsten drohen generelle
betriebliche Maßnahmen ins Leere zu laufen“, sagt Martin Spilker, Experte
für Unternehmenskultur und Führung bei der Bertelsmann Stiftung.
Tatsächlich zeigt der Führungskräfte-Radar 2021 zur Gender- und
Gleichstellungsthematik vor allem die Notwendigkeit, die aktuellen
Zustände in den Unternehmen zu hinterfragen. Insbesondere die
augenscheinliche Kluft zwischen den Wahrnehmungen der Führungskräfte
gegenüber den oft zu hörenden Klagen über Missstände an der Basis bedarf
einer eingehenden Überprüfung und Klärung. Bevor undifferenzierte
Programme zur Förderung der Diversity initiiert werden, gilt es seitens
der Personalentwicklung, gezielte, kontextspezifische Interventionen bei
Führungskräften zu veranlassen. Der Gesetzgeber hat zum Beispiel mit dem
Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern
den Beteiligten in den Unternehmen ein Instrument an die Hand gegeben,
Arbeit und Arbeitsplätze von Männern und Frauen bewerten zu lassen und
Ungleichbehandlungen offen zu legen. Diese Form der Überprüfung der
Gleichstellung sollte öfter und konsequenter genutzt werden.

Zusatzinformationen

Für den Führungskräfte-Radar 2021 der Bertelsmann Stiftung in Kooperation
mit dem Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung (RMI) an der
Universität Witten/Herdecke wurde von der IPSOS GmbH im Mai 2021 während
des zweiten Corona-Lockdowns eine repräsentative Befragung unter den
Führungskräften in Deutschland vorgenommen. An der Studie haben 1026
Führungskräfte aller Führungsebenen teilgenommen. 49,8 % der Befragten
sind männlich und der Altersdurchschnitt der Stichprobe liegt bei 46,6
Jahren, was für die heutige Führungslandschaft in Deutschland als
repräsentativ anzunehmen ist.

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