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Ginseng-Geschichten in leuchtend rotes Papier geschnitten

Ginseng-Sucher. Glücklich trägt der Ginseng-Sucher seinen Fund heim. Aus: Bangchui guniang 棒槌姑娘 (Das Ginseng-Mädchen). Scherenschnitt: Hou Yumei 侯玉梅.  Foto: Kathrin Leuenberger
Ginseng-Sucher. Glücklich trägt der Ginseng-Sucher seinen Fund heim. Aus: Bangchui guniang 棒槌姑娘 (Das Ginseng-Mädchen). Scherenschnitt: Hou Yumei 侯玉梅. Foto: Kathrin Leuenberger
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Ginseng ist begehrt, denn ihm werden Heilkräfte zugeschrieben. Sein wildes
Vorkommen in Nordost-China ist rar und ihn aufzuspüren, setzt komplexes
Wissen voraus. So ranken sich zahlreiche Erzählungen um die Wurzel und die
Suche nach ihr. Ihnen widmet sich eine Aus-stellung im Völkerkundemuseum
der Universität Zürich – anhand von Scherenschnitten.

Seit dem 17. Jahrhundert wird der in den Berggebieten Nordost-Chinas
verborgen wachsende Ginseng wegen seiner Heilkräfte geschätzt. Menschen
aus den Armutsgebieten Chinas erhofften sich in der Wildnis Reichtum vom
Fund der Wurzel. Ihre Suche war mit Risiken, Ritualen und spe-zifischen
Techniken verbunden: So nutzten die ausschliesslich männlichen Ginseng-
Sucher ein spezielles (Geheim-)Vokabular, besondere Werkzeuge und
Handgriffe, um die Pflanze zu finden und zu sichern.

Die aufwändige und oft erfolglose Suche sowie die besonderen Begegnungen
in den einsamen Bergen boten einen idealen Nährboden für die Entstehung
von Erzählungen. Ein wiederkehren-der Topos darin sind Ginseng-Träume. Die
Region um das Changbai-Bergland in Nordostchina identifiziert sich bis
heute stark mit diesen Geschichten, auch wenn Ginseng inzwischen in Plan-
tagen angebaut wird.

Aus dem Changbai-Bergland in die Welt
Die 1952 geborene, mandschurische Künstlerin Hou Yumei hält Erzählungen
und Träume der Ginseng-Sucher in Scherenschnitten fest und bindet sie zu
kunstvollen Bänden. Dabei verhan-delt sie Themen, die auch im 21.
Jahrhundert aktuell sind: Ehrlichkeit und Verrat, Mut, Mässigung und einen
wertschätzenden Umgang mit natürlichen Ressourcen.

Die heute 72-Jährige griff bereits als Kind griff zur Schere: Zunächst
entwarf ihr Bruder die Text-vorlagen für die in Papier geschnittenen
Szenen, später emanzipierte sich Hou Yumei und fand zu ihrem eigenen Stil.
Hintergrund ihrer Entwicklung bilden die 1990er-Jahre, in denen in China
der Fernseher das populäre mündlichen Erzählen verdrängte. Um die
verschwindende Tradition zu dokumentieren, stellten Staat und
Kulturinstitutionen Mittel für Volkskünstler:innen diverser Sparten zur
Verfügung. Hou Yumei gewann Anerkennung als Scherenschnitt-Meisterin,
folgte Einladungen ins In- und Ausland und erhielt Auszeichnungen. Heute
lebt sie in San Francisco, wo sie zum chinesischen Neujahr die
Scherenschnitt-Dekoration in der Chinatown gestaltet und Figuren für die
Umzüge entwirft – immer frei, ohne jedes Vorzeichnen. Zwei grosse Scheren-
schnitte von ihr zieren die Station Chinatown der Untergrundbahn von San
Francisco.

Forschung und Kunst: Zwei Perspektiven auf dasselbe Erzählgut
In die Schweiz gelangten die Werke von Hou Yumei dank Mareile Flitsch,
Direktorin des Völkerkundemuseums. Sie forschte in den 1980er-Jahren zum
Wissen der Ginseng-Sucher in China und traf dabei auf Hou Yumei – eine
Frau, die sich aus vollkommen anderer Perspektive mit demselben Erzählgut
befasste. «Die eigenwilligen, aussagekräftige Scherenschnitten haben mich
auf den ersten Blick gefesselt», erinnert sich Flitsch. «All das, was ich
während meiner Recherchen zusammengetragen hatte, schnitt Hou Yumei in
Papier.» Flitsch konnte einige der frühen Werke erwerben und brachte sie
mit ihrer Berufung 2008 an die Universität Zürich, wo sie seither in der
Sammlung des Völkerkundemuseums aufbewahrt werden.

Ein Kreis schliesst sich
In der Ausstellung, die diese Werke nun präsentieren, tauchen die
Besucher:innen in eine rot-weisse Welt ein: Sie können durch die
digitalisierten Bände blättern, die Wirkung der Kunstwerke in drei stark
vergrösserte Scherenschnitten im Detail nachvollziehen oder den Ginseng-
Erzählungen aus verschiedenen Epochen lauschen. Darüber hinaus bietet die
Ausstellung Hin-tergrundwissen zur historischen und kulturellen Bedeutung
der Ginseng-Suche in Nordost-China.

«Von Ginseng träumen» ist Mareile Flitschs letzte Ausstellung am
Völkerkundemuseum der Uni-versität Zürich; sie wird im Januar 2025
emeritiert. Anlässlich ihres Rücktritts schenkt sie dem Mu-seum zahlreiche
weitere Werke von Hou Yumei aus ihrem Privatbesitz. Im Gespräch und bei
Scherenschnitt-Vorführungen können die Besucher:innen erleben, wie die
Arbeiten entstehen. Und wenn sie sich selbst im Scherenschnittschneiden
versuchen möchten, liegen in der Ausstel-lung selbstverständlich Vorlagen,
Scheren und rotes Papier bereit.

«Von Ginseng träumen – Scherenschnitt-Geschichten von Hou Yumei»
Ausstellung im Völkerkundemuseum der Universität Zürich
Pelikanstr. 40, 8001 Zürich
15. November 2024 bis 25. Mai 2025
Di, Mi, Fr 10–17, Do 10–19, Sa 14–17, So 11–17 Uhr

Am 14. November 2024, 18 Uhr Eröffnung der Ausstellung am
Völkerkundemuseum UZH
musethno.uzh.ch/de/ginseng

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