Wie kompetent sind die Erwachsenen in Deutschland? OECD-Studie PIAAC veröffentlicht erste Ergebnisse
Die Grundkompetenzen der Erwachsenen in Deutschland liegen über dem
internationalen Durchschnitt der rund 30 Teilnehmerländer und sind im
Vergleich zu vor zehn Jahren stabil geblieben.
Innerhalb der Bevölkerung
gibt es teilweise jedoch starke systematische Unterschiede in den
Kompetenzen, zeigt das Programme for the International Assessment of Adult
Competencies, PIAAC 2023.
Untersucht wurden grundlegende Kompetenzen in drei Bereichen, nämlich der
Lesekompetenz, der alltagsmathematische Kompetenz sowie der Kompetenzen im
adaptiven Problemlösen. Die Ergebnisse sind für die drei Bereiche
weitgehend vergleichbar. Insgesamt zeigt sich, dass im Vergleich zum
ersten Zyklus der PIAAC-Studie vor rund zehn Jahren die Kompetenzen der
Erwachsenen in Deutschland im Mittel unverändert sind. In allen drei
Bereichen weisen Erwachsene in Deutschland im Mittel Kompetenzen auf, die
signifikant über dem internationalen Durchschnitt liegen. „Im Gegensatz zu
international vergleichenden Studien im schulischen Bereich, sind die
Kompetenzen der Erwachsenen in Deutschland im Mittel über die letzten zehn
Jahre nicht gesunken, sondern stabil geblieben,“ sagt die Studienleiterin
Prof. Beatrice Rammstedt, Vizepräsidentin von GESIS – Leibniz-Institut für
Sozialwissenschaften und Professorin an der Universität Mannheim.
Zugenommen im Vergleich zum ersten Zyklus hat die Heterogenität der
Kompetenzen innerhalb der in Deutschland lebenden Bevölkerung: Im
Vergleich zu vor zehn Jahren ist der Anteil von Personen mit hohen Lese-
und alltagsmathematischen Kompetenzen höher. Umgekehrt weisen jedoch die
leistungsschwächsten 10% der deutschen Bevölkerung im internationalen
Vergleich auffallend geringe Lesekompetenzen auf. Diese Personen sind
lediglich in der Lage einzelne Sätze und sehr kurze, einfache Texte zu
lesen.
Kompetenzen und Bildung
Besonders Personen mit niedrigem Bildungsabschluss weisen Probleme im
unteren Leistungsbereich auf: Zweidrittel der Personen mit maximal einem
Hauptschulabschluss verfügen nur über geringe Lese- und
alltagsmathematische Kompetenzen. Personen, die ein Abitur oder eine
darauf aufbauende Ausbildung abgeschlossen haben, weisen hingegen
vergleichsweise hohe Lesekompetenzen auf.
Kompetenzen und soziale Herkunft
Auch die soziale Herkunft geht mit deutlichen Kompetenzunterschieden
einher. Haben Eltern ein niedriges Bildungsniveau, besteht für deren
Kinder – auch im Erwachsenenalter – ein höheres Risiko niedrigere
Kompetenzen zu haben. Dieser Befund ist für Deutschland im internationalen
Vergleich besonders stark ausgeprägt und ist im Laufe der letzten zehn
Jahre noch größer geworden.
Kompetenzen und Geburtsland
Personen, die nicht in Deutschland geboren sind, verfügen über geringere
Grundkompetenzen – gemessen in deutscher Sprache – als in Deutschland
Geborene. Die Differenz zwischen den durchschnittlichen Grundkompetenzen
der im Inland und im Ausland geborenen Personen ist für Deutschland im
internationalen Vergleich sehr hoch und hat sich für die Lesekompetenz im
Vergleich zu vor zehn Jahren etwa verdoppelt.
Kompetenzen und Arbeitsmarkt
Personen mit vergleichsweise geringen Kompetenzen haben – sowohl in
Deutschland wie auch international – schlechtere Chancen auf dem
Arbeitsmarkt: Erwerbstätige weisen höhere Grundkompetenzen auf als
Personen, die nicht erwerbstätig sind. Personen mit geringen Kompetenzen
haben ein höheres Risiko erwerbslos zu sein. „Die Gruppe der Personen mit
geringen Grundkompetenzen ist besonders vulnerabel,“ betont Prof.
Rammstedt. „Aufgrund ihrer geringen Kompetenzen sind sie nicht nur auf dem
Arbeitsmarkt mit Herausforderungen konfrontiert, sondern auch bei der
gesellschaftlichen Teilhabe.“
Studie und Durchführung
Das Programme for the International Assessment of Adult Competencies,
PIAAC, untersucht als international vergleichende Studie die
Grundkompetenzen im Erwachsenenalter. Die von der Organisation für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) koordinierte Studie
wurde im Jahr 2023 nach rund zehn Jahren zum zweiten Mal durchgeführt. In
Deutschland wurde PIAAC von GESIS – Leibniz-Institut für
Sozialwissenschaften geleitet. Finanziert wurde die Durchführung in
Deutschland von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung unter
Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
An der Studie nahmen 31 Länder mit weltweit über 160.000 zufällig
ausgewählten Personen im Alter zwischen 16 und 65 Jahren teil, davon etwa
4.800 Personen allein in Deutschland. Die teilnehmenden Personen
bearbeiteten alltagsnahe Aufgaben in den jeweiligen Landessprachen
selbstständig an einem Tablet. Diese Kompetenzmessung wurde ergänzt um
einen umfassenden Hintergrundfragebogen, in dem zum Beispiel
soziodemografische Informationen, formale Bildung, Weiterbildung,
Erwerbstätigkeit und berufliche Situation sowie Nutzung von Fertigkeiten
bei der Arbeit und im Alltag, erhoben wurden.
Ergebnisbericht
Beatrice Rammstedt, Britta Gauly, Sanja Kapidzic, Débora B. Maehler, Silke
Martin, Natascha Massing, Silke L. Schneider, Anouk Zabal. (2024). PIAAC
2023. Grundlegende Kompetenzen Erwachsener im internationalen Vergleich.
Waxmann Verlag, Münster.
Weitere Informationen
PIAAC 2023 Ergebnisse: <www.gesis.org/piaac>
Pressematerial: <www.gesis.org/piaac/piaac-202
Beispielaufgaben:
<www.gesis.org/piaac/piaac-202
Ansprechpartnerin bei GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften