Profile und Potenziale für die Zusammenarbeit mit dem Staat: Studie zu Bundesverbänden von Migrantenorganisationen
Eine neue Studie des wissenschaftlichen Stabs des Sachverständigenrats für
Integration und Migration (SVR) kartiert das Feld der derzeit auf
Bundesebene tätigen 36 Verbände von Migrantenorganisationen (MO). Die
Studie gibt eine Übersicht, wie sich die Profile der einzelnen MO-
Verbändetypen unterscheiden und für welche Formen politischer Konsultation
und Kooperation sich diese jeweils besonders empfehlen.
Menschen mit ähnlicher Lebenssituation und gemeinsamen Interessen
organisieren sich in Deutschland häufig in Verbänden. Das gilt auch für
Menschen mit Migrationsgeschichte. Migrantenorganisationen (MO) haben sich
in Bundesverbänden zusammengeschlossen, um ihre Anliegen besser vertreten
zu können. Politik und Verwaltung wiederum sind sehr daran interessiert,
die Verbände von Migrantenorganisationen gezielt als Partner in die
Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft einzubinden. „Dieses
wechselseitige Interesse wird derzeit jedoch nicht optimal kanalisiert,
weil vielfach unklar ist, wie die Vielzahl und Vielfalt der MO-Verbände
einzuordnen sind“, sagt Dr. Marie Mualem-Schröder, Autorin der Studie „Wer
ist denn hier zuständig? Bundesverbände von Migrantenorganisationen: eine
Navigationshilfe“ und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim SVR. „Verbände
von Migrantenorganisationen standen bislang selten im Fokus, weder in der
Forschung zu Migrantenorganisationen noch zu Verbänden im Allgemeinen. Für
die explorativ angelegte Studie wurde eine Bestandsaufnahme der MO-
Verbände auf Bundesebene vorgenommen und im Anschluss qualitativ anhand
von deren Internetauftritten analysiert, welche verschiedenen Typen nach
den Vertretungsansprüchen und Arbeitsschwerpunkten zu unterscheiden sind
und wie sich diese jeweils selbst öffentlich positionieren.“
Das breite Fundament der Landschaft von MO-Verbänden bilden
Diasporaverbände, Gruppenverbände und Gruppenfachverbände. Diese drei
Verbändetypen sind jeweils eng mit einzelnen Communitys verbunden – wie
zum Beispiel mit der Gruppe der Türkeistämmigen, Frauen mit
Zuwanderungsgeschichte oder Zugehörigen der afrikanischen Diaspora; ihre
direkten Mitglieder sind meist einzelne, lokal aktive MO-Vereine. Um
gemeinsame Anliegen wirksamer voranzutreiben, sind diese drei
Verbändetypen mehrheitlich auch in communityübergreifenden
Spitzenfachverbänden und Einheitsverbänden organisiert, die zusammen etwa
ein Fünftel der MO-Bundesverbände ausmachen. „Das Wissen um die
Funktionsaufteilung zwischen communityspezifischen und
communityübergreifenden MO-Verbänden ist wichtig, um die Kooperation
zwischen Staat und MO-Verbänden gezielt weiterzuentwickeln.
Spitzenfachverbände und Einheitsverbände sind wichtige Ansprechpartner der
Politik, wenn es zum Beispiel darum geht, einen Überblick über
communityübergreifende fachliche oder politische Forderungen zu gewinnen.
Wenn es dagegen der Politik darum geht, die spezifischen Bedürfnisse,
Probleme und Herausforderungen einzelner Communitys zu verstehen und
gezielt anzugehen, sollten communityspezifische MO-Verbände einbezogen
werden“, sagt Dr. Jan Schneider, Leiter des Bereichs Forschung in der SVR-
Geschäftsstelle.
Die Studie hat zudem ergeben, dass die Projektarbeit bei allen MO-
Verbändetypen stark von öffentlichen Mitteln abhängt. Um sich
zukunftsfähig aufzustellen, müssen die MO-Bundesverbände Wege finden, um
ihre Finanzierungsbasis zu verbreitern. Neben Entwicklungsperspektiven der
öffentlichen Förderung diskutiert die Studie daher auch verschiedene
Möglichkeiten, wie MO-Verbände ihre Abhängigkeit von öffentlicher
Förderung reduzieren könnten.
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Über den Sachverständigenrat:
Der Sachverständigenrat für Integration und Migration ist ein unabhängiges
und interdisziplinär besetztes Gremium der wissenschaftlichen
Politikberatung. Mit seinen Gutachten soll das Gremium zur Urteilsbildung
bei allen integrations- und migrationspolitisch verantwortlichen Instanzen
sowie der Öffentlichkeit beitragen. Dem SVR gehören neun
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen und
Forschungsrichtungen an: Prof. Dr. Hans Vorländer (Vorsitzender), Prof.
Dr. Birgit Leyendecker (Stellvertretende Vorsitzende), Prof. Dr. Havva
Engin, Prof. Dr. Birgit Glorius, Prof. Dr. Marc Helbling, Prof. Dr.
Winfried Kluth, Prof. Dr. Matthias Koenig, Prof. Sandra Lavenex, Ph.D.,
Prof. Panu Poutvaara, Ph.D.
Der wissenschaftliche Stab unterstützt den Sachverständigenrat bei der
Erfüllung seiner Aufgaben und betreibt darüber hinaus eigenständige,
anwendungsorientierte Forschung im Bereich Integration und Migration.
Dabei folgt er unterschiedlichen disziplinären und methodischen Ansätzen.
Die Forschungsergebnisse werden u. a. in Form von Studien, Expertisen und
Policy Briefs veröffentlicht.
Weitere Informationen unter: www.svr-migration.de